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Archiv 18. Mai 2018

Feuer und Flamme für den Straßenbau

„Wirtgen bleibt Wirtgen!“ Mit diesem Statement manifestierte der neue CEO der Wirtgen-Gruppe im Umfeld der Road Technology Days 2018 die Strategie für den Konzern. Die Gruppe gehört seit kurzem zu John Deere. Parallel wurde auf den Demo-Tagen ein Feuerwerk an Hightech-Maschinen für den Straßenbau gezündet.

Highttech versus Unterhaltung: Ein Potpourri aus Las-Vegas-Show, brasilianischem Karneval und Olympischen Spielen faszinierte die 4.000 Besucher am Ende des ersten Abends.
Highttech versus Unterhaltung: Ein Potpourri aus Las-Vegas-Show, brasilianischem Karneval und Olympischen Spielen faszinierte die 4.000 Besucher am Ende des ersten Abends.

4.000 Kunden aus rund 100 Ländern folgten Mitte April der Einladung der Gruppe auf das Werksgelände von Vögele nach Ludwigshafen. Dort präsentierten die Marken Wirtgen, Vögele und Hamm den State oft the Art der Straßenbautechnik. Mit einer Mischung aus statischer und dynamischer Demonstrationen einzelner Maschinen sowie Showelementen, die wie ein Potpourri aus Las-Vegas, brasilianischem Karneval und Olympischen Spielen anmuteten, verstand es der Gastgeber, die Besucher immer wieder aufs Neue zu faszinieren.

Früh am Morgen des zweiten Tages stellten sich Domenic G. Ruccolo, neuer Vorstandsvorsitzender der Gruppe, sowie Bernhard Düser, Vorstandsmitglied der Joseph Vögele AG, der internationalen Fachpresse. Von besonderem Interesse war dabei die Frage nach der Einflussnahme und eventuellen Veränderungen durch den neuen Eigentümer John Deere. Doch Ruccolo konstatierte „Wirtgen bleibt Wirtgen. Punkt!“ Frei nach dem Motto „never change a running system“ sagte der CEO: „Die Struktur, die Marken bleiben. Der springende Hirsch kommt nicht auf die Produkte. Die Werke und Niederlassungen bleiben.“

Rund 4,5 Mrd. Euro hatte sich der nordamerikanische Land-, Forst und Baumaschinenkonzern den Kauf der Gruppe kosten lassen, die 2017 einen Umsatz von rund 3 Mrd. Euro erwirtschaftete. Deere amp; Company, besser bekannt als John Deere, realisierte im gleichen Zeitraum einen Umsatz von ca. 25 Mrd. Euro. Der Eigentümerwechsel ging bisher geräuschlos über die Bühne. Personell halten sich die Veränderungen ebenfalls im ganz kleinen Rahmen. Laut Ruccolo sind lediglich sechs Leute von John Deere zu Wirtgen gekommen, bei Wirtgen schieden zwei Personen aus: Stefan und Jürgen Wirtgen.

Deere erhofft sich Umsatzzuwächse in diesem Jahr von 56% durch den Zukauf. Hinzu sollen Synergien im technischen Bereich kommen, vor allem bei Motoren und Komponenten, die John Deere herstellt, und bei Telematik-Systemen, die im Landmaschinensektor einen erheblichen Vorsprung haben. Beide Unternehmen teilen eine sehr ähnliche Firmenphilosophie, die nah am Kunden ausgerichtet ist.

John Deere ist in den vergangenen 182 Jahren hauptsächlich organisch gewachsen. Wirtgen stellt somit die bisher größte Investition dar. Und die Gruppe soll weiter wachsen, so der Wunsch des CEO. Darum wird in den Ausbau der Werke investiert. In den Wirtgen-Standort Windhagen fließen 90 Mio. Euro, vornehmlich in die Serienproduktion der Fräsen sowie in den Ausbau der Schulungs- und Servicekapazitäten. Bei Vögele ist nach Aussage von Düser die Nachfrage um 40% gestiegen. Für die soeben fertiggestellte Versandhalle und den Bau eines Gebäudes für die Endmontage sind Mittel in Höhe von 34 Mio. Euro vorgesehen. Dazu kommen 7 Mio. Euro für Produktionsmaschinen.

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Hamm erhält 30 Mio. Euro für den Ausbau der Bandagenproduktion in Tirschenreuth sowie ein neues Testgelände und erweiterte Schulungsmöglichkeiten. Der Brecherhersteller Kleemann wird 50 Mio. Euro investieren. Benninghoven benötigt für den Neubau der Produktion in Wittlich 130 Mio. Euro. Gebaut wird dort ab diesem Sommer. Ziele der dann modularen Produktion sind, so Ruccolo: Kapazitäten erhöhen, Kosten reduzieren.

Zudem werden für alle Maschinen- und Anlagengattungen die Schulungs- und Servicezentren ausgebaut.

Zum Abschluss der Pressekonferenz stellten Ruccolo und Düser neue Produkte vor. Von Wirtgen gibt es nun die Fräse W 150 CFI mit flexiblem Cutter-System, das Arbeitsbreiten bis 1,8 m ermöglicht. Dazu wird dem Fräsaggregat von 1.500 mm einfach ein Verbreiterungskit angefügt. Das macht die Sanierung von Deckschichten wirtschaftlicher. Außerdem ist nun ein3D-System für Gleitschalungsfertiger im Programm. Dura-Force schließlich wurde für das effiziente Recycling und die Bodenstabilisierung entwickelt.

Vögele hat spezielle Fertiger für den amerikanischen Markt entwickelt, die in Ludwigshafen produziert werden. Um die Qualität im Straßenbau zu erhöhen, wurde das Tool Witos Paving kreiert, das Fertiger-Stopps vermeiden soll. Das System optimiert die Transportlogistik und Kommunikation zwischen alle Baubeteiligten, vom Mischwerk über die Asphaltlieferung per Lkw, den Einbau, die Verdichtung und Dokumentation.

Hamm bietet nun die neue Gummiradwalze GRW 280i mit Easy Drive an. Sie lässt sich von 10 bis 28 t auflasten. Ausgestattet mit einem automatischen Mischsystem, wird ein Kleben der Reifen auf dem Asphalt verhindert. Easy Drive gibt es für alle Walzen. Es gestattet das intuitive Steuern der Maschinen und macht es Fahrern leichter, die häufiger die Walzen wechseln, da alle Bedienelemente identisch angeordnet sind.

Neu sind zudem die HD+ 90i PH-Walzen. Das „PH“ der sechs Modelle mit geteilter Bandage steht für Power Hybrid. Das ist ein hydraulischer Speicher, der sich automatisch bei Lastspitzen zuschaltet. Das System gestattet die Verwendung kleinerer Motoren, die ohne Diesel-Partikel-Filter und ohne SCR auskommen. Zusätzlich wird bis zu 15% Kraftstoff gespart.

Oszillation für Walzen von 2,5 bis 13 t ist bei Hamm ein alter Hut. Jetzt gibt es dieses System für geteilte Bandagen. Bei der Schemel gelenkten DV+-Reihe ermöglicht die Kombination von Oszillation mit HCQ die kontinuierliche Verdichtungsmessung im Erdbau. Neu im Programm sind noch C-Varianten, die besonders steigfreudig sind, sowie komplett ferngesteuerte große Walzen, die in sicherheitskritischen Bereichen eingesetzt werden sollen.

Blick in die Produktion

Während der beiden Technologietage nutzen zahlreiche Besucher die Möglichkeit, die Fertigerproduktion von Vögele zu sehen. 2010 in Betrieb genommen, gilt es als das modernste Fertigerwerk weltweit. An 18 Stationen gab es umfassende Informationen über die Details der Fertigung sowie über die hohen Qualitätsansprüche während der Produktion. Alle Schritte der Bohlenfertigung, der Endmontage der Klein- wie der Großfertiger konnten nachvollzogen werden, Dazu wurde gezeigt, wie das Werkerinformationssystem, kurz WIS, funktioniert.

Dabei wird man per Touchscreeen durch die Montageschritte geführt. In einem SAP-System sind alle Pläne und Teile mit ihrem Stellplatz hinterlegt. 2012 wurde der erste Prototyp des WIS entwickelt, seit Februar dieses Jahres wird das System sukzessive etabliert. Die Bohlenmontage wie die Endmontage der Minifertiger sind bereits komplett ausgestattet, die Montagelinie der USA-Fertiger und Großfertiger folgen demnächst.

Am Ende des Workflows müssen 900 Punkte den vorgeschriebenen Qualitätskriterien entsprechen, bevor ein Fertiger zum Kunden ausgeliefert wird. Eine interaktive Sonderausstellung verdeutlichte anhand von Schautafeln, Videos und Exponaten das Thema Qualitätssicherung.

Details über Maschinen

Zu den ca. 70 Einzelmaschinen der Produktsparte Wirtgen Road Technologie gesellten sich drei Sonderschauen, die sich den Themen Dünnschichtbeläge, Garten- und Landschaftsbau sowie Stabilisierung widmeten.

Vögele hat eine verbesserte Handhabung für den Big-Mulitplex-Ski gezeigt. Neu entwickelte Klemmverschlüsse ermöglichen, dass der komplette und werkzeugfreie Aufbau durch eine Person in sieben Minuten bewerkstelligt werden kann. Damit alle Teile jederzeit griffbereit sind und sicher transportiert werden, gibt es für den neuen Big-Multiplex-Ski eine komfortable Transportbox.
Vögele hat eine Demonstrations-Arena,  die so manchen Bundesliga-Zweitligisten neidisch machen könnte. Die beiden Ränge boten den 4.000 Besuchern reichlich Platz. Die Demonstrationsfläche misst 30 x 100 m. Dort fand am Ende des ersten Abends eine spektakuläre Show statt, die mit Musik, Laserstrahlen, Sängern, Tänzern und Maschinen eine Symbiose vom Einmarsch der Nationen bei einer Olympiade und der Ausgelassenheit des Karnevals in Rio darstellte.

Tags drauf hatten die Maschinen in der Arena ihren Auftritt. „Bei den Live-Demos präsentieren wir nicht nur modernste Technologien und Lösungen für den Straßenbau. Unsere Kunden erleben auch, wie die Maschinen der Wirtgen Group in der Praxis zusammenarbeiten und welche Synergien sich dadurch für den gesamten Straßenbau-Prozess ergeben. Die Live-Demos sind deshalb immer das Herzstück unserer Technologietage und in dieser Form und Dimension einzigartig in unserer Branche“, erläuterte Roland Schug, Marketingleiter bei Vögele und gesamtverantwortlich für die diesjährigen Road Technology Days.

Gezeigt wurde das Zusammenspiel der Fräs-, Einbau- und Verdichtungstechnologien aus der gesamten Gruppe während der zwei Live-Demonstrationen. Während sich die eine der Sanierung widmete, stellte die zweite den Neubau in den Vordergrund.

Insgesamt wurden in jeder Demo um die 15 Maschinen aufgefahren. Teilweise liefen die Prozesse dreireihig. Für die Zuschauer, die das Geschehen auf beiden Längsseiten von den Tribünen verfolgten, war es nicht immer leicht, genau auszumachen, wo sich gerade etwas abspielte. Kompaktasphalt an sich, ebenso wie das Fräsen von 18 cm Stärke und der ebenso dicke Einbau einer neuen Schicht, das Kaltrecycling mit Schaumbitumen und der Einsatz von Beschickern hinterlassen an sich schon einen starken Eindruck. Unterstützt wurden die gezeigten Prozesse von einer fachlich versierten Live-Moderation und parallel gezeigten Bildern auf Videowänden.

„Nur mit technisch ausgereiften, einwandfreien Produkten können unsere Kunden auch hochwertige Straßen bauen“, gab sich Bernhard Düser überzeugt. Den Stand der Technik zu demonstrieren und mit den Kunden in den intensiven Dialog zu treten, war die Intention der Veranstaltung. In den Gesichtern der Besucher und der Gastgeber spiegelte sich wider, dass das gelungen ist.

Volker Müller, Maike Sutor-Fiedler

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