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Archiv 12. September 2016

Streit um Brückenverfall

Die Bauunternehmen in Baden-Württemberg sind derzeit zufrieden. Erfreulich sind die Mehrausgaben im Öffentlichen Bau. Hier gab es im 1. Halbjahr ein Plus um 10,8 %, wobei der Straßenbausektor um 12,5 % zulegte. Sorge bereitet der Bauwirtschaft der nach wie vor schlechte Zustand zahlreicher Brücken im Land. Das Landesverkehrsministerium widerspricht.

Auch die Kochertalbrcke im Zuge der A 6 in Baden-Wrttemberg wurde bereits saniert, um weitere Schden zu verhindern
Auch die Kochertalbrcke im Zuge der A 6 in Baden-Wrttemberg wurde bereits saniert, um weitere Schden zu verhindern

Immer öfter bröckelt Beton, korrodieren Stahlträger oder bekommen Fahrbahnen Risse. Von den insgesamt ca. 9.200 Brückenbauwerken im Zuge von Landes- und Bundesfernstraßen in Baden-Württemberg liegen 3.160 an Landesstraßen und damit in der Baulast des Landes. Hiervon sind 40 % in einem so schlechten baulichen Zustand, dass sie dringend saniert werden müssten. Hauptursache für den raschen Verfall ist der stark gestiegene Schwerlastverkehr, für den die im Schnitt 45 Jahre alten Brücken gar nicht konzipiert waren – weder in puncto Verkehrsaufkommen noch in Sachen Tragfähigkeit. Manche der für heutige Verhältnisse zu filigran gebauten Brückenbauwerke sind in einem derart schlechten Zustand, dass nur noch Geschwindigkeits- und Gewichtsbeschränkungen als Notlösung weiterhelfen. Für schwere Lkw, die die Brücken gar nicht mehr befahren dürfen, bedeutet das oft kilometerweite Umwege.

Sowohl vom Bund als auch vom Land wird die Brückenproblematik seit Jahren als absolut dringlich erkannt, dennoch zieht die Landesregierung nicht die notwendigen Konsequenzen, so der Verband. Der Bund hat immerhin vor kurzem mehr Mittel für die Sanierung von Autobahnen und Bundesstraßen angekündigt, was auch die dortigen Brücken einschließt. Das Land hingegen hält sich mit der Finanzierung auffallend zurück. Diese Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit stößt bei Verbandspräsident Bernhard Sänger auf Unverständnis: „Wir fordern die Landesregierung auf, nicht nur vom Bund mehr Geld einzufordern, sondern selbst ausreichend Mittel zu investieren, um die Brücken in ihrer Verantwortung vor weiterem Verfall zu bewahren.“ Vor drei Jahren, so Sänger, sollten noch 60 Mio. Euro für die Ertüchtigung und den Erhalt der Brücken an Landesstraßen bereitgestellt werden. Zwischenzeitlich sei nur noch von 30 Mio. Euro die Rede. „Das passt angesichts des unverändert schlechten Zustands dieser Bauwerke nicht zusammen. Hier wird definitiv an der falschen Stelle gespart und deshalb tickt in den Brücken unseres Landes eine echte Zeitbombe!“

Das Landesverkehrsministerium entgegnete auf die Vorwürfe, dass mit Amtsantritt von Verkehrsminister Winfried Hermann 2011 die Erhaltungsmittel stetig steigen. An Landesstraßen von 85 Mio. Euro (2011) auf 120 Mio. Euro (2015) und an Bundesstraßen von 198 Mio. Euro (2011) auf 353 Mio. Euro (2015). Rund 22 Mio. Euro dieser Investitionen gingen 2015 an Landesstraßen in die Brücken. An Bundesstraßen waren es 2015 rund ein Viertel der Investitionen.

 „Die Mittel dafür stellt der Landtag zur Verfügung. Hier setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, dass die Mittel erhöht werden“, so die Sprecherin. In den nächsten Jahren sollen neben den Investitionsmitteln zur baulichen Umsetzung vor allem die Planungsmittel dauerhaft erhöht werden. „Die Aussage Sängers, 40 % der Brücken an Landesstraßen seien in einem schlechten Zustand können wir jedoch nicht so stehen lassen“, so die Sprecherin weiter. Rund 26 % der Fläche der Autobahnbrücken, rund 8 % der Fläche der Bundesstraßenbrücken und rund 10 % der Fläche der Landesstraßenbrücken befinden sich in einem schlechten Bauwerkszustand (Bauwerksnote 3,0 und schlechter). „Dies heißt jedoch nicht, dass diese Brücken einsturzgefährdet sind“, sagte die Sprecherin weiter.

Seit 2011 werden insbesondere bei den besonders belasteten Autobahnbrücken die Tragfähigkeit der Bauwerke nachgerechnet. Bislang konnten 230 Autobahnbrücken und Bundestraßenbrücken von den rund 680 vordringlich nachzurechnenden prioritären Brücken im Bundesfernstraßennetz abgearbeitet werden. Bei Tragfähigkeitsdefiziten werden diese Bauwerke vordringlich behandelt und gegebenenfalls baulich ertüchtigt oder durch einen Ersatzneubau ersetzt. Als Beispiel einer Verstärkungsmaßnahme kann die Kochertalbrücke bei Braunsbach im Zuge der A 6, die höchste Brücke Deutschlands, genannt werden. Es ist gelungen, die Kochertalbrücke so instand zu setzen und zu ertüchtigen, dass die Brücke als einziges Bauwerk im Rahmen des geplanten Ausbaus der A 6 nicht durch einen Neubau ersetzt werden muss

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