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Artenvielfalt 12. April 2021

Junggeselle sucht Bude

Im Gipssteinbruch Dorste hat sich ein junger Uhu eingefunden. Man hört ihn, aber er ist schwer zu entdecken.

Hoch in der Wand haben die Kollegen von Rump & Salzmann ihrem neuen Gast vier Höhlen angelegt, in denen er ein Nest bauen könnte. Voraussetzung: er findet eine Partnerin.
Hoch in der Wand haben die Kollegen von Rump & Salzmann ihrem neuen Gast vier Höhlen angelegt, in denen er ein Nest bauen könnte. Voraussetzung: er findet eine Partnerin.

Hoch in einer Fichte hat ihn Fotograf Andreas Nolte schließlich gesichtet: einen jungen Uhu, der seit kurzem den Gipssteinbruch Dorste des Unternehmens Rump & Salzmann in Augenschein nimmt. „Dieser Uhu hatte mich natürlich viel früher im Blick als ich ihn“, lacht der 52-Jährige, der den Vogel schließlich doch mit einer langen Brennweite erfolgreich fotografieren konnte. „Er scheint noch Junggeselle zu sein. Vielleicht ist er ja auf der Suche nach einer Partnerin, mit der er eine Familie gründen will. Das würde seine Lockrufe erklären“, schätzt Nolte, der immer wieder durch diese und benachbarte Abbaustätten streift und die dortige vielfältige Natur dokumentiert. Wenn er Recht hat, würde der Vogel auch eine Nisthöhle einrichten wollen für möglichen Nachwuchs. Bis dahin ist der Junggeselle auf Budensuche.

Breites Wohnungsangebot

Genau dabei wollen ihm Uwe Schridde, Betriebsleiter des Unternehmens, und seine Kollegen helfen: „Wir haben unserem neuen Gast in einer Wand, welche die Grenze des Steinbruchs bildet, vier mögliche Brutnischen vorbereitet“, sagt er. Man habe in großer Höhe Löcher in die Wand gestemmt, die sich mit 1 Meter Höhe und 2 Metern Breite für ein Nest bestens eignen würden. Zu klein sollte so eine Nische nicht bemessen sein, denn immerhin werden die Tiere bis zu 70 cm groß. Und nicht nur für die Eltern, sondern auch für ein oder zwei Junge muss noch Platz sein. „Das ist eigentlich genau das, was ein Uhu braucht: einen sicheren Horst, an den Fuchs und Waschbär nicht herankommen, von dem aus er aber alles im Blick hat. Jetzt muss er nur noch auswählen zwischen den vielen Angeboten“, meint Schridde.

Dies könnte das erste Uhu-Paar im Gipssteinbruch Dorste werden, ergänzt der Betriebsleiter. In den benachbarten Werken habe es immer wieder Uhu-Pärchen gegeben, die auch für Nachwuchs gesorgt hätten - aber eben noch nicht hier. „Wir würden uns natürlich riesig freuen, wenn wir jetzt an der Reihe wären“, lächelt Schridde. Steinbrüche, so erklärt er, seien bevorzugte Lebensräume dieser größten in Deutschland vorkommenden Eulenart: „Hier finden die Uhus genau das, was Sie suchen: Sicherheit und reiche Beute.“ Viele Wildtiere wissen die raue Umgebung der Abbaustätten zu schätzen. “Die Tiere begreifen schnell, dass unsere Maschinen und unsere Mitarbeiter ihnen nichts tun“, erläutert Schridde. „Auch Sprengungen, die von Zeit zu Zeit nötig sind, stören sie nicht.“ Es sei erstaunlich, wie gut sich solche Tiere mit einem Industriebetrieb arrangieren, ergänzt er noch.

Steinbrüche als Heimat

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Steinbrüche wie in Dorste spielen beim Artenschutz eine wichtige Rolle. Der durch den Abbaubetrieb entstehende Strukturreichtum aus z.B. Felswänden, Erd- und Steinhaufen, mageren Rohböden und temporären Flachgewässern bietet einer Vielzahl an Arten Lebensraum. Die besonderen Bedingungen im Steinbruch wie Nährstoffarmut, Trockenheit und Wärme, sowie die durch die Abbautätigkeit hervorgerufene Dynamik begünstigen dabei spezialisierte Arten, deren natürliche Lebensräume mittlerweile selten geworden und die daher besonders geschützt sind. Das moderne Steinbruchmanagement integriert den Artenschutz in den Betriebsablauf und versucht, möglichst viele dieser Steinbruch-typischen Lebensräume durch eine angepasste Renaturierung dauerhaft zu erhalten.

Population deutlich verbessert

Schon seit längerer Zeit entwickeln sich die Uhu-Populationen hierzulande wieder positiv. In Deutschland, so wissen Experten, hat sich der Bestand an Uhus in den vergangenen Jahrzehnten wieder erfreulich verbessert auf rund 2000 Brutpaare – nicht zuletzt dank unterstützender Maßnahmen wie in diesem Steinbruch. Ob das alles dem fliegenden Junggesellen in seiner Fichte bewusst ist? Andreas Nolte jedenfalls will ihn genau im Auge behalten – im Auge seiner Kamera. (Wer einen Uhu einmal in natura sehen möchte, findet ein beeindruckendes Exemplar in der Vogelstation in Osterode.)

Junggeselle auf Budensuche – noch „residiert“ der junge Uhu hoch in einer Fichte im Gipssteinbruch Dorste.
Junggeselle auf Budensuche – noch „residiert“ der junge Uhu hoch in einer Fichte im Gipssteinbruch Dorste.

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