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Archiv 6. Februar 2018

Kooperation statt Konkurrenz

Die Forderung nach einer Rohstoffstrategie stand im Mittelpunkt des 20. Steine- und Erdenseminars des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) in Ostfildern.

Die Referenten Dr. Winfried Porsch, Prof. Dr. Klaus-Peter Dolde, Tino Villano, Dr. Christoph Heim, Karl-Heinz Lieber, Thomas Muchow, Lothar Benzel und Thomas Beiwenger (v.l.n.r.).
Die Referenten Dr. Winfried Porsch, Prof. Dr. Klaus-Peter Dolde, Tino Villano, Dr. Christoph Heim, Karl-Heinz Lieber, Thomas Muchow, Lothar Benzel und Thomas Beiwenger (v.l.n.r.).

Die Veranstaltung hatte der ISTE gemeinsamen mit der Rechtsanwaltskanzlei Dolde Mayen und Partner (Stuttgart) und der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbau- und Mineralgewinnungsbetriebe e.V. (ABBM) ausgerichtet. Über 120 Teilnehmer kamen, um sich einen Überblick über die neuen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften von Bund und Land zu verschaffen.

Der Vorsitzende des Umwelt- und Rohstoffausschusses des ISTE, Tino Villano, begrüßte die von der baden-württembergischen Landesregierung für nächstes Jahr versprochene Rohstoffstrategie. „Eine Überarbeitung des Rohstoffsicherungskonzepts aus dem Jahr 2004 ist dringend“, appellierte Villano. Von gleichen Erfahrungen in Bayern berichtete Dr. Christoph Heim, stellvertretender Vorsitzende der ABBM. „Sicherung und Gewinnung von Rohstoffen wird eine zunehmend komplexere Angelegenheit“, lautete auch sein Fazit. Verkannt werde dabei allerdings, dass ein Mensch in Baden-Württemberg etwa 10 t mineralische Rohstoffe jährlich benötigt. Kooperation statt Konkurrenz lautete, wie bei Villano, sein Credo. Das Land Baden-Württemberg könne mit einer gut ausgearbeiteten Strategie für und nicht gegen Rohstoffe Rahmenbedingungen schaffen, die die Versorgung mit heimischen Rohstoffen auch für Generationen nach uns sichern, lautet die Hoffnung von Heim.

Alle mit ins Boot holen

„Es ist fünf vor zwölf, was die biologische Vielfalt betrifft“, machte Karl-Heinz Lieber, der Leiter der Abteilung 7 - Naturschutz, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart deutlich. Mit Blick auf die Rolle der Steine- und Erdenindustrie zeigte er Initiativen zum Erhalt der Biodiversität in Baden-Württemberg auf. Eine Trendwende beim Artensterben ist nur möglich, wenn künftig alle „Landschafts-Akteure“ eng zusammenarbeiten. „In Kooperation mit dem Naturschutz kann auch von Seiten der Steine- und Erdenindustrie ein wertvoller Beitrag geleistet werden“, so Lieber. Natur auf Zeit ist dabei ein zentrales Thema. „Wenn rechtliche Unsicherheiten bestehen, werden ökologische Aufwertungen nicht zugelassen, auch wenn sie gut sind“.

Über die rechtlichen und fachlichen Rahmenbedingungen bei „Natur auf Zeit“, die zum Beispiel während des Abbaus entsteht, wenn in der Abbauphase Biotope geschaffen werden, die sich im Ergebnis positiv auf den Erhaltungszustand seltener Arten auswirken können, referierte Thomas Muchow. Der Diplom-Ökologe, Landschaftsplaner und Gärtner leitet ein Forschungsvorhaben für die Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, das vom Bundesamt für Naturschutz ausgeschrieben wurde. Er stellte fest, dass Praxisempfehlungen für den Rohstoffabbau beim Artenschutz an ihre Grenzen stoßen. Außerdem befürchteten Flächeneigentümer, dass bei die Wiederaufnahme einer Nutzung erschwert wird. Als einen möglichen Lösungsansatz erläuterte er das niederländische Modell, bei dem „Natur auf Zeit“ als ein Akt definiert wird, der insgesamt genehmigt wird. Ob dieser Weg funktioniert, werde sich zeigen. Fest stehe, dass die Politik handeln muss.

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Standardisierung möglich

Manuel Sedlak, neben Dr. Markus Röhl Geschäftsführer der Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH, machte deutlich, dass allein aus Gründen der Rechtssicherheit eine Standardisierung im Naturschutz in Betracht zu ziehen sei, obgleich dadurch möglicherweise strengere Maßstäbe angelegt werden könnten.

Prof. Dr. Klaus-Peter Dolde von der Rechtsanwaltskanzlei Dolde Mayen und Partner berichtete direkt aus der Praxis. „Bedingt durch einen Strauß an Unsicherheiten, ist eine Standardisierung durch Verwaltungsvorschriften wichtig – vor allem, um rechtliche Fragen zu klären“, sagte der Jurist. Standardisierung im Naturschutz sei hilfreich, löse allerdings das Problem nicht, einen gangbaren Weg für die Praxis zu finden. Für Rechts- und Planungssicherheit sowie für Planungsgleichheit sei eine Rechtsgrundlage im Artenschutzrecht zwingend notwendig. „Für Kontinuität muss ein Standard im Artenschutzrecht zwingend gesetzt werden“, lautete Doldes Forderung. Dazu müsse man die Verbände mit ins Boot holen, denn über allem stehe das Ziel eines qualitätsvollen, europarechtskonformen und zugleich praktikablen Artenschutz. „Das Schlimmste ist, wenn in jedem Verfahren das Rad neu erfunden und wieder ewig diskutiert wird“, so Dolde.

Die dringende Notwendigkeit von Standardisierung sieht auch Klaus Müller-Pfannenstiel von der Firma Bosch und Partner GmbH (München). Durch Rechtssicherheit spare man sich zähe Abstimmungsprozesse und die tägliche Arbeit werde erleichtert.

Kommunikation führt zum Erfolg

Wie Rohstoffsicherung und Genehmigungsverfahren in der Schweiz aussehen, darüber berichtete der Präsident des Verbandes Schweizerischer Hartsteinbrüche (VSH) und Geschäftsführer der Holcim Kies und Beton AG, Dr. Robert Nothnagel. In Kehrsiten am Vierwaldstätter See soll Holcim Reserven für weitere 20 Jahre sichern. „Nach Beginn des Projekts 2012 war schnell klar, dass wir hier mehr als technische Voraussetzungen brauchen“, sagte Nothnagel. Eine Kommunikationsstrategie für die Behörden und Anwohner sowie von Verbänden geschaffene politische Rahmenbedingungen seien von Nöten. „Kommunikation mit Strategie ist aus unserer Sicht der Schlüssel zum Erfolg“, weiß Nothnagel heute.

Über die aktuell in Kraft getretene Änderung des Raumordnungsgesetzes und der Verwaltungsvorschrift Regionalpläne sowie deren Auswirkungen auf die Rohstoffsicherung informierte Lothar Benzel vom ISTE. In der Neufassung können Vorranggebiete für den Abbau auf einen Zeitraum von rund 20 Jahren und für Sicherungsgebiete auf einen Zeitraum von rund 25 Jahren ausgelegt werden. Derzeit wenden die meisten Regionalverbände den bisherigen Planungszeitraum von zwei Mal 20 Jahren an, stellt er doch ein Minimum an Planungssicherheit für Unternehmen dar, und ist für einzelne Rohstoffgruppen unzureichend.

Die Technische Anleitung Lärm ist neben der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung wesentliche Grundlage für Beurteilung der Schallemissionen durch Abbaustätten und den dadurch ausgelösten Verkehr in Genehmigungsverfahren. Axel Dörr vom Ingenieurbüro Dörr berichtete aus der Sicht des Ingenieurs, der seine Kunden durch die verschiedenen Verfahrensschritte bis hin zur Genehmigung begleitet.

Dr. Robert Nothnagel berichtete von seinem Projekt in der Schweiz.Foto: Foto: ISTE

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