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Bauqualität

Grabenlose Sanierung mit Gütesiegel

Bei der grabenlosen Sanierung einer Bachverrohrung und eines Schmutzwassersammlers kamen in Bielefeld ein GFK-Einzelrohrverfahren und ein Schlauchlining zum Zuge.

Die GFK-Rohre werden mit Hilfe von Ziegelsteinen und Holzkeilen in ihrer Lage gesichert. Die Baustützen verhindern ein Aufwölben des Sohlbereiches während der Ringraumverdämmung. Im Gespräch Aarsleff Oberbauleiter Johannes Leewe (li.) und Güteschutz Prüfingenieur Guido Heidbrink (re.).

Um 1900 wurde in Bielefeld die Weser-Lutter verrohrt und parallel ein Schmutzwassersammler errichtet. Dies war die Grundlage für die Abwasserentsorgung und verbesserte die hygienischen Zustände entlang des Baches. Heute, nach rund 120 Jahren, hat sich der bauliche Zustand beider Bauwerke derart verschlechtert, dass eine Sanierung der Verrohrung und des Schmutzwasserkanals unumgänglich war. Dabei stellte der knapp ein Kilometer lange zweite Bauabschnitt zwischen Teutoburger Straße und dem Stauteich 1 den Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld (UWB) vor besondere Herausforderungen: Oberhalb der Lutter-Verrohrung befindet sich der Ravensberger Grünzug mit einer fast 100 Jahre alten Platanen-Allee, die wegen ihres positiven Beitrages zum Stadtklima erhalten werden sollte. Mit Blick auf den Schutz des Baumbestandes entschieden sich die Verantwortlichen für eine grabenlose Sanierungslösung, die unter Beachtung und Einhaltung größtmöglicher Qualitätsstandards durchgeführt werden sollte.

Nach Abwägung aller Verfahrensvarianten fiel die Wahl der Planer von ZPP Ingenieure AG, Bochum, die das Projekt seit den ersten Überlegungen 2010 begleiteten, in Zusammenarbeit mit der Stadtentwässerung des UWBs auf das GFK-Einzelrohrverfahren bei der Lutter-Verrohrung und auf ein Schlauchlining bei der Sanierung des Schmutzwassersammlers. Zeitgleich erfolgt in der angrenzenden Huberstraße die Erneuerung des Regen- und des Schmutzwasserkanals in offener Bauweise. Durchgeführt werden alle Arbeiten durch eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE): Während die Aarsleff Rohrsanierung GmbH, NL Münster, die grabenlosen Sanierungsarbeiten ausführt, erhielt die Quakernack GmbH & Co KG, Bielefeld, den Auftrag für die Tiefbauarbeiten und Kanalerneuerungen. Wie bei allen Kanalbauarbeiten, verlangte der UWB einen entsprechenden Nachweis über die Qualifikation der ausführenden Unternehmen. Sowohl Aarsleff als auch Quakernack verfügen über das Gütezeichen Kanalbau der Gütegemeinschaft Kanalbau und können damit ihre fachtechnische Eignung für bestimmte Ausführungsbereiche nachweisen.

Erhalt der Allee

Schon 2015 startete die große Sanierung der Lutter-Verrohrung mit dem ersten Bauabschnitt. Damals konnte aufgrund der Randbedingungen die Erneuerung komplett in offener Bauweise erfolgen. Für den zweiten Bauabschnitt kam diese Variante jedoch nicht in Frage, wie Dipl.-Ing. (FH) Alexander Garen von der Stadtentwässerung des UWBs, Abteilung Planen und Bauen von Abwasseranlagen, erklärt: „Bei einer offenen Bauweise hätten wir die rund 80 Platanen im Grünzug Ravensberger Straße nicht erhalten können. Und gerade mit Blick auf die immer heißer werdenden Sommer sollte die bestehende Allee für die Bürger und für das Stadtklima erhalten bleiben. Durch die Wasserverdunstung der Bäume entsteht ein wichtiger Kühlungseffekt der Umgebung.“ Nach Abwägung aller Randbedingungen empfahlen die Ingenieure von ZPP in Abstimmung mit dem Umweltbetrieb die Sanierung mit GFK-Einzelrohren. „Dieses Verfahren stellt die notwendige Standsicherheit der Maulprofil-Verrohrung wieder her und verfügt aufgrund der Materialeigenschaften des GFK zudem über eine sehr lange Lebensdauer von mindestens 70 Jahren“, ergänzt Dipl.-Ing. (FH) Klaus Schultz, der zusammen mit seinem Kollegen Garen das Projekt betreut. Allerdings, so Garen, verringere sich durch dieses Verfahren der vorhandene Abflussquerschnitt. Positiv sei jedoch die glatte Innenoberfläche der Einzelrohre. „Dadurch, dass insgesamt sechs kleinere Bäche und ein großes Einzugsgebiet mit Regenentwässerung in die Lutter fließen, ist je nach Regenintensität der reduzierte Querschnitt zur Ableitung nicht mehr ausreichend“, erläutert Garen. Zwei zusätzliche unterirdische Regenwasserrückhaltebecken, die im Rahmen der Gesamtmaßnahme errichtet wurden, dienen in dem Fall dann als Puffer, um große Mengen anfallenden Niederschlagswassers zwischenzuspeichern und so die Abflusssysteme vor Überlastung zu schützen. Ein absoluter Schutz vor Überflutungen ist damit nicht gewährleistet.

Dimensionswechsel inklusive

Verrohrt wurde die Lutter zwischen Oktober 1900 und Juni 1901 in Stampfbeton mit einem gemauerten Gerinne. Die Kämpferbereiche und der Scheitel des rund drei Meter breiten und zwei Meter hohen Maulquerschnittes wurden mit Hilfe einer Vorschubschalung ebenfalls mit Stampfbeton in reiner Handarbeit errichtet. Neben der Durchleitung der Lutter dient die Verrohrung seitdem als Regenwasserkanal. Für die Ableitung des Schmutzwassers erstellten die Bielefelder einen separaten Kanal. Dieser verläuft zunächst aufgesattelt auf der Lutter-Verrohrung. Im Weiteren verläuft er aufgrund der notwendigen Tiefenlage parallel zur Hauptleitung. Bislang wird der Schmutzwasserkanal bei dem Wechsel dabei mittels eines Dükers neben der Lutter-Verrohrung entlanggeführt. Im Rahmen der Sanierung wird der Düker aufgegeben und der Schmutzwasserkanal zusammen mit einem kreuzenden Mischwassersammler oberhalb der Lutter verlaufen. Hierfür sind in dem als Mühlendreieck bezeichneten Bereich komplexe Tiefbaumaßnahmen notwendig. Aktuell befindet sich dort die Startbaugrube, von der die Aarsleff-Crew die GFK-Einzelrohre in die Lutter-Verrohrung einfährt. Dabei kommen zwei unterschiedliche Rohrquerschnitte zum Einsatz. Aarsleff Oberbauleiter Dipl.-Ing. (FH) Johannes Leewe: „Die Verrohrung hat innerhalb der Sanierungsstrecke einen Dimensionswechsel. Daher verwenden wir zwei unterschiedliche Rohrquerschnitte. Die größeren Rohre haben eine Breite von 3,30 Meter und im Scheitelpunkt eine Höhe von 1,83 Meter. Bei einer Wandstärke von 62 Millimetern und einer durchschnittlichen Rohrlänge von 2,25 Metern haben sie jeweils ein Gewicht von ungefähr drei Tonnen. Die kleineren Rohre sind 2,87 Meter breit und im Scheitel 1,64 Meter hoch. Ihre Wandstärke beträgt 48 Millimeter. Insgesamt variieren die Rohrlängen zwischen einem und 2,25 Metern Länge.“ Eingefahren werden die Rohre über einen speziell für dieses Projekt angefertigten Fahrwagen, der sich je nach zu transportierender Rohrdimension anpassen lässt. Leewe: „Es handelt sich um eine Aarsleff-Eigenentwicklung und unsere Kolonne vor Ort hat bereits viele Kilometer GFK-Rohre mit ähnlichen Fahrwagen erfolgreich eingebaut.“ Zur Festlegung der beiden Rohrquerschnitte wurde für die Ausschreibung vorab eine 3D-Vermessung durchgeführt. Anschließend kalibrierte Aarsleff vor Ort in der Lutter die maximal mögliche Verrohrung mit Hilfe von angefertigten Schablonen.

Bietereignung gefragt

Insgesamt erfolgen die in Bielefeld durchgeführten Arbeiten unter Beachtung hoher Qualitätsstandards. Deren Einhaltung wird durch das Gütezeichen Kanalbau unterschiedlicher Beurteilungsgruppen dokumentiert, wie Güteschutz-Prüfingenieur Dipl.-Ing. (FH) Guido Heidbrink ausführt: „Neben dem AK 1, dem anspruchsvollsten Bereich des offenen Kanalbaus, sind das die Gütezeichen S 21.3 (Auskleidung mit vorgefertigten Rohren – Einzelrohr), S 27.1 und S 27.3 (Schlauch-Lining-Verfahren – Warmhärtung (Wasser) bzw. Lichthärtung), S 42.3 (Sanierung von Bauwerken und begehbaren Kanälen – Injektionen) und S 45.1 (Montageverfahren (Rohrsegment-Lining) – Montage). Im Vorfeld wurden die auftragsbezogenen Anforderungen an die Eignung der Bieter durch den Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld festgelegt und die für die europaweite Ausschreibung nachzuweisende Bietereignung auf der Basis der Anforderungen der RAL-GZ 961 formuliert.“ Garen fügt hinzu: „Uns ist wichtig, qualifizierte Firmen mit der Ausführung zu beauftragen. Daher legen wir großen Wert auf die Bietereignung. Ist diese erfüllt, können wir uns im nächsten Schritt für das wirtschaftlichste Angebot entscheiden.“

Begonnen wurden die umfangreichen Arbeiten an dem zweiten Sanierungsabschnitt im Januar 2022. Binnen zwei Jahren sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann können die Anwohner und Bielefelder Bürger den Ravensberger Grünzug mit der Platanen-Allee wieder in vollen Zügen genießen. (HS/RED)

Die GFK-Rohre werden mit einem Kran in die Baugrube abgelassen und von dort mit einem speziellen Fahrwagen in die Lutter-Verrohrung eingefahren. Alexander Garen (Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld, rechts) und Prüfingenieur Guido Heidbrink (Güteschutz Kanalbau, links) besprechen den Sanierungsfortschritt.
Risse im Scheitelbereich der Lutter-Verrohrung gehörten zum dem Schadensbild. V. l. n. r.: Alexander Garen (Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld), Johannes Leewe (Aarsleff Rohrsanierung), Guido Heidbrink (Güteschutz Kanalbau) und Klaus Schultz (Umweltbetrieb der Stadt Bielefeld).

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