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Grüne Antriebe

Dem Motor das Wasser reichen

JCB hat den allerersten Bagger mit Wasserstoffantrieb entwickelt. Und in der Schweiz fahren bald Brennstoffzellen-Lkw zum Diesel-Preis.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland soll in Sachen Wasserstoff die Nase vorn haben. Kürzlich verabschiedete der Bund eine eigene Wasserstoffstrategie. 7 Mrd. Euro lässt Berlin in den nächsten Jahren für Forschung und Entwicklung in die Brennstoffzellentechnologie springen. Der Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) prognostiziert für H2-Fahrzeuge bis 2040 einen Marktanteil von 12 %. Ein sportliches Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn sich die klägliche Anzahl von bisher 83 Zapfstellen für Wasserstoff in Deutschland deutlich nach oben bewegt. Wir stehen also ganz am Anfang, auch was den „Verschmutzungsgrad“ des in Deutschland produzierten Wasserstoffs angeht. Der ist nämlich alles andere als grün. Mehr als 90 % unseres Wasserstoffs wird aus fossilem Erdgas erzeugt. Hinzu kommt der Wirkungsgrad: Von 100 kWh nach der Elektrolyse, dem Transport des verdichteten Wasserstoffs und dem Umwandlungsprozess im Fahrzeug bleiben nur etwa 30 % der aufgewendeten Energie fürs Fahren übrig.

Wissen wie es geht

In Garching bei München befindet sich das sogenannte Wasserstoff-Kompetenzzentrum von BMW. Während allen voran asiatische Länder längst wissen, wie man Autos mit Brennstoffzellen baut, tüftelt man hierzulande noch an einer sich rechnenden Produktionsstrategie im industriellen Maßstab. Konkret heißt das, dass die Entwicklungsabteilung in Garching den Antriebsstrang für künftige Wasserstoff-Fahrzeuge konstruiert und sich gleichzeitig Gedanken um die Fertigung macht. 2022 soll dank dieser Bemühungen eine Kleinserie von H2-Modellen auf Grundlage des X5 an den Start gehen. Aktuell gibt BMW die Reichweite seines Systems mit 500 km an. Die Fahrzeuge würden keine Konkurrenz zum E-Auto darstellen, eher eine Ergänzung, betont der Autobauer.

Immerhin macht sich das Unternehmen auf den Weg und erhöht seine Chance, ganz vorne mitspielen zu können. So handhabt es auch JCB. Der britische Baumaschinenhersteller zeigt sich offen für neue Wege und hat in der Corona-Krise kurzerhand Beatmungsgeräte statt Baggerkabinen hergestellt. Jüngst präsentierte das Unternehmen den Prototypen seines 20-Tonnen-Bagger 220X, der von einer Wasserstoff-Brennstoffzelle angetrieben wird. Die Maschine wurde mehr als zwölf Monate lang in einem Steinbruch einem Härtetests unterzogen. Mit der aktuellen Entwicklung ist JCB der erste Baumaschinenhersteller der Welt ist, der einen funktionierenden Prototyp eines Baggers mit Wasserstoffantrieb vorstellt.

Spannende Entwicklung

JCB Chairman Lord Bamford betonte: „Die Entwicklung des ersten wasserstoffbetriebenen Baggers ist unheimlich spannend, da wir eine CO2-freie Welt anstreben. In den kommenden Monaten wird JCB die Entwicklung und Feinabstimmung dieser Technologie mit weiteren Tests unserer Prototypmaschine fortsetzen.“ Der Strom für den JCB Bagger-Prototypen wird durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff in einer Brennstoffzelle erzeugt, um die für den Antrieb der Elektromotoren erforderliche Energie zu erzeugen. Als einzige Emission bleibt Wasser. Lord Bamfords Sohn, Jo Bamford, war 14 Jahre bei JCB tätig, bevor er in den Wasserstoffsektor wechselte. Er gründete die Firma Ryse Hydrogen und kaufte später den nordirischen Busgiganten Wrightbus. Dieser hat die Ausschreibungen gewonnen für die Lieferung der weltweit ersten Doppeldecker-Busflotten mit Wasserstoffantrieb an Städte wie London und Aberdeen.

Mit H2 durch die Schweiz

Der Wille zur sauberen Emission ist in vielen Ländern vorhanden. Im Lkw-Bereich ist der Wasserstoff-Prototyp sogar schon den Kinderschuhen entwachsen. Die Hyundai Hydrogen Mobility AG mit Sitz in der Schweiz hat ihren „Hyundai H2 Xcient Fuel Cell“ bereits zur Serienreife gebracht, die ersten Fahrzeuge stehen kurz vor der Auslieferung, aber nicht nach Deutschland. Von dort habe es viele Anfragen von Kunden gegeben, die gerne eine emissionsfreie Flotte aufbauen würden, berichtet das Unternehmen. Bei der E-Mobilität stoßen deutsche Kunden jedoch an unüberwindbare Grenzen. Tonnenschwere Batterien sind für den Fernverkehr nämlich keine Option, da sie die Nutzlast zu stark einschränken und wirtschaftlich gesehen dem Diesel kaum das Wasser reichen können. Bei der Brennstoffzellentechnologie sieht das unter bestimmten Voraussetzungen anders aus. Die Schweiz verfügt anders als Deutschland über genügend „grünen“ Strom. Das Wasserkraftwerk Gösgen bei Basel kann beispielsweise genügend Strom produzieren, um 50 Brennstoffzellen-Lkw zu versorgen. Außerdem müssen die Eidgenossen eine Schwerverkehrsabgabe LSVA pro LKW und Jahr leisten. Da CO2-freie Antriebe von dieser Abgabe befreit sind, lohnt sich die Suche nach emissionslosen Alternativen. Doch die Schweiz mit passenden Fahrzeugen auszustatten, erwies sich zunächst als gar nicht so leicht. Jörg Ackermann, Präsident des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz, fand auf der IAA-Nutzfahrzeuge 2018 in Hannover keinen einzigen der etablierten Hersteller, der eine Wasserstoff-Flotte hätte ausliefern können. Diese Chance nutzte die Hyundai Hydrogen Mobility AG. 50 Fahrzeuge des „H2 Xcient Fuel Cell“ werden als 4×2-Variante und mit einem Zug-Gesamtgewicht von 34 t noch in diesem Jahr an Schweizer Kunden ausgeliefert. Bis 2025 sollen 1.600 Wasserstoff-Brummis auf Schweizer Straßen unterwegs sein. Das H2-Modell verfügt über einen Trockenkoffer oder einen Kühlkoffer. Es bezieht den für den Antrieb benötigten Strom von zwei 95 kW-Brennstoffzellen, welche Wasserstoff und Sauerstoff aus der Umgebungsluft in elektrische Energie umwandeln. Der Brennstoffzellenbetrieb ist dabei emissionsfrei – es wird lediglich reiner Wasserdampf ausgestoßen. Ergänzt wird das System von einer 73,2 kWh Batterie. Das Fahrzeug kann mit 34,5 kg Wasserstoff betankt werden, was laut Hersteller eine Reichweite – je nach Einsatz – von ca. 400 km ermögliche. Die Nutzlast sei dabei vergleichbar mit einem Diesel Truck gleicher Größe.

Die Betankung

Die Weichen für einen emissionsärmeren Schwerlastverkehr in der Schweiz sind also gestellt, bleibt nur noch die Frage, wie die schweren Brennstoffzellen-LKWs zukünftig mit Wasserstoff betankt werden. Als vorteilhaft hat sich erwiesen, dass in der Schweiz Wasserstoff-Produzenten und Hyundai sowie Tankstellenbetreiber und Transporteure Hand in Hand arbeiten. 15 Lkw reichten nach Angaben dieser Initiative aus, um eine Wasserstofftankstelle wirtschaftlich zu betreiben. Passend zu den Lieferrouten der Logistik-unternehmen werde das Tankstellennetz bedarfsgerecht ausgebaut. Dabei können die 350 bar Zapfsäulen für die LKW-Nutzfahrzeuge und die 700 bar Zapfsäulen für den PKW-Verkehr genutzt werden. Der Wasserstoff wird in Containern mit mehreren Hochdrucktanks gespeichert und an die Tankstellen transportiert. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls neu gegründete Firma Hydrospider unter Beteiligung von Alpiq und Linde treibt die Produktion und Vermarktung von grünem Wasserstoff in der Schweiz voran.

Grüner Wasserstoff

Der Schweizer Abenteurer Bertrand Piccard, der mit einem Ballon und einem Solarflugzeug die Erde umkreiste, unterstützt schon seit vielen Jahren den Wandel zu emissionsfreier Energieversorgung. Er nahm die weltweit erste Avia-Wasserstoff-Tankstelle in St. Gallen in Betrieb. „Was die Schweizer Privatwirtschaft da schafft, ist weltweit einzigartig“, sagt der studierte Psychiater. „Einige glaubten, die Wasserstoffindustrie sei eine reine Utopie. Die Schweiz aber beweist, dass sich elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge und Personenwagen mit sauberem Wasserstoff betanken und ohne CO2-Emissionen fahren lassen. Viele Pioniere haben ihr Know-how zusammengelegt und in Taten umgesetzt.“ 

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