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Digitalisierung

Baustoffwerk geht digitale Schritte in die Zukunft

Die Naumann GmbH & Co. KG hat mit der Umstellung auf eine komplette Digitalisierung ihrer Prozesse begonnen. Unser Autor beschreibt, wie sich der Wandel anfühlt.

Inhaltsverzeichnis

Der heutige Unternehmensverbund der Naumann GmbH & Co. KG aus dem hessischen Kirchheim, zu welchem auch die K+B Kies und Beton GmbH aus Erfurt gehört, hat 350 Mitarbeiter, neun Transportbetonwerke in Hessen und sechs in Thüringen, die von sieben Kieswerken im Freistaat Thüringen versorgt werden. Inzwischen kann die Unternehmensgruppe auf eine 90-jährige Geschichte zurückblicken. Der Ursprung liegt in der Naumann KG, einer kleinen hessischen Baufirma, welche 1929 in Kirchheim ins Leben gerufen wurde. Dort wurde 1971 auch das erste Transportbetonwerk in Betrieb genommen. Nach der Grenzöffnung nahm man Kontakte in das benachbarte Thüringen auf und gründete als Tochtergesellschaft die K+B GmbH.

Mit Beton wird „Schotter“ gemacht

Der Umsatz wird hauptsächlich mit Beton in verschiedensten Formen, Mörtel aber auch Kiesen, Splitten und Sanden erwirtschaftet. Der Verkauf erfolgt über die Naumann GmbH und die K+B GmbH, zu welcher 2012 die BVFW Baustoff Vertrieb Fulda Werra GmbH dazu kam, welche ebenfalls zur Naumann-Gruppe gehört. Auf den Baustellen kann der Beton durch die ebenfalls zugehörige BHT Betonpumpen Hessen-Thüringen GmbH mit Sitz in Kirchheim verarbeitet werden. Die Anlieferung der Produkte erfolgt über 150 eigene Fahrzeuge, zu denen auch etliche Betonpumpen gehören. Ergänzt wird der gesamte Komplex seit 2007 durch die AoBoTec GmbH – einem werkseigenem Labor.

„Wer heute sein Unternehmen nicht auf die Zukunft ausrichtet, der wird irgendwann auf der Strecke bleiben.“ Dieser Leitsatz wird bei Naumann/Kies + Beton nicht nur ausgesprochen, sondern auch gelebt. Seit mehreren Jahrzehnten werden im Unternehmensverbund verschiedene Prozesse fortwährend digitalisiert. „Die dazu installierte firmeneigene EDV war für unsere damaligen Bedürfnisse eigentlich maßgeschneidert und wurde von uns auch selbst betreut.“ Da aber weitere und auch neue Anforderungen auf die Unternehmensgruppe zukamen, die sich damit nicht mehr umsetzen ließen, war eine Umstellung notwendig, berichtet Ralf Zschäbitz von der „nicht einfachen Entscheidung“. Der Prokurist war und ist im Unternehmen für den Vertrieb verantwortlich und daher sehr eng mit den Themen Disposition und Fakturierung sowie der fortschreitenden Digitalisierung verbunden.

Nachdem man sich auf dem Markt umgesehen hatte, kam man schnell auf die Praxis EDV-Betriebswirtschaft- und Software-Entwicklung AG. „Es ist auch bei uns angekommen, dass der Softwarenentwickler aus dem benachbarten Pferdingsleben schon viele Jahre lang auf diesem Gebiet arbeitet.“ Erste Gespräche hätten gezeigt, welches enorme Potential an praktischen Erfahrungen hier vorhanden sei, so Zschäbitz. „Wir haben gemerkt, dass viele Erkenntnisse, die durch eine langjährige Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Anwendern gewonnen wurden, in die Entwicklungsarbeit der Softwarelösungen eingeflossen sind.“

Die Entscheidung fiel auf die „WDV 2020“. Dahinter steht eine hochintegrierte Branchen-ERP, welche aus einer ehemals reinen Wägedatenverarbeitung entwickelt wurde. Dort sind im Laufe der Zeit weitere Bereiche wie die Fakturation, Rezepturen und Stammdaten, der Rohstoffeinkauf, das Labor, die Kalkulation, die Disposition, der elektronische Lieferschein und die digitale Archivierung integriert worden.

„Da hier die für uns relevante Asphalt-, Schüttgut- und Betonbranche sowie die Baustofflogistik abbildet ist, haben wir entschieden, am 01. Januar 2019 mit der Einführung zu beginnen.“ Der Anfang sei wie eine „Operation am offenen Herzen“ gewesen, da man ja grundlegend in die zentralen Systeme eingegriffen habe, blickt Zschäbitz zurück. Wie oft bei größeren Umstellungen sei diese Phase zwar etwas schwierig gewesen, aber nach relativ kurzer Zeit waren die meisten Daten übernommen und alle Abläufe auf ein normales Maß eingespielt. Zur besseren Vorbereitung wurden bereits seit Oktober 2018 etwa 100 Mitarbeiter wie beispielsweise das Waagenpersonal und die Mischmeister sowie aus den Bereichen Fakturierung, Buchhaltung, Vertrieb und Disposition in fachspezifische Gruppen eingeteilt und erhielten Schulungen zu den für ihre Arbeit wichtigen Informationen. Diese Einarbeitung in die WDV 2020 fand sowohl im Schulungszentrum „Praxis Academy“ in Pferdingsleben als auch vor Ort im Unternehmen statt. „Das war kein einfaches Verfahren, aber die Praxis EDV hat sich hier als kompetenter Partner erwiesen“, lobt Zschäbitz.

Mut zur Umstellung zahlt sich aus

Das bestätigt auch Frank Kunath: „Die WDV 2020 war am Anfang auch für mich eine gewaltige Umstellung. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit wurde sie aber von Tag zu Tag besser.“ Den großen Vorteil für seine Arbeit sieht der Vertriebsmitarbeiter der Kies + Beton GmbH für den Großraum Erfurt darin, dass er bei seinen Kunden auf einen Blick alle wichtigen Daten wie beispielsweise die Baustellen und Umsätze sofort sieht. „In unserem alten Programm musste ich da alles aus verschiedenen Bereichen zusammentragen“, sieht Kunath eine deutliche Zeiteinsparung. Jetzt sind die Werke in Erfurt/Schwerborn, in Kirchheim, die Betonpumpen der BHT und der Baustoffvertrieb BVFW über die WDV als eine echte „Industrie 4.0“ – Lösung digital vernetzt. Der Datenaustausch erfolgt dabei über eine hoch abgesicherte Cloud. „So sind jetzt beispielsweise alle Mischstationen und Baustellen geocodiert und können problemlos eingebunden werden. Das sind Kleinigkeiten, die früher gefehlt haben, um Vorgänge schneller abzuschließen“, zählt Ralf Zschäbitz nur einen Vorteil auf.

Stetige Weiterentwicklung

Die WDV 2020 könne jedoch noch viel mehr. Zwar habe man ein „fertiges Gesamtpaket“ gekauft, jedoch erfolge derzeit noch eine gemeinsame Anpassung an die konkrete Situation im Unternehmensverbund. „Im Prinzip sind die Abläufe in jedem Unternehmen vergleichbar. Die Unterschiede gibt es dann konkret in der Verarbeitung, da Vorgänge in jedem Betrieb anders bewertet und verarbeitet werden. Jeder Geschäftsfall wird dort aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und es werden andere Schwerpunkte gesetzt. Deshalb entwickelt die Praxis EDV mit uns heute noch zusammen die WDV weiter und bringt dort Verbesserungen speziell für uns ein. Dabei lernen wir von der WDV und die WDV von uns.“ Das komme dann auch wieder anderen Nutzern der Software zugute, so Zschäbitz.

Etliche Erleichterungen gibt es auch in der Disposition in Erfurt. „Wir können jetzt Aufträge an unsere Fahrzeuge, beispielsweise von unserem Kieswerk an unser Betonwerk digital abarbeiten, was früher telefonisch gemacht werden musste“, sagte Holger Pabst (Disponent für Schüttgüter). Das bestätigt auch sein Kollege Peter Mainz, welcher für Zement und auch Kies zuständig ist: „Zusätzlich zu der digitalen Auftragsvermittlung können wir überprüfen, wo die Fahrzeuge sind und ob sie sich im zeitlich richtigen Rahmen bewegen, Termine einhalten und die richtige Routen zu den Mischwerken oder Kunden nutzen.“ Diese zeitnahe Abfrage am PC sei eine große Hilfe, da auch hier vorher alles aufwändig telefonisch erledigt werden musste. Jetzt arbeiten sich alle Mitarbeiter nach und nach in dieses System ein. Bei der Betonherstellung sind die Schüttgut-LKW und die Transportbetonmischer schon über ein in den Fahrzeugen angebrachtes „Fleetboard“ direkt an die WDV angeschlossen und bekommen ihre Aufträge von der Disposition direkt ins Führerhaus übermittelt. Bei den Mischfahrzeugen gehen die Aufträge allerdings noch über den Mischmeister, welcher dann die Fahrzeuge einteilt. Hier bestätigt der Fahrer auf dem Fleetboard nur das Ende eines Auftrages und kann mit diesen Rückmeldungen dann weiter disponiert werden.Auch die Fakturierung von geliefertem Kies und Beton kann zeitnah erfolgen, da die entsprechenden Daten sofort zur Verfügung stehen. Damit wurde das alte und aufwändige System der „Frachtgutschriften-
erstellung“ abgelöst, welches vorher bei externen Spediteuren und Kunden eingesetzt wurde.

Die Umstellung der Radlader gehe ebenfalls schrittweise voran. Derzeit sei dort noch ein älteres System in Einsatz, welches aber die Lieferscheine schon digital an die WDV 2020 übermitteln kann. „Wir haben für ein Fahrzeug bei der Praxis EDV eine Radladerkonsole zum Testen gekauft.“ Dort habe der Fahrer jetzt sofort Zugriff auf sämtliche WDV-Daten wie beispielsweise Kunden, Baustellen und Produkte, sagte Zschäbitz. Auch die Daten des Radladers stehen innerhalb von Sekunden allen Beteiligten zur Verfügung und können sofort fakturiert werden. Neben Zeitgewinn sei dabei die Zuverlässigkeit bei der Lieferscheinerstellung deutlich höher, sieht Zschäbitz einen wichtigen Vorteil.

Feuertaufe bestanden

Eine erste große Bewährungsprobe musste die WDV 2020 an der Großbaustelle Sontra für die neue A44 in Hessen bestehen. Dort wurde Ende September ein größerer Überbau an einer Autobahnbrücke betoniert. Die Anlieferung von 700 t Zement, die rechtzeitig im Mischwerk sein müssen, um daraus mit werkseigenem Kies ca. 2.000 m3 Beton für sechs mehrschichtig arbeitende Großmastpumpen herzustellen und eine zeitlich sehr genaue Taktung aller Prozesse – so lautete die logistische Herausforderung an die neue Software. Um die geforderte nahtlose Versorgung mit Beton zu gewährleisten, arbeiteten hier drei Mischwerke in Berka/Werra, Reichensachsen und Eisenach zusammen.

„Ich kann jetzt auf meinem Display in Echtzeit sehen, wo sich alle im Einsatz befindlichen Lieferfahrzeuge befinden und so auch erkennen, wann meine Fahrzeuge hier wieder ankommen und beladen werden wollen.“ Früher musste das auch hier aufwändig per Telefon geklärt werden, sieht Mischmeister Ronald Holle vom Werk Berka/Werra eine große Erleichterung seiner Arbeit. Auch die Fahrzeiten vom Werk zur Baustelle könnten so wesentlich besser koordiniert und gesetzlich vorgeschriebene Lenkzeiten eingebunden werden. „Kunden, Baustellen, Rezepturen, Betonpumpen, Liefermengen – alles ist sauber hinterlegt.“ Auch die Datenübertragung von der werksinternen Steuerungstechnik der Mischanlage an die WDV 2020 funktioniere hervorragend. Durch die digitale Übertragung der Lieferscheine könnten sofort die Rechnungen erstellt werden. Das habe vorher oft länger gedauert, erklärt Prokurist Ralf Zschäbitz.

Bau-ELSE in Planung

Diese digitalen Lieferscheine sollen perspektivisch auch für die externen Kunden von Naumann/Kies + Beton eingeführt werden. Das wird dann über das Lieferscheinportal „Bau-ELSE“ geschehen, welches zusätzlich installiert wird. „Mit dieser weiteren Umstellung können wir viel Papier einsparen und das derzeit noch notwendige Lieferscheinarchiv zur Aufbewahrung entfällt dann.“ Auch die Revisionssicherheit sei gewährleistet, da die Praxis EDV alle gesetzlichen Vorgaben kenne und die entsprechenden Anforderungen digital erfüllen kann, so Zschäbitz. Um allen Kunden und Überwachern über die Bau-ELSE eine schnelle Zugriffsmöglichkeit auf Lieferscheine und technische Unterlagen zu ermöglichen, würde parallel dazu eine „Unternehmenscloud“ eingerichtet.  

(Michael Schlutter)

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