Das Gesicht des Auslösers für die weltweit auftretenen Betonschäden nimmt Züge an. Wissenschaftler des Schweizer Paul Scherrer Instituts (PSI) und der Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology (Empa) entschlüsselten erstmals die tatsächliche Kristallstruktur des infolge der Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) entstandenen Produkts. Dabei soll es sich um eine Silizium-Schichtenstruktur handeln, die in dieser Form noch nie zuvor beobachtet worden sei. Anhand der neuen Erkenntnisse könnten vorbeugende Substanzen entwickelt werden, die der Betonkrankheit entgegenwirken.
In Deutschland spricht man von AKR (Alkali-Kieselsäure-Reaktion), in der Schweiz von AAR (Alkali-Aggregat-Reaktion). Die Allgemeinheit nennt das Phänomen Betonkrebs, es zeigt sich weltweit in Form von Rissen und Absprengungen an Bauwerken, Straßen oder Fundamenten aus Beton. In der Schweiz sollen neben zahlreichen Brücken bis zu 20 % der Staumauern aufgrund von AKR geschädigt sein, oft bleibt nur die Sanierung oder sogar der Rückbau.

Schon seit längerem bekannt ist, dass es sich bei AKR um eine chemische Reaktion zwischen den Bestandteilen des Beton und der von außen eindringenden Feuchtigkeit handelt. Dabei entsteht ein Material, das sich ausdehnt und den Beton im Laufe der Zeit bröckeln lässt. Die Schweizer Wissenschaftler haben nun offenbar die physikalische Struktur des Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrats entschlüsselt. Dafür untersuchten sie eine 1969 erbaute Schweizer Brücke, die stark AKR-geschädigt ist. Es zeigte sich, dass das Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrat eine bisher nie dokumentierte Silizium-Schichten-Kristallstruktur aufweist.

„Es gibt prinzipiell die Möglichkeit, dem Beton organische Stoffe beizumengen, die den Spannungsaufbau reduzieren können“, sagt Dr. Andreas Leemann, Gruppenleiter Betontechnologie an der Empa. „Unsere neuen Ergebnisse stellen diese Überlegungen auf ein wissenschaftliches Fundament und könnten die Basis für neue Materialentwicklungen sein.“ (Ute Schroeter)