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Gütesicherung Kanalbau 18. November 2019

Gefahrenpotenziale auf Baustellen vermeiden

Die Außendienstler der Gütegemeinschaft Kanalbau stoßen bei Baustellenbesuchen immer wieder auf Mängel. Sie werden hier aufgezeigt und die fachgerechte Ausführung dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

Gefahrenpotenziale erkennen

Die Einhaltung der einschlägigen technischen Regelwerke wird im Rahmen der Baustellenbesuche geprüft. Bei der Herstellung von Leitungsgräben ist für den tiefbautechnischen Teil DIN 4124 die sicherheitstechnisch wichtigste Richtlinie – sie gilt für geböschte und für verbaute Baugruben und Gräben, die von Hand oder maschinell ausgehoben werden. Abweichende Vorgehensweisen oder Versäumnisse können nicht nur den einwandfreien Betrieb des Bauwerks und damit den Erfolg der Baumaßnahme beeinflussen, sondern unter Umständen auch ein erhebliches Gefahrenpotenzial bergen. Nicht fachgerecht gesicherte Baugruben können einstürzen und in der Baugrube Beschäftigte erheblich gefährden. Auch können Personen bei Arbeiten nahe am Baugrubenrand mit Gestein und Erdreich abrutschen und in die Baugrube stürzen. Hinzu kommen statische Aspekte: Ein nicht fachgerecht eingestellter Verbau hat Einfluss auf das Gleichgewicht des umliegenden Erdreiches und kann z.B. zu Setzungen führen, welche die angrenzende Bebauung erheblich schädigen kann. Dementsprechend muss die Verkleidung von freigelegenen Erdwänden von der Geländeoberfläche bis zur Baugruben- bzw. Grabensohle reichen und auf ihrer ganzen Fläche kraftschlüssig am Boden anliegen (Abbildungen 1 und Abb. 2).

Mit dem Gesetz im Konflikt

Andere Mängel erfüllen durchaus einen Straftatbestand. So z.B. eine fehlende Abwasserhaltung, die eine fachgerechte Rohrverlegung verhindert und darüber hinaus zu Boden- und Wasserverschmutzungen führen kann (Abbildung 3). In § 324 Strafgesetzbuch (StGB) „Gewässerverunreinigung“ heißt es hierzu:

  1. (1) Wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder sonst dessen Eigenschaften nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  2. (2) Der Versuch ist strafbar.
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(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Vor diesem Hintergrund sind alle Baubeteiligten gut beraten, sich an den entsprechenden Vorschriften und Regelwerken zu orientieren. Auch eine unsachgemäße Sicherung im Bereich der Stirnwand einer Baugrube kann gefährlich werden. DIN 4124 definiert, unter welchen Randbedingungen auf den Stirnwandverbau des Rohrgrabens verzichtet werden kann: Die Stirnwände von Gräben in mindestens steifem bindigem Boden dürfen bis zu einer Tiefe von 1,75 m und einer Breite von 1,25 m senkrecht abgeschachtet werden. In allen anderen Fällen, auch in Bauzuständen vor Erreichen der geplanten Grabensohle, sind die Stirnwände wie die Längswände durch Böschung oder Verbau zu sichern, sofern diese Bereiche betreten werden.

Geänderte Regelwerke beachten

Mängel sind auch vor dem Hintergrund von geänderten technischen Regelwerken zu bewerten. So hat die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) im März 2019 eine neue Fassung des Arbeitsblatts DWA-A 139 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“ veröffentlicht. Während die seit Dezember 2015 gültige DIN EN 1610 „Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen“ den europäischen Standard für den Einbau und die Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen außerhalb von Gebäuden beschreibt, ist es möglich, aus nationaler Sicht erforderliche Inhalte in ergänzenden Regeln zu formulieren. Dementsprechend werden in der Neufassung des Arbeitsblatts DWA-A 139 die aus der Sicht der beteiligten Fachkreise für notwendig erachteten ergänzenden Hinweise und weitergehenden Ausführungen zur DIN EN 1610 beschrieben. Insofern ist das Arbeitsblatt DWA-A 139 als nationale Ergänzung zu DIN EN 1610 zu verstehen. Gemeinsam mit DIN EN 1610 angewendet, bietet dieses Arbeitsblatt Regelungen, um eine qualitativ hochwertige Bauausführung für Entwässerungsleitungen und -kanäle zu erzielen. Die fachgerechte Herstellung ist neben der Verwendung geeigneter und beständiger Bau- und Werkstoffe die Voraussetzung für ein langfristig funktionierendes, wirtschaftliches und Grundwasser schützendes Kanalnetz.

Abweichungen von der Verbauachse

So werden beispielsweise oft Abweichungen der Rohrtrasse von der Verbauachse im Graben festgestellt. Folge hiervon kann eine ungenügende Verdichtung von Bettung und Seitenverfüllung aufgrund des dann fehlenden Arbeitsraums sein. Zur Orientierung wird dazu in den Regelwerken der seitliche Arbeitsraum neben dem Rohr in Abhängigkeit der Nennweite angegeben. Zur Realisierung der Vorgaben aus der Rohrstatik und den zusätzlichen Vertragsbedingungen muss dieser Arbeitsraum zwingend eingehalten werden. Abweichungen von diesen Vorgaben führen zwangsläufig zu einer ungenügenden Bettung des Rohres und damit zu einer ungewünschten Lastkonzentration im Rohr aufgrund der verringerten seitlichen Stützwirkung. Die Folgen können Deformationen, Risse oder Brüche sein.

Wenn beispielsweise wegen zu geringem Arbeitsraum (Abbildung 4) eine Verdichtung in der Bettung von lediglich 88% DPr (anstelle der geforderten 95% DPr) erreicht wird, kann die Belastung des Rohres um den Faktor 3 steigen. Dies kann auf die Dauerhaftigkeit des Rohres gravierenden Einfluss haben, da die rechnerischen Sicherheiten unterschritten werden können.

Daher legt die DIN EN 1610 in Abschnitt 6.1.2 „Arbeitsraum und Bodenverdichtung“ fest: Die Herstellung des statisch erforderlichen Auflagerwinkels und die Zwickelverdichtung mit geeignetem Gerät erfordern, dass die Arbeitsraumbreite in der Planung festgelegt wird. Der Arbeitsraum nach Abschnitt 6.3 ist auf Grundlage der notwendigen Arbeiten und entsprechend den nationalen Sicherheitsregeln vom Planer festzulegen. Die Bettung sowie Abdeckung und Hauptverfüllung müssen mit der statischen Berechnung übereinstimmen (z.B. Dicke und Verdichtungsgrad in jeder Schicht). Die Leitungszone und die Hauptverfüllung sollten gegen die Grabenwände verdichtet werden.

Erweiternd formuliert die neue DWA-A 139 in Abschnitt 7.2 „Ausführung der Bettung“: Die Bettung muss eine gleichmäßige Druckverteilung unter dem Rohr im Auflagerbereich sicherstellen. Dadurch werden Risse, Verformungen, Punktlagerungen und Undichtheiten vermieden.

Nicht fachgerechte Rohrbettung

Darüber hinaus wird bei einigen Baustellenbesuchen festgestellt, dass zur Herstellung der Rohrbettung ungeeignete Materialen verwendet werden. Das stellt eine Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik dar, in denen die Anforderungen an die Tragfähigkeit der Grabensohle und die fachgerechte Herstellung der Bettung beschrieben werden. In DWA-A 139 in Abschnitt 7.2.1 „Bettung Typ 1 (Regelausführung)“ wird festgelegt: Für die untere und obere Bettungsschicht muss das gleiche Material verwendet werden. Dies gilt auch für die Verfüllmaterialien in Längsrichtung. Aufgrund unterschiedlicher Materialien in der Bettung (Abbildung 5) und einer beispielsweisen steiferen unteren Bettungsschicht kommt es zur Ausbildung einer Linienlagerung und damit zu einer Lasterhöhung für das Rohr.

Materialabweichungen beim Klinker

Seltener kommt es vor, dass die Prüfingenieure Materialabweichung bei der Herstellung von gemauerten Schachtunterteilen oder Schachtbauwerken in Form der Verwendung nicht zugelassener Kanalklinker feststellen (Abbildung 6). Dies liegt hauptsächlich daran, dass die meisten Bauwerke heutzutage aus werksseitig produzierten Bauteilen hergestellt werden. Werden jedoch Schachtunterteile oder -bauwerke vor Ort gefertigt, so kann beispielsweise bei der Verwendung von gelochten Klinkern die Lastaufnahmefähigkeit des Bauwerks negativ beeinflusst werden. Aus diesem Grund wird in der DIN 4034 Teil 10: 2012-10 festgelegt: Das Mauerwerk ist aus ungelochten Kanalklinkern nach DIN 4051 und Mauermörtel M 10 nach DIN EN 998-2:2010-12, Tabelle 1 herzustellen.

Güteausschuss handelt

Findet der Prüfingenieur bei seinen Baustellenbesuchen Situationen wie diese vor, ist die Vorgehensweise wie folgt: Gravierendere Mängel werden im Prüfbericht dem Güteausschuss der Gütegemeinschaft zur Beratung vorgelegt. Dieser empfiehlt dann dem Vorstand der Gütegemeinschaft ggf. entsprechende Ahndungsmaßnahmen.

Bei festgestellten und dokumentierten Mängeln sieht die Satzung ein abgestuftes System von Ahndungen vor: „zusätzliche Auflagen“, „Verkürzung des Besuchsintervalls“, „Verwarnung“ oder ein „befristeter oder dauerhafter Entzug des Gütezeichens“. 2018 wurden auf Basis der Auswertungen von Baustellen- und Firmenbesuchen in 590 Fällen zusätzliche Auflagen im Rahmen der Eigenüberwachung beschlossen (Art 1) und in 58 Fällen die Besuchsintervalle verkürzt (Art 2). Zudem wurden 167 Verwarnungen (Art 3) ausgesprochen, und in 15 Fällen wurde das Gütezeichen entzogen (Art 4).

Kleinere festgestellte Mängel werden natürlich auch erfasst, können aber meist schnell und ohne Folgen beseitigt werden und führen dann nicht zwangsläufig zu Ahndungsmaßnahmen. So z.B. beim Vorhandensein von Aussparungen im Verbausystem, etwa im Bereich von querenden Versorgungsleitungen (Abbildung 3). Diese sind grundsätzlich nicht zulässig – die Verkleidung muss vollflächig sein, so dass durch Fugen und Stöße kein Boden durchtreten kann. Hinter dem Verbau entstandene Hohlräume sind sofort kraftschlüssig zu verfüllen. In solchen Fällen fordern die Prüfingenieure in der Regel die Beseitigung der Beanstandungen und besuchen die Baustelle im Bedarfsfall kurzfristig noch einmal. Das hat sich in der Praxis bewährt. Auch wenn alles in Ordnung ist, wird das Ergebnis im Prüfbericht festgehalten, ebenso wenn Abweichungen festgestellt werden.

Voraussetzung für fachgerechte Ausführung

Auf diese Weise trägt die Arbeit des Güteausschusses in Zusammenarbeit mit den beauftragten Prüfingenieuren dazu bei, dass Erfahrung und Zuverlässigkeit der Unternehmen konkret dokumentiert und bewertbar gemacht werden. Auftraggeber können auf dieser Basis konsequent und wirtschaftlich die Prüfung der Bietereignung durchführen. Über die Auswahl einer fachlich geeigneten Firma werden die Voraussetzungen für eine fachgerechte Ausführung der Maßnahme geschaffen, denn die Beauftragung qualifizierter Unternehmen kombiniert mit einer fachgerechten Planung und Bauüberwachung machen den Erfolg einer Maßnahme planbar. Ziel der Baustellenbesuche ist, dass durch Anforderungen an die Qualifikation der Beteiligten, durch Eigenüberwachung und natürlich auch durch gemeinsame Auswertung etwaiger Fehler die Ausführungsqualität kontinuierlich verbessert wird.

Soweit ausführende Unternehmen ein Gütezeichen Kanalbau führen, können sich Auftraggeber oder Planer bei Fragen im Rahmen der Bauüberwachung auch an den Prüfingenieur in ihrer Region wenden. Auch dieses Angebot der RAL-Gütesicherung wird wahrgenommen und trägt zu einem vertrauensvollen Verhältnis der beteiligten Baupartner bei, die letztlich ein gemeinsames Ziel verfolgen. Überall da, wo Auftraggeber auf die Qualifikation der beauftragten Dienstleister im Rahmen eines fairen Wettbewerbs achten, kommt dies der Allgemeinheit zugute, denn qualitativ hochwertig ausgeführte Tiefbaumaßnahmen sind wirtschaftlich und schonen Umwelt und Gebührenzahler.

Hintergrund

Ein wichtiger Bestandteil der RAL-Gütesicherung Kanalbau ist die Überprüfung der Gütezeicheninhaber durch die beauftragten Prüfingenieure. Die rund 30 Ingenieure verfügen über langjährige Baustellenerfahrung und führen auf dieser Grundlage derzeit etwa 3.700 unangemeldete Baustellenbesuche pro Jahr bei ausführenden Unternehmen mit Gütezeichen durch. Bei Maßnahmen der offenen Bauweise schaut sich der Prüfingenieur an, ob die Bauausführung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und auch, ob die Einbaubedingungen des Rohres mit den Vorgaben aus der Statik vereinbar sind. Daneben werden die personelle und maschinentechnische Ausstattung und die Eigenüberwachungsunterlagen geprüft. Mängel werden vor Ort durchaus immer wieder festgestellt: Bei Maßnahmen der offenen Bauweise gehören unverbaute Grabenwände bei nichtbindigen Böden, fehlende Abwasserhaltungen, ungesicherte Gräben im Bereich querender Leitungen oder eine unsachgemäße und damit gefährliche Sicherung der Baugrube im Bereich der Stirnwand dazu. Andere typische Abweichungen im Rohrgraben betreffen die Abweichungen der Rohrtrasse von der Verbauachse im Graben, Abweichungen bei der Herstellung der Rohrbettung in Form von falscher Materialwahl sowie Materialabweichungen bei der Herstellung von gemauerten Schachtunterteilen oder Bauwerken bei Verwendung nicht zugelassener Kanalklinker.

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