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Im Dienste der Fossilien

An die 120 Gäste folgten am 11. November trotz drohenden Wintereinbruchs der Einladung von Stiftern, Vorstand und Kuratorium der Friedrich von Alberti-Stiftung der Hohenloher Muschelkalkwerke zur 12. Verleihung des Alberti-Preises ins baden-württembergische Ingelfingen.

Preistrgerin Monika Rothgaenger und Preistrger Manfred Schulz (2.v.r.)

Die 1997 von 20 Unternehmen aus der Rohstoffbranche begründete Stiftung würdigt mit dem Preis, der im Wechsel an Berufspaläontologen und Privatpaläontologen verliehen wird, herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Paläontologie. Der mit 10 000,-- € dotierte Alberti-Preis 2016 ging zu gleichen Teilen an Monika Rothgaenger aus Kallmünz bei Regensburg und Manfred Schulz aus Großenlüder bei Fulda. Frau Rothgaenger wurde ausgezeichnet für ihre Verdienste um die Entdeckung, Erhaltung und Dokumentation der ostbayerischen Fossillagerstätte Brunn, für die Bergung, Präparation und Bearbeitung ihres Fossilinhalts in koordinierten Grabungen sowie für die Organisation ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung durch internationale Spezialisten und die Popularisierung der bayerischen Plattenkalklagerstätten. Herr Schulz wurde für seine Verdienste um die jahrzehntelange Sammlungs- und Grabungstätigkeit im hessischen und thüringischen Muschelkalk geehrt, für die sorgfältige Dokumentation und meisterliche Präparation seiner Funde sowie seine Beiträge zur Kenntnis der Krebse des Muschelkalks in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern verschiedener europäischer Museen und in selbständigen Publikationen.

Zur feierlichen Preisverleihung in der Ingelfinger Stadthalle begrüßte Bürgermeister Michael Bauer mit Gedanken über die menschliches Maß überschreitenden geologischen Zeiträume. In seinem Grußwort betonte Hauptgeschäftsführer Thomas Beißwenger vom Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg (ISTE) die Bedeutung der Rohstoffe und die Tätigkeit der Alberti-Stiftung an der Schnittstelle von Rohstoffwirtschaft und Wissenschaft. Prof. Dr. Thomas Martin, Vizepräsident der Paläontologischen Gesellschaft, die auch die beiden Preisträger nominiert hatte, hob die Rolle der Steinbrüche und Gruben als Fenster in die Erd- und Lebensgeschichte hervor. Anders als Berufspaläontologen an Museen und Forschungsinstituen, die in befristeten Projekten arbeiten, können Fossiliensammler, so Prof. Martin, diese Aufschlüsse kontinuierlich über Jahrzehnte begehen, ihren Fossilinhalt bergen und dokumentieren und damit zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen.

Wie sich solche Tätigkeiten im Einzelnen gestalten und welche Begabung und zielstrebige Arbeit dazu gehört, erhellte sich den Festgästen aus den mit ausgewählten Bildern illustrierten Vorträgen der beiden Preisträger und aus den Laudationes. Frau Rothgaenger kam erstmals 1964 über Grabungen in der Regensburger Oberkreide mit Fossilien in Kontakt und sammelte dann mit Biotopkartierungen am Rhein-Main-Donau-Kanal Erfahrungen, wie man wissenschaftliche Ergebnisse kommuniziert. Lebhaft schilderte sie, wie sie in einem temporären Forststeinbruch die Plattenkalk- und Fossillagerstätte Brunn aus der Zeit des Späten Jura entdeckte und es zu verhindern verstand, dass dort einzigartige Fossilien, darunter Fische, Schildkröten, Brückenechsen und Flugsaurier, zu Wegeschotter verarbeitet wurden. Rasch erkannte sie Unterschiede zu den deutlich jüngeren Plattenkalken aus der Solnhofener Lagune und setzte 1991 und 1992 erste Probegrabungen an, ohne aber jemals eine eigene Sammlung anzulegen. Größten Wert legt sie dagegen auf sorgfältige Dokumentation. In diesem Sinn erweiterte sie ihr Arbeitsgebiet auf die Plattenkalk-Vorkommen von Hienheim, Ried, Pfalzpaint und Schernfeld, die sie als Koautorin in vier Buchpublikationen bekannt machte. Ihr herausragendes Lebenswerk blieb aber die Sicherung der Fossillagerstätte Brunn und der damit verbundene Aufbau einer Spezialsammlung in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie München. 25 Jahre beaufsichtigte und koordinierte sie die Grabungen zusammen mit Dr. Martin Röper in dem Projekt „Plattenkalk- und Fossillagerstätte Brunn“, gründete dafür 1993 eigens einen Förderverein und organisiert seither die fachgerechte Präparation der Funde. Dazu lernte sie weitere ehrenamtliche Helfer an und stellte den Kontakt zu internationalen Spezialisten her, die für die wissenschaftliche Bearbeitung der Funde in renommierten Fachjournalen sorgen. Für das Bürgermeister-Müller-Museum in Solnhofen, wo das geborgene Material präpariert, bearbeitet und größtenteils auch ausgestellt wird, ist sie seit Jahren im Beirat tätig. Erst wenige Tage vor der Preisverleihung wurde im Paläontologischen Museum München die Ausstellung „In einer Lagune vor unserer Zeit – 25 Jahre wissenschaftliche Fossilgrabungen – Fossilagerstätte Brunn, Bayern“ eröffnet. Frau Rothgaenger war auch an der Organisation der Tagungen der Deutschen Subkommission für Jura-Stratigraphie 2001 in Solnhofen und 2005 in Regensburg maßgeblich beteiligt. Geehrt wurde die bescheiden auftretende Privatpaläontologin schon mit der August-Wetzler-Medaille und mit drei neuen Fossilarten, die nach ihr benannt wurden, darunter dem Flugsaurier Bellubrunnus rothgaengerae.

Manfred Schulz ist von Beruf Gärtner. Schon früh entdeckte er sein Interesse für Fossilien. 1982 trat er dem Arbeitskreis Geologie im Verein für Naturkunde in Osthessen in Fulda bei. In dieser Zeit traf er auch die Kasseler Fossiliensammler Dr. h.c. Erwin Busse und Diethelm Baumgarte, zwei hervorragende Kenner des hessischen Muschelkalks. In einem Steinbruch bei Großenlüder hatte er eine reiche Fossillagerstätte mit zusammenhängenden Stachelhäuter-Skeletten entdeckt, die er zusammen mit Walter Koch sorgfältig ausgegraben und geborgen hat. In den Folgejahren entdeckte und besammelte er weitere Fossillagerstätten im mitteldeutschen Muschelkalk, wobei die Öffnung der Grenze nach 1989 sein Sammelgebiet nach Osten in den klassischen Muschelkalk Thüringens erweiterte. Seine Funde präpariert und dokumentiert er in seiner Sammlung fachgerecht. Es waren dann vor allem die dekapoden Krebse im Oberen Muschelkalk von Großenlüder-Müs, die in ihm den Präparator herausforderten. Er legte sich die technischen Geräte zu und entwickelte bei der Freilegung – auch von so delikaten Resten wie den Antennen und Beinen der Krebse aus den harten Muschelkalkgeoden – professionelle Technik und Genauigkeit. Die Auseinandersetzung mit der Morphologie der Krebse machte schließlich aus dem Sammler und Präparator einen Privatpaläontologen, der in Kooperationen mit Wissenschaftlern und auch in eigenständigen Publikationen die Kenntnis dieser Krebse vertiefte. In zehn wissenschaftliche Publikationen ist seine Expertise bisher eingeflossen. So zeigt eine kleine Sonderausstellung im Muschelkalkmuseum Ergebnisse seiner Forschungen zur Ökologie des spezialisierten Hummers Lissocardia silesiaca. Manfred Schulz kooperierte in den vergangenen Jahren vertrauensvoll mit den regionalen bodendenkmalpflegerischen Behörden, der hessenArchäologie und mit verschiedenen Museen, u.a. dem Vonderau Museum Fulda, dem Naturkundemuseum im Ottoneum Kassel, dem Naturkundemuseum Erfurt und dem Muschelkalkmuseum Ingelfingen. Im Trias-Verein Thüringen lieferte er über Jahre Texte und Material für die Homepage, führte Exkursionen und leitete den Sammlernachwuchs an. Auch war er maßgeblich an der Ausstellung „In einem Meer vor unserer Zeit – das Ökosystem Muschelkalk“ beteiligt, die 2011 und 2012 in Erfurt, Kassel und Fulda gezeigt wurde.

Die Leistungen dieser beiden herausragenden Persönlichkeiten, die auf ihre Weise belegen, was private Paläontologie vermag, wurden von den Laudatoren Privatdozent Dr. Mike Reich, München, und Dr. Günter Schweigert, Stuttgart für Monika Rothgaenger und von Dr. Cornelia Kurz, Kassel, für Manfred Schulz gewürdigt. Mit den beiden Preisträgern hat die Alberti-Stiftung der Hohenloher Muschelkalkwerke zwei erfolgreiche Persönlichkeiten für die „Alberti-Familie“ gewonnen, die über Jahre ehrenamtlich zur Kenntnis von Erd- und Lebensgeschichte beigetragen haben.

Im Anschluss an die Laudationes überreichten Dr. Martin Westermann als Erster Vorsitzender des Vorstands der Alberti-Stiftung und Frank Hippelein als Vorsitzender des Stiftungskuratoriums den Preisträgern Urkunde und Scheck, dazu noch einen in Halbleder gebundenen Reprint von Albertis Hauptwerk „Beitrag zu einer Monographie des Bunten Sandsteins, Muschelkalks und Keupers, und die Verbindung dieser Gebilde zu einer Formation“ aus dem Jahr 1834. Nach ihren kurzen Erwiderungen und einem bebilderten Bericht über die Tätigkeit der Alberti-Stiftung im vergangenen Jahr durch Dr. Hans Hagdorn, den Leiter des Muschelkalkmuseums, lud Bürgermeister Bauer die Gäste zum geselligen Ausklang bei Ingelfinger Wein und Gebäck. Viele Gäste nutzten die Gelegenheit, noch bis spät in den Abend im Muschelkalkmuseum mit Kollegen und Bekannten über neue Funde und Forschungen zu plaudern. Festlich umrahmt wurde die Veranstaltung mit Liedern von Mozart und Brahms, interpretiert von Katja Löffler und Timo Führ und am Klavier begleitet von Tomoko Ichinose.  

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