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Urteil 6. Dezember 2023

Fällt Duschen in die Arbeitszeit?

Jahrelang duscht ein Mitarbeiter nach dem Ende seiner Schicht – außerhalb seiner Arbeitszeit. Dann klagt er gegen den Betrieb. Ein Gericht nimmt sich dieser Sache an und unternimmt einen „Selbstversuch“.

Wenn der Mitarbeiter nach der Arbeit schmutzig ist, will er duschen. Doch ist das noch Arbeitszeit?
Wenn der Mitarbeiter nach der Arbeit schmutzig ist, will er duschen. Doch ist das noch Arbeitszeit?

Der Fall

Ein Containermechaniker duscht regelmäßig in der Umkleide seiner Arbeitsstätte. Zu seinen Aufgaben gehört es, rostige und beschädigte Stellen an Transportcontainern abzuschleifen, unter Umständen lackiert er die Stellen auch mit Pinseln und Spritzpistolen nach. Sein Arbeitgeber stellt ihm dazu Arbeitskleidung sowie Handschuhe, Schutzbrille und Atemmaske bereit. Dennoch sind seine Arme, Haare und sein Kopf nach getaner Arbeit schmutzig. Deshalb duscht der Containermechaniker, bevor er seine private Kleidung anlegt und nach Hause geht – und zwar außerhalb seiner Arbeitszeit. Denn in der Betriebsvereinbarung steht: „Die tägliche Arbeitszeit endet mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit […]“.

Bislang hat der Arbeitgeber weder die Umkleidezeiten noch das Duschen bezahlt, obwohl der Mitarbeiter dazu angehalten ist, seine Arbeitskleidung vor Arbeitsantritt anzulegen und diese nach der Schicht im Unternehmen zur Reinigung zu lassen. Das hat sich der Containermechaniker nun nicht mehr gefallen lassen. Er klagt vor Gericht, dass das Waschen Teil seines Jobs sei. Er fordert für die Zeit ab Januar 2017 eine Nachzahlung von mehr als 20.000 Euro.

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg stimmt ihm grundlegend zu, gewährt dem Mitarbeiter aber nur knapp 2.400 Euro plus Zinsen für rund 20 Monate. Nur für diese Monate könne ein Anspruch geltend gemacht werden, so das Gericht, denn die Zeit davor sei wegen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verfallen.

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Der Mitarbeiter hatte im Verlaufe des Verfahrens zu Protokoll gegeben, dass die Zeit für Duschen, Umziehen und Erreichen der Arbeitsstelle etwa 50 min benötige. Bei der Festlegung der Umkleidezeiten beruft sich das LAG auf einen „Selbstversuch“, den Richter durchgeführt haben. Dazu brachte der Arbeitgeber die anzulegende Arbeitskleidung mit. Diese wurde samt der Arbeitsschuhe im Dienstzimmerschrank des vorsitzenden Richters verstaut. Der Vorsitzende zog sich daraufhin um und die ehrenamtlichen Richter stoppten die Zeit. Übereinstimmend kamen sie auf eine Umziehzeit von 4 min. Diese Zeit rundeten die Richter auf 5 min auf, da in kühlen Monaten noch weitere Bekleidung getragen werde.

Die Umziehzeit gehört laut Gericht zur Arbeitszeit, da der Arbeitgeber das Tragen der Arbeitskleidung angeordnet hat. Genauso müsse der innerbetriebliche Weg von der Umkleide zum Arbeitsort bezahlt werden. Diesen schätzt das LAG auf insgesamt 1 min.

Das Waschen des Körpers nach der Arbeit sei nicht zwangsläufig in die Arbeitszeit einzurechnen. Im Falle des Containermechanikers aber schon. Denn er sei nach der Arbeit dreckiger, als er es nach einem Tag Privatleben wäre. Somit ist hier die Reinigungszeit Arbeitszeit, „weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt.“ Für die Duschzeit wendet das Gericht einen Schätzwert von 10 min an.

Der zu bezahlende Zeitaufwand verändere sich auch nicht, wenn sich der Mitarbeiter nur am Waschbecken wasche, statt seinen ganzen Körper zu duschen. Denn laut LAG müsse sich der Mitarbeiter ohnehin umziehen. Insgesamt hat der Containermechaniker Anspruch auf täglich vergütete 21 min für das Umkleiden, Waschen und Zurücklegen der Wege. Hiergegen ließ das LAG aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.

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