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OB Palmer reagiert auf Verbands-Kritik

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) hat nach Kritik der baden-württembergischen Naturstein-Industrie eine „Fehlentscheidung“ revidiert. Bei der Renovierung des Tübinger Rathauses sollte Elbsandstein aus dem Raum Dresden verbaut werden, nun kommt der regionale Stubensandstein zum Einsatz, eine – im Sinne grüner Politik – deutlich nachhaltigere Lösung.

Der Tbinger Oberbrgermeister?? Boris Palmer (l.), Steinbau-Unternehmer Albrecht Lauster und ISTE-Hauptgeschftsfhrer Thomas Beiwenger (r.) versuchen sich gemeinsam am Block aus Stubensandstein.
Der Tbinger Oberbrgermeister?? Boris Palmer (l.), Steinbau-Unternehmer Albrecht Lauster und ISTE-Hauptgeschftsfhrer Thomas Beiwenger (r.) versuchen sich gemeinsam am Block aus Stubensandstein.

„Wer öffentlich kritisiert, der kann auch öffentlich loben!“ So brachte es Thomas Beißwenger, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Steine- und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) auf den Punkt. Adressat dieser Ansprache war Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen). Er hatte sich nach Kritik von Wirtschaftsvertretern flexibel und offen gezeigt für eine regionale Lösung.

Stein des Anstoßes war die anstehende Renovierung von Palmers Amtssitz, des Tübinger Rathauses. Vertreter der baden-württembergischen Naturstein-Industrie hatten heftig kritisiert, dass bei der Renovierung eines traditionsreichen Kleinods Steine von weither verbaut werden sollen. Warum will man fürs alte Tübinger Rathaus Elbsandstein aus dem Raum Dresden nehmen, während der historisch richtige Stubensandstein vor der eigenen Haustür abgebaut werden kann, fragten sie und stellten auch die Frage, ob dies denn nachhaltig sei.

Die Kritik zeigte Wirkung, den sächsischen Sandstein werden die Tübinger jetzt durch eigenen, schwäbischen ersetzen. „Ich wusste gar nicht, dass es den Stubensandstein hier gibt“, räumte OB Palmer ein. Ihm sei mitgeteilt worden, dass der Pliezhausener Steinbruch geschlossen sei und das Material nicht mehr zur Verfügung stünde. „Stimmt nicht!“ konnte Albrecht Lauster korrigieren, zu dessen Unternehmen auch diese Abbaustätte gehört. „Wir bauen hier nur von Zeit zu Zeit und nur für ganz besondere Projekte ab.“ Insofern sei es schon etwas Besonderes, wenn man jetzt die Arbeiter im Steinbruch beobachten könne, wie sie mit ihrer riesigen Schwertsäge tonnenschwere Blöcke auslösen. „Natürlich ist die Ökobilanz heimischer Produkte besser als die von weither transportierter Ware“, stellte der Grünen-Politiker selbstkritisch fest. Kurze Transportwege sicherten eine möglichst hohe Nachhaltigkeit. Das gelte für Lebensmittel wie Obst und Gemüse genauso wie für Steine.

Dr. Wolfgang Werner vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau gab vor Ort Einblick in die Hintergründe der regionalen Erdgeschichte. „Sandsteine, wie wir sie hier sehen, sind schon vor Jahrhunderten für den Bau der Münster in Ulm und in Freiburg verwendet worden, und auch für den Kölner Dom“, erläuterte er. „Diesen Stubensandstein hier nennt man auch den 'Stein der schwäbischen Gotik'; er hat das Bild unserer historischen Bauten entscheidend geprägt.“ Aber nicht nur aus kulturellen Gründen sei es deshalb wichtig, heutzutage wieder auf das Originalmaterial zurückzugreifen, auch aus technischen. „Diese Steine vertragen sich bautechnisch am besten mit ihresgleichen“, so Werner.

Auch diese Zusammenhänge hatte der Tübinger Oberbürgermeister im Sinn, wenn er sich über die Korrektur der ursprünglichen „Fehlentscheidung“ jetzt freute. „Einen leicht höheren Preis kann auch eine Kommune in Kauf nehmen, wenn sie dafür Produkte von hoher Qualität und Langlebigkeit bekommt.“ Und Kinderarbeit, wie sie bei manchen Importsteinen aus Asien nachgewiesen wurde, sei bei Material aus der eigenen Region mit Sicherheit kein Thema. Palmer: „Wir haben richtige Schätze vor der Haustür. Wir wissen nur manchmal zu wenig von ihnen...“

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