2.000 Jahre Schalungsgeschichte
Die Geschichte der Schalungstechnik ist eng verbunden mit der Geschichte des Baustoffs Beton. Der Baustoff hat bis heute Spuren hinterlassen, über erste Schalungen weiß man leider wenig.
Schalungen kommen in geschichtlichen Abhandlungen zu kurz, auch weil sie per se eine flüchtige Erscheinung sind. Holen wir sie für diesen Beitrag etwas aus ihrem Schattendasein und werfen ein Licht auf die Entwicklung der Schalungstechnik vom Römischen Reich bis heute.
Hypothesen
Gerüste und Stützen zur Herstellung von Gewölbedecken und Wänden aus Beton werden entfernt, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Es liegt an der kurzen Lebensdauer von Schalungen und ihrer Existenz als Hilfskonstruktion, dass sie in geschichtlichen Abhandlungen kaum erwähnt werden. Waren sie aus Stein oder Holz? Niemand weiß genau, wie die Stützen bzw. Gerüste ausgesehen haben, die zum Bau des Pantheons in Rom verwendet wurden. Daher sind folgende Betrachtungen über Bauweisen, die bis 2.000 Jahre vor unserer Zeit zurückreichen, eher Hypothesen statt unumstößliche Wahrheit.
Obwohl die Gerüste, die damals schon Mauersteinen ihre Form gaben, nicht erhalten geblieben sind, gehen Forscher davon aus, dass so genannte Lehrgerüste aus Holz als Stützkonstruktion eingesetzt wurden. Diese Lehrgerüste wurden bis Anfang des 20. Jahrhundert für den Bau von Bogenbrücken eingesetzt. In der Antike wurden sie errichtet, um Gewölbedecken und Brücken zu bauen. Dabei wurden die Bausteine direkt auf das Lehrgerüst gemauert und nach Fertigstellung – also wenn der Bogen fest genug war – abgesenkt und entfernt. Durch seine Form trug sich das Gewölbe dann selbst.
opus caementitium
Für die Bauten aus dem römischen opus caementitium, das durch seine flüssige Form einfacher zu verarbeiten war, wurde wahrscheinlich zuerst eine Art Schalung aus Mauersteinen oder Kalksteinen errichtet, später dann – den neuzeitlichen Schalungen ähnelnd – Holzbalken und Bretter verwendet. Nach dem Härtungsprozess konnten diese entfernt und wiederverwendet werden. Damals wie heute obliegt es der Schalung, dem fließfähigen Beton seine Form zu geben. Der Beton selbst war eine Mischung aus Mörtel (Kalk, Wasser, Sand), dem Ziegelmehl oder Vulkanasche beigemengt wurde. Berühmtes historisches Beispiel für die Verwendung des Baustoffs Beton ist das Pantheon in Rom, das zwischen 120 und 125 nach Christus errichtet wurde. Die Kuppel hat eine Spannweite von 43 m – ein erstaunlicher Durchmesser, der erst wieder Anfang des 20. Jahrhundert erreicht wurde.
In der Zeit des Römischen Reiches entstanden Tempel, Thermen, Aquädukte, Brücken, Tunnel und Hafenanlagen aus Beton, deren Überreste immer noch Bestand haben. Wobei der Name Beton erst viel später entstand. Die erste schriftliche Erwähnung des Wortes „Béton“ stammt aus einem französischen Schriftstück von 1753.
Armierte Blumenkübel als Startschuss für Stahlbeton
Im 18. und 19. Jahrhundert experimentierten Handwerker und Forscher mit verschiedenen Mischungen aus Ton und Kalk. 1844 erfand der Engländer Isaac Charles Johnson den so genannten Portland-Zement, der ab 1850 auch in Deutschland hergestellt wurde. Indirekt verlieh die Ausbreitung der Eisenbahn dem Betonbau einen Schub, da nun vermehrt Brücken und Tunnel benötigt wurden. Von 1830 an wuchs das Schienennetz von damals 332 km bis auf 106.886 km im Jahr 1860. In Deutschland begann die Geburtsstunde der Eisenbahn mit der Jungfernfahrt der Ludwigs-Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth am 7. Dezember 1835.
Das Patent von Joseph Monier von 1867 gilt als weiterer wichtiger Meilenstein der Geschichte des Baustoffs Beton. Der französische Gärtner entwickelte Blumenkübel aus armiertem Beton: Das war der Beginn für die Bauweise mit Stahlbeton. Das 16-stöckige Ingalls Building in Cincinnati, das 1904 fertiggestellt wurde, gilt als das erste Hochhaus aus Stahlbeton, bei dem verdrillte Bewehrungsstäbe zum Einsatz kamen. Wie die Schalung für dieses Hochhaus wohl aussah?
Sicher ist, dass es zu Anfang die Zimmermänner waren, deren Können gefragt war. Denn zunächst wurden Holzbretter verwendet, um dem flüssigen Beton seine Form zu geben. Einer dieser Handwerker, der den Grundstein für den Weltkonzern Doka legte, war Stefan Hopferwieser. 1868 gründete er seine Zimmerei in Amstetten, Österreich.
Von der Zimmerei zum Weltkonzern
Amstetten, seinerzeit ein 6.000-Seelenort, sollte schnell zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt werden. Unter der Ägide von Josef Umdasch, der 1938 die Enkelin des Firmengründers geheiratet hatte, wurden die Geschäftsfelder der Zimmerei weiterentwickelt. Der holzverarbeitende Betrieb stellte sich breiter auf und es entstand die Umdasch Group – mit künftig zwei Standbeinen: Ladenbau und Schalung.
Die Spezialisierung auf Schalungstechnik wurde durch ein Bauwerk befeuert. Unweit von Amstetten entstand 1954 das Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug. Dafür wurden großformatige Holzplatten benötigt. Hopferwieser gewann den Auftrag für die Lieferung; an diesen Meilenstein der Firmengeschichte erinnert heute noch der Name Doka – eine Ableitung von den österreichischen Donaukraftwerken (kurz DOKW). Nach der Gründung der Doka Schalungs- und Gerüstungstechnik GmbH 1958 erhielt sie den Auftrag für neun weitere Kraftwerke.
Heute kann das Unternehmen auf eine Reihe spektakulärer Bauvorhaben blicken, die mit Know-how und Technik der Doka entstanden. Als Beispiel mögen drei herausragende – im wahrsten Sinne des Wortes – Bauten stehen: Der Burj Khalifa in Dubai, das mit 163 Stockwerken höchste Gebäude der Welt, der Central Park Tower, Manhattan, mit 472 m Höhe, sowie die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main. Schalungen von Doka haben ihren Weg aber auch in den Untergrund gefunden, z.B. für den Bau des Gotthard-Basis-Tunnels oder die U-Bahn in Sidney. Doch gehen wir nochmal einen Schritt zurück zu den Anfängen im vorigen Jahrhundert und wie sich das Schalungshandwerk zur Schalungstechnik weiterentwickelte.
Vom Handwerk zur Industrialisierung
Bretter, Kanthölzer, Schaltafeln, Mauerstärke, Stahlsprieße, Spannschloss, Spanndraht: Wer in den 1960er Jahren Maurerlehrling war, musste handwerkliches Können mit Holz unter Beweis stellen. Karl-Eugen Kurrer ist einer der führenden Experten der Bautechnikgeschichte. Die Karriere des Bauingenieurs, der u.a. an der Hochschule Coburg lehrt und die Zeitschrift „Steel Construction“ begründete, begann in Heilbronn, wo er von 1968 bis 1970 eine Maurerlehre absolvierte. „Als Lehrling musste man auch Schalungen in Handarbeit herstellen“, erzählt Kurrer. Seine ordentlich beschrifteten Zeichnungen aus den Bauarbeitsheften geben Einblick in die handwerkliche Ausbildung der Zeit. Das Einschalen war über Jahrzehnte hinweg eine rein handwerkliche Tätigkeit. Parallel zur Krantechnik und Montagetechnik entwickelte sich dann auch die Schalungstechnik weiter und war in den 1970er Jahren vom Prinzip her so, wie wir sie heute kennen. „Schon Mitte der 1960er Jahren kündigte sich ein neuer Innovationspfad an, der zu den heutigen Schalungssystemen führte“, weiß Kurrer.
Innovations- und Produktivitätsschübe
Die Basis für moderne Rahmenschalungen legten Patente aus 1952 (Element-Stahlschalung) und 1977 (Schalschloss als Elementverbindung). Die Rahmenschalung mit ihren geschweißten Rahmenelementen und der fest montierten Schalungshaut hat sich bis heute zum wichtigsten System für das Schalen von Betonwänden entwickelt. In den 80er Jahren boten nahezu alle Schalungshersteller solche Systeme an. Mit ihr ließen sich große Flächen schneller schalen und Schalungsarbeiten effizienter durchführen. Es war nicht mehr allein Muskelkraft nötig, da sich nun die größeren Einheiten per Kran umsetzen ließen.
Für die komplexere Anforderung an die Deckenschalung wurden in den 50er Jahren die ersten Schalungsträger entwickelt. Mit Vorstellung eines Schalungsträgers in Bauhöhe 20 cm auf der bauma 1977 wurde die Flexschalung zum System und gehört immer noch zu den universellsten und flexibelsten Deckenschalungen weltweit. Seitdem wurden die Systeme stetig verbessert. Das Aufkommen des Verbundschalungsträgers führte zu weiteren Optimierungen auf der Baustelle. Durch die bessere Tragfähigkeit werden weniger Stützen benötigt – die Arbeiter bewegen weniger Material und können die Schalung dadurch schneller erstellen. Weiterentwicklungen für große Deckenflächen wie Modul- oder Paneelschalungen als Handsysteme und die kranversetzbaren Deckentische erlauben aufgrund ihrer Größe ein noch schnelleres Schalen bei passenden Grundrissen.
Baubranche im Wandel
Die Digitalisierung hat in vielen Industrien schon lange Einzug gehalten, die Baubranche hinkt in dieser Hinsicht der Entwicklung hinterher. Studien gehen davon aus, dass die Baubranche global betrachtet ihre Produktivität in den letzten 20 Jahren nur um etwa 1% erhöht hat bzw. bis zu 57% der Tätigkeiten am Bau nicht wertschöpfend sind. Damit ist sie Schlusslicht, wenn man sie mit anderen Industrien vergleicht.
Gerade die Schalung ist ein zeitintensiver Prozess. Hier gäbe es zahlreiche Ansatzpunkte, effizienter zu arbeiten und Wartezeiten zu verkürzen. Zwar sind Tablet und das Smartphone mittlerweile wichtige Werkzeuge auf der Baustelle, doch noch immer schöpfen viele Unternehmen nicht alle Möglichkeiten aus, die die Digitalisierung bietet. Poliere bewerten beispielsweise den Zeitpunkt des Ausschalens anhand ihrer Erfahrung oder aufgrund von Tabellen mit hohen Sicherheitszuschlägen. Optimieren lässt sich der Prozess mit Hilfe von Sensoren im Beton, die die Betonfestigkeit überwachen und den besten Zeitpunkt für die Ausschalung ermitteln.
Auch die Datenbrille ist bei einigen Vorreiterunternehmen bereits im Einsatz. Mit Hilfe von VR und AR – also Virtual Reality und Augmented Reality – können sich Bauherren und Bauunternehmen im virtuellen Raum Zutritt zum künftigen Gebäude verschaffen und sich auch vorab ein Bild von der Schalungsplanung verschaffen.
Mit BIM in die Zukunft
BIM wird in den kommenden Jahrzehnten die Baubranche stark verändern. In Zukunft wird der digitale Zwilling – also der 3D-Entwurf des zu errichtenden Gebäudes – zum Standard werden. Um Bauprozesse transparenter und in Folge effizienter und schlanker zu machen – Stichwort Lean Construction –, führt kein Weg daran vorbei, dass alle Akteure an einem digitalen Modell zusammenarbeiten und sich untereinander vernetzen.
Für den Bereich Schalung heißt das: Anhand von 3D-Visualisierungen werden Schalungssequenzen vorab digital geplant. Sowohl das benötigte Schalungsmaterial als auch der Zeitpunkt des Ausschalens und das Umsetzen der Systeme lassen sich exakt im Voraus bestimmen. Über die Plattform Contakt lassen sich mit Hilfe von Planungsdaten auf Basis eines BIM-Modells u.a. Arbeitsprozesse und -pakete definieren und der Einsatz von Mitarbeitern und Arbeitsmitteln punktgenau planen. Unternehmen können mit einer digitalen Taktplanung, dem Monitoring des Baufortschritts sowie durch bessere Ressourcenplanung ihre Produktivität deutlich steigern. Auch der 3D-Druck von kompletten Bauwerken in Beton inklusive Bewehrung ist dabei eine der möglichen und interessanten disruptiven Innovationen. Viele Gründe also, um die Digitalisierung voranzutreiben und die Baubranche für die Zukunft fit zu machen.
www.doka.com
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