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Archiv 13. April 2015

Geogitter im Unterbau von Straßen und Wegen

Asphalt-, Beton- und Pflasterdecken nehmen im Straßen- und Wegebau und bei Lagerflächen den Großteil der Spannungen auf, die sich aus den Verkehrslasten ergeben. Die finanziellen Mittel, die in die Verkehrsfläche investiert werden, sind daher in diesem Bereich gut aufgehoben. Hohe Festigkeiten der Werkstoffe fordern jedoch auch ihren Preis. Die Bestrebung, im Bereich der Deckschichten Kosten zu reduzieren und „dünner“ zu bauen, sind verständlich, aber vor dem Hintergrund der Langlebigkeit zu hinterfragen. In einigen Regionen und bei privaten oder kommunalen Anwendungen sind aber neue Verfahren gefragt, um die Kosten bei gleichbleibender Langlebigkeit zu reduzieren.

Abbildung 4: Entwicklungen von Spurrillen vor (links, 0 cm) und whrend der Befahrung (rechts, 5 cm), Serie Montana II
Abbildung 4: Entwicklungen von Spurrillen vor (links, 0 cm) und whrend der Befahrung (rechts, 5 cm), Serie Montana II
Abbildung 1: Querschnitt der Teststrecke Tostedt mit Teilen der Messeinrichtungen der Serie II.Foto: Grafik: Autoren

Die Relevanz einer guten Bettung der Deckschichten durch die Tragschichten ist allgemein bekannt. Schon der Name „Tragschicht“ deutet auf die wesentliche Funktion der Schotterschichten unterhalb der Deckschichten hin. Neben einer guten Tragfähigkeit sollten die Schichten unterhalb der Deckschichten auch eine gute Wasserableitkapazität aufweisen, um Frostschäden zu vermeiden. Die Forderung einer guten Wasser­ableitkapazität ergibt sich allerdings auch aus den Erkenntnissen, die beim Bau von hochfesten Betondecken über hydraulisch gebundenen Tragschichten gewonnen wurden. Selbst bei sehr guter Pflege und regelmäßigem Nacharbeiten der Abdichtung von Fugen kann das Eindringen von Stauwasser in die Trennfläche Decke/Tragschicht nicht sicher verhindert werden. Selbst geringste Stauwassermengen reichen jedoch aus, um unter dem überrollenden Rad so stark zu beschleunigen, dass Porenwasserdrücke den Zementstein der Betondecke „sprengen“ und Kornanteile der Tragschichten über die Fugen auswaschen. Hohllagen der Deckschichten, Spannungs- und Ermüdungsrisse oder Kippeln von Pflastersteinen sind die Folge. Ähnliche Mechanismen lassen sich bei lokalen Schäden der Deckschichten und in Übergangszonen aus verschiedenen Bauabschnitten beobachten. Einer Kernforderung der Geotechnik, „das Wasser muss weg“, kann also nur durch eine gute Wasserdurchlässigkeit der Tragschicht und entsprechende Entwässerungsplanung und -pflege begegnet werden. Schottertragschichten sind und bleiben daher ein Kernbaustein jedes dauerhaften Verkehrsweges. Bei Betondecken über hydraulisch gebundenen Tragschichten wird dem Problem durch die Anordnung eines Betondeckenvliesstoffes begegnet.

Geogitter haben sich langjährig bewährt

Abbildung 2: Homogenisierung des bindigen Untergrunds, Testfeld Montana I.Foto: Foto: Autoren

Werden Deckschichten dünner gebaut als geplant oder entfallen in manchen Fällen ganz, muss die Schottertragschicht deutlich höhere Spannungen oder die gesamten Radlasten aufnehmen. Besonders auf gering tragfähigen Untergründen ist dieses eine Herausforderung, da sich die Schottertragschicht unter der Radlast durchbiegt, Schotter aber bekanntlich praktisch keine Zugspannungen aufnehmen kann. Die Schotterschicht kann und sollte daher bewehrt und das Korngerüst stabilisiert werden. Hierzu haben sich Geogitter langjährig bewährt, da die offene Produktstruktur die Korn-zu-Korn-Struktur des Schotters nicht stört und sich mit dem Schotter verzahnt. Durch die hohe Dehnsteifigkeit der Bewehrungsprodukte können dann auch bei sehr kleinen Verformungen Kräfte aufgenommen werden. Das Korngerüst kann so unter der Einwirkung von Spannungsdifferenzen stabilisiert werden (5).

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Scherfugen, die sich im Boden unter Last bilden, treffen auf die Bewehrungslagen mit entsprechender Zugfestigkeit und werden an dieser Stelle unterbrochen. Sie sind dann automatisch nicht mehr die Fugen geringster Scherfestigkeit. Neue Scherfugen, die sich nahe der ersten Schwächezonen bilden, werden wiederum unterbrochen und umgelenkt. Auf diese Weise wird ein sehr viel größerer Bereich der Tragschicht an der Lastabtragung beteiligt (4).

Eine weitere Komponente ist die Trennfunktion an der Unterseite der Trag- oder Forstschutzschichten, die eine Vermischung des qualitativ hochwertigen Schüttmaterials mit dem Untergrund verhindert.

Abbildung 3: Anlage einer Freifeld-Teststrecke am Beispiel Todtglsingen.Foto: Grafik: Autoren

Bewehrungsprodukte weisen eine ausgesprochen große Bandbreite an Marktformen auf. Die Bandbreite z.B. der Kurzzeitzugfestigkeit reicht von rund 10 kN/m bis zu 85 kN/m, die Produktformen von biaxialen, hexagonalen oder mehrlagigen extrudierten Geogittern, Geogittern aus monolithischen Stäben mit mittig schubfest eingeschweißtem Trenn- und Filtervliesstoff bis hin zu vollflächigen Geweben. Als Rohstoffe kommen vorwiegend Polypropylen (PP) und Polyethylenterephtalat (PET) zur Anwendung, wobei letzteres eine geringe Kriechneigung aufweist. Alle haben ihre Berechtigung, einige sind im Straßenbau besonders gut geeignet.

Um die unterschiedliche Wirkungsweise von Bewehrungsprodukten zu prüfen, die regelmäßig im Straßenbau eingesetzt werden, wurden in den letzten Jahren international große Anstrengungen unternommen, praxisgerechte Vergleichsversuche durchzuführen. Ziel ist die Quantifizierung der Verlängerung der Gebrauchstauglichkeit, die sich aus dem Einsatz von Geokunststoffen ergibt, aber auch die Ermittlung von Grenzen der Anwendung und der Konstruktion.

Versuchsstrecken in den USA und in Deutschland

In den USA wurden dazu unter Beteiligung der regionalen Straßenbaubehörden zwei Versuchsstrecken angelegt und von der Universität Montana ausgeführt, betreut und wissenschaftlich ausgewertet. Die Versuche sollten dabei reale Bedingungen abbilden, d.h. für alle Teilflächen sollten zum einen gleiche Untergrundverhältnisse gegeben sein. Die Befahrung sollte mit einem voll beladenen Lkw erfolgen, und die Versuchsstrecke sollte der Bewitterung ausgesetzt sein. Die Versuchsstrecke wurde mit einer Länge von jeweils 260 m und einer Breite von 5 m angelegt und in 17 jeweils rund 15 m lange Abschnitte unterteilt. Um gleichmäßige Untergrundbedingungen zu schaffen, wurde ein weicher Untergrund künstlich eingebaut. Auf diesem wurden verschiedene Bewehrungsprodukte platziert, bevor das Tragschichtmaterial aufgebracht wurde.

Analog zu den Untersuchungen in den USA wurden in Deutschland, zwischen Bremen und Hamburg, in einem Sandtagebau die Testfelder Tostedt I und II ausgeführt (3, 6). Auch hier wurde der weiche Untergrund durch den Einbau von Geschiebelehm, der sonst als Dichtungsmaterial im Deponiebau eingesetzt wird, künstlich hergestellt. Der Aufbau der Tragschichten erfolgte wiederum nach Verlegen der Geokunststoffe direkt auf dem weichen Untergrund.

In allen Testfeldern wurde die Tragschicht bewusst dünn ausgeführt, um bei einer annehmbaren Anzahl von Überfahrten mit einem Straßen-Lkw erkennbare Unterschiede im Gebrauchstauglichkeitsverhalten herausarbeiten zu können. In einigen Abschnitten wurde die Tragschicht allerdings mit Schichtdicken ausgeführt, die zu hohen Tragfähigkeiten bzw. Ev2-Werten führen. Sie erfüllen damit teilweise die Anforderungen an die Frostsicherheit und Tragfähigkeiten der RStO und damit des klassifizierten Straßenbaus.

Alle Teststrecken wurden aufwändig ins­trumentiert, um u.a. die Verformungen der Oberfläche und des Untergrunds, den Durchhang der Geokunststoffe, Veränderungen des Wassergehalts und möglicher Porenwasserüberdrücke über die Dauer der Versuche, die Dehnungen und daraus resultierenden elastischen und plastischen Verformungsanteile der Geokunststoffe etc. möglichst umfassend und sorgfältig zu erfassen zu können (1 bis 3).

Parallelen und Unterschiede bei den Versuchen

Abbildung 5: Testfeld Todglsingen II: 3D-Photoscan des Kontrollfeldes nach N8to = 2.040 berfahrtenFoto: Grafik: Autoren

Die Testfelder besitzen aufgrund der geotechnisch ausgerichteten Versuchskonstellation ohne Deckschichten, der klimatischen Bedingungen und Bodeneigenschaften eine Aussagekraft sowohl für US-amerikanische als auch für deutsche Verhältnisse. Neben bestimmten Merkmalen in der Konstruktion, Instrumentierung und der Durchführung, die sich aus teilweise abweichenden Kernfragen der Auftraggeber ergeben, weisen die Teststrecken jedoch einen entscheidenden Unterschied auf: Bei der Teststrecke Montana I wurde ein Untergrundmaterial gewählt, dass gegenüber dem Tragschichtmaterial weitgehend filterstabil war, d.h. es ist über die Dauer der Befahrung keine Vermischung und damit auch kein Abfall der Scherfestigkeit des Tragschichtmaterials zu erwarten und auch nicht zu beobachten. Unterschiede, die sich aus einer Trenn- und Filterkomponente ergeben, werden so nicht vollständig deutlich.

In der Serie Montana II wurde die Kornzusammensetzung geändert, so dass keine Filterstabilität gegeben war. Jedoch wiesen nicht alle eingesetzten Produkte eine Trenn- und Filterlage auf, und letztere wurde auch nicht als Zusatzlage ergänzt, wie in der Praxis sinnvoll und meist üblich. Damit sind bei der Bewertung der Produkte der Anteil der Trenn- und Filterfunktion gegenüber der Bewehrungsfunktion nicht trennbar.

In den Teststrecken Tostedt I und II wurde daher bei allen Bewehrungslagen eine Trenn- und Filterlage ergänzt. Soweit sie nicht Bestandteil des Verbundproduktes war, wurde die gleiche Komponente gewählt wie im Kontrollfeld. Anders als bei Montana I und II wurde dieses ebenfalls mit einer Trenn- und Filterlage ausgerüstet. Damit ist in diesen Serien die Bewertung der Bewehrungskomponente eindeutig möglich.

Abbildung 6: Entwicklung von Spurrinnen in Abhngigkeit der berfahrten, Montana II.Foto: Grafik: Autoren

Die Auswertung der Versuchsserien erstreckt sich teilweise über Jahre und wird in jeweils detaillierten Untersuchungsberichten festgehalten (1 bis 3). Allen Teststrecken ist jedoch gemein, dass sie deutlich Tendenzen aufzeigen und im Wesentlichen langjährige Erfahrungen bestätigen:

• Ein wesentliches Kriterium beim Anlegen von Verkehrswegen auf gering tragfähigen Böden ist die Sicherstellung der Trenn- und Filterfunktion. Trotz Anordnung von Bewehrungsprodukten kam es ohne Trenn- und Filterkomponente in der Serie Montana II durchgängig zu einer Erhöhung des Feinkornanteils von im Mittel 5%. Nur bei den Produkten mit Trenn- und Filterfunktion trat dieser Effekt nicht auf. Bei längerer Funktionsdauer der Strecken ist eine weitere Zunahme des Feinkornanteils zu erwarten, so dass die Scherfestigkeit des Tragschichtmaterials beeinträchtigt wird. Die Anordnung eines qualitativ hochwertigen Trenn- und Filtervliesstoffes wird daher dringend empfohlen, wie in der Serie Todtglüsingen II umgesetzt.

• Eine mangelnde Zugfestigkeit von weniger als rund 20 kN/m einzelner Produkte führte teilweise zu einem verfrühten Ausfall der Teststrecken, so dass sie die vorgesehene Befahrungsdauer nicht überstanden haben und die Grenzkriterien frühzeitig erreicht wurden. Eine für diese Anwendungsfälle mangelnde Zugfestigkeit kann offensichtlich auch nicht durch eine homogenere Verteilung der Festigkeit in radialer Richtung (hexagonale Geogitter geringer Zugfestigkeit) ersetzt werden. Von den Autoren wird bei geringer Tragfähigkeit des Untergrundes eine Mindestzugfestigkeit von 30 kN/m empfohlen.

• Die Wirksamkeit aller Produkte ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel mit dem Tragschichtmaterial. Voraussetzung ist dafür eine gute Interaktion und Verbundwirkung, aber auch ausreichend hohe Dehnsteifigkeit und Bruchfestigkeit. Der Einfluss des Rohstoffes scheint bei diesen auf maximal ein halbes Jahr begrenzten Beanspruchungen gering. Bei längeren Beanspruchungsdauern mit dauerhaft plastischen Verformungen ist die Verwendung von kriecharmen Rohstoffen wie PET sinnvoll (7).

• Während in der Serie Montana II das Gewebe mit fast doppelt so hoher Zugfestigkeit aufgrund der gegenüber den anderen Produkten vorhandenen Trennfunktion sehr gute Ergebnisse ermöglichte, hat es in der Serie Todtglüsingen II keine signifikante Verbesserung gegenüber dem Kontrollfeld gezeigt. Die Trenn- und Filterfunktion dominiert hier die Wirkung von Geweben.

• Um die Wirksamkeit des Verbundsystems sicher zu stellen, ist eine robuste Druckzone aus Tragschichtmaterial erforderlich. Die Mindestschichtmächtigkeit, die bei gering tragfähigem Untergrund auf einer Bewehrungslage aufgebracht werden sollte und durch die Produkte stabilisiert wird, liegt bei rund 0,3 m, abhängig von den Untergrundkennwerten, und kann bei sehr geringen Tragfähigkeiten und starker Beanspruchung deutlich zunehmen.

• Durchgängig gute Ergebnisse in allen Testfeldern konnten Verbundstoffe mit biaxialen Zugfestigkeiten zwischen 30 und 40 kN/m erbringen, die eine steife Produktstruktur und ausreichende Schubfestigkeit der Verbindungsstellen aufweisen (extrudierte biaxiale Geogitter und gelegte, an den Verbindungspunkten verschweißte Geogitter).

• Die Gebrauchstauglichkeit bis zum Erreichen einer vorgegebenen Verformung verbesserte sich z.B. in den Testfeldern Tostedt II mit vorgenannter Produktgruppe um den Faktor 3 bis 5 gegenüber dem nur mit Trenn- und Filtervlies der Geotextilrobustheitsklasse 3 (GRK) ausgerüsteten Kontrollfeld. Unter Hinzuziehung des Einflusses einer Trenn- und Filterlage sind bei differenzierter Auswertung Verbesserungsfaktoren bis zu einer Zehnerpotenz zu erwarten.

Abbildung 7: Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit bis zu einer Spurrinnentiefe von 50 mm, Todtglsingen II.Foto: Grafik: Autoren

Im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit von Straßen mit dünnlagigen Deckschichten und bei Wirtschaftswegen bzw. zukünftig möglicherweise zunehmend unbefestigten Wegen sind hier erhebliche Einsparpotenziale denkbar. Die Untersuchungen bilden in Fortführung bestehender Forschungsarbeiten die Grundlage, die Ergebnisse zukünftig in die regionalen Bemessungsverfahren einzubinden.

Geogitter erlauben eine signifikante Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit

Werden Deckschichten im kommunalen Wegebau dünnschichtig ausgeführt oder entfallen bei Wirtschaftswegen ganz, werden die Tragschichten massiv beansprucht. Geogitter erlauben eine signifikante Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit. Zur Einschätzung der Verbesserungsfaktoren wurden in den letzten Jahren international umfangreiche Freifeld-Befahrungsversuche durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen Grenzen der Anwendung, aber vor allem Optionen auf.

Die Autoren

Dipl.-Ing. Lars Vollmert, BBG Bauberatung Geokunststoffe GmbH amp; Co. KG, Espelkamp

Dipl.-Ing. Jörg Klompmaker, BBG Bauberatung Geokunststoffe GmbH amp; Co. KG, Espelkamp

Dr.-Ing. Ansgar Emersleben, Technische Universität Clausthal, Institut für Geotechnik und Markscheidewesen, Clausthal

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