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Flüchtling macht Ausbildung am Bau

Als Johannes Trippe in dem Bewerbungsschreiben den Geburtsort Conakry las, war das bei ihm sofort ein Pluspunkt für den Absender. Im August letzten Jahres hat nun der Flüchtling Titi Camara im Schmallenberger Straßen- und Tiefbauunternehmen Franz Trippe seine Ausbildung begonnen. Zuvor hatte der 24 Jahre alte Mann aus Guinea dort schon ein Jahr lang mit Erfolg die Einstiegsqualifizierung absolviert.

Titi Camara und Johannes Trippe.

Die Angabe des Geburtsortes von Titi weckte bei dem als Kaufmann angestellten Johannes Trippe die Erinnerung an einen Auftrag, den sein Unternehmen vor einigen Jahren in der Hauptstadt des westafrikanischen Landes ausgeführt hatte: Es ging damals um die Sanierung des Hafens. Bei dem Projekt zahlten die Sauerländer mit einem Partner-Unternehmen trotz der Unterstützung des Deutschen Auslandsbau-Verbands einiges Lehrgeld, weil es das erste Auslandsengagement war und noch dazu eines unter schwierigen Randbedingungen. Dennoch habe dies nicht zur Konsequenz, dass sie ausländische Aufträge gänzlich ablehnen würden, hatte Trippe schon früher festgestellt.

Eine Chance für Migranten

Und: Die Erfahrung in Conakry hält das Trippe-Team keineswegs davon ab, Menschen aus diesem von Kriegen, inneren Unruhen und Korruption gebeutelten und bitter armen Land „eine Chance zu geben“. Das Unternehmen stellt sich damit in die lange Reihe der Mittelständler, die die nicht immer einfache Aufgabe der Integration von Geflüchteten annehmen.

„Mir hat das Schreiben von Titi gefallen, und wir haben ihn zu Probearbeiten eingeladen“, erzählt Johannes Trippe mit Blick auf Camara weiter. Als er dann noch von den Experten der Handwerkskammer Südwestfalen Tipps zu den rechtlichen Abläufen und Besonderheiten der Beschäftigung eines Geflüchteten bekommen hatte, war „schnell klar, dass wir das machen“. Parallel wurde sogar noch ein junger Iraker in das Team aufgenommen. Er hat inzwischen aber gesundheitliche Probleme bekommen, die ihn zum Stellenwechsel zwangen.

Azubi im Straßen- und Tiefbau

Titi Camara war 2012 mit gerade einmal 18 Jahren Richtung Europa aufgebrochen. Über Libyen kam er in einer Gruppe von Flüchtlingen über Italien schließlich in ein Aufnahmelager in Dortmund. Von da wurde er nach Schmallenberg ins Sauerland geschickt. Zunächst half er als eine Art Aushilfs-Hausmeister in einem Hotel. Dann jedoch wandte er sich an Trippe und wurde zu einem Gespräch zum Kennenlernen eingeladen. Der erste Eindruck von dem jungen Mann und von seiner Bereitschaft anzupacken war positiv, so Johannes Trippe. Und dieser Eindruck habe sich in den zurückliegenden Monaten bestätigt. Camara sei sehr interessiert und verstehe schnell, um was es bei den jeweiligen Baustellen geht. Er sei ebenso bei größeren Straßenbauprojekten eingesetzt worden wie bei kleineren Tiefbauarbeiten wie dem Abfangen eines Hanges unterhalb von zwei Neubauten durch große Winkelstützen im Betonbett, sagt er.

„Die Arbeit gefällt mir gut, auch wenn sie ganz anders abläuft, als ich das in Guinea als Schüler beobachtet habe. Die Kollegen sind nett und erklären mir alles“, freut sich der 24-Jährige. Ihm sei klar, dass die reguläre Ausbildung nun schwerer werden wird für ihn. Sein Deutsch ist noch längst nicht perfekt, und er wird sicher auch in den theoretischen und allgemeinbildenden Fächern Probleme haben. Er besucht jedoch bereits regelmäßig einen Deutschkursus und wird als Ergänzung Nachhilfeunterricht in Anspruch nehmen. Johannes Trippe ist zudem zuversichtlich, dass die anderen fünf Lehrlinge, die in diesem Lehrjahr bei ihm begonnen haben, Titi in der Gruppe mitziehen. „Die große Nachfrage nach Lehrstellen, über die wir uns natürlich selbst gefreut haben, weil wir Fachkräfte dringend brauchen, hat also auch insofern wohl einen Vorteil“, schmunzelt er. Unter den 95 Mitarbeitern seien schon seit langem Nicht-Deutsche aus vielen Ländern. Daher könne man auch im Falle von Camara auf diese Erfahrungen zurückgreifen.

Die Aussicht auf die Ausbildung hat dem jungen Guineer den Status der Duldung in Deutschland eingebracht. Im Moment gehe er davon aus, dass er hier bleiben wolle, wenn er weiterhin Arbeit haben werde. In seiner Heimat habe er nur entfernte Verwandte. Zudem sei die politische und wirtschaftliche Situation nicht so, dass es reizvoll wäre, nach Westafrika zurückzugehen.

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