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75 Jahre "Straßen- und Tiefbau" 18. Mai 2021

Starke Geschichte der Radlader

Von den Vorläufern auf Traktoren-Basis bis zum aktuellen Hightech-Produkt haben sich Radlader über 100 Jahre hinweg zum weltweiten Erfolgsmodell entwickelt. Einer der führenden Hersteller ist Volvo CE.

Der H10 von 1954 erinnert noch stark an einen „umgedrehten Traktor“.
Der H10 von 1954 erinnert noch stark an einen „umgedrehten Traktor“.
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Einsatzgewichte von knapp 2 bis über 200 t und Anbaugeräte für unterschiedliche Anwendungen: Die Welt der Radlader präsentiert sich heute mit einer ungeheuren Vielfalt. Die Anfänge liegen in den 1920er und 1930er Jahren, als die ersten Frontlader-Anbauten für landwirtschaftliche Traktoren auf den Markt kamen. Die Bauwirtschaft folgte mit einiger Verzögerung, dafür aber mit eigens entwickelten Maschinen, die mit klassischen Traktoren nur noch wenig gemein hatten. 

„Bei Volvo CE reicht das aktuelle Spektrum von rund 5 bis 56 t Einsatzgewicht“, erläutert Erich Kribs, bei Volvo CE Produktmanager für große Radlader. „Noch größere und schwerere Modelle, die vor allem im Mining-Bereich zum Einsatz kommen, spielen mit einigen Hundert Maschinen im Jahr stückzahlmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Das wichtigste Marksegment bilden heute Radlader um 20 t Einsatzgewicht. In diesem Segment, in dem Volvo weltweit einen hohen Marktanteil hält, sind demzufolge fast alle lokalen wie internationalen Hersteller aktiv. Ein weiteres bedeutsames Segment bilden kompakte Radlader, allerdings ist das überwiegend ein rein europäisches Thema.“

H10: Traktor als Basis

Ihren Lauf nahm die Radlader-Historie von Volvo im Jahr 1954 mit einem „umgedrehten Traktor“. Die Tüftler aus der mechanischen Werkstatt der Gebrüder Lundberg und des Motor- und Traktorspezialisten AB Bolinder-Munktell (später Volvo BM) versetzten die großen Traktorräder und das Hubgerüst nach vorne. Die kleinen Hinterräder lenkten den H10 getauften Radlader und verliehen ihm eine hohe Wendigkeit. Mit einer Parallelführung des Hubgerüsts, doppeltwirkenden Hubzylindern und einer Wechseleinrichtung für die Ausrüstung konnte der H10 ebenfalls aufwarten. „Wechselbare Anbaugeräte sind natürlich längst Standard“, ergänzt Kribs. „Dabei rekrutiert sich der Großteil aus Schaufeln aller Art und Größe, Gabeln beziehungsweise Palettengabeln und Holzgreifern. Darüber hinaus gibt es noch jede Menge Spezialgeräte für unterschiedlichste Einsätze.“

Auf den H10 folgte anno 1959 der LM 218: Der erste „echte“ Radlader von Volvo, mit dem die Schweden im folgenden Jahrzehnt auch die internationalen Märkte ins Visier nahmen. Mit speziellen Achsen und Rädern, runderen Formen, größeren Gegengewichten und nicht zuletzt dem bis heute charakteristischen gelben Lack war der LM 218 von Grund auf als Radlader konzipiert. Mitte der 1960er Jahre hießen die wichtigsten Weiterentwicklungen LM 620 und LM 640: schnelle und komfortable Allrounder, die mit 69 PS bereits über eine ansprechende Motorleistung und im Fall des LM 640 über Allradantrieb verfügten. Neu war zudem ein Lastschaltgetriebe mit Drehmomentwandler.

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Überrollschutz für mehr Sicherheit

„Mehr und mehr setzte sich in dieser Zeit aber die Knicklenkung durch, auch bei Volvo“, fügt Kribs mit Blick auf die weitere Historie an. Die neue Generation trat 1970 in Gestalt des LM 845 auf den Plan. Zum Grundvorteil der hohen Wendigkeit auf engstem Raum addierten sich beim ersten knickgelenkten Volvo-Radlader seitlich öffnende Türen, ein neuer Hubrahmen in Z-Kinematik und ein komplett neuer Geräteträger. Mit der Einführung des LM 845 begann Volvo auch mit der Zulassung des Überrollschutzes ROPS (Roll Over Protective Structure) und Kabinen-Fallschutzes FOPS (Falling Object Protective Structure) – weitere Meilensteine in puncto Sicherheit für Mensch und Maschine.

Neue, emissionsarme Dieselmotoren standen in den 1970ern ebenfalls im Fokus, insbesondere beim 1974er Modell LM 1641. Außerdem besetzte Volvo zu dieser Zeit eine bis heute bedeutsame Nische: Die Ausrüstung mit Hochhubgerüst als High-Lift-Version, die den Radlader für den Holzumschlag prädestiniert. „Mit diesen Spezialmaschinen, aktuell in der Generation L180HHL, sind wir seither auf der ganzen Welt sehr gut unterwegs“, unterstreicht Kribs.

Fahrer- und Servicefreundlichkeit im Fokus

Die späten 70er und frühen 80er Jahr standen im Zeichen der 4.000er-Familie. Charakterisiert wurde die neue Radlader-Generation von einer modernen Überdruck-Komfortkabine mit Klimaanlage sowie mehr Volvo-Originalkomponenten als je zuvor. „Eine hohe Fertigungstiefe, inklusive eigener Kabinen, Achsen, Motoren und Getrieben ist bis heute ein wesentlicher Punkt der Volvo-Philosophie“, betont Kribs. Die ersten Modelle mit hydraulischer Load Sensing-Lenkung, Lastschaltautomatik APS (Automatic Power Shift) und vollhydraulisch betätigter Bremsanlage bilden weitere Highlights der 4.000er-Ära. Auch die Servicefreundlichkeit stand im Blickpunkt. Beim 1984 vorgestellten 4200 B erleichterte z.B ein ausschwenkbarer Kühler die regelmäßige Wartung spürbar.

Im Jahr 1986 hielt mit dem Volvo L160 die bis heute gebräuchliche Typenbezeichnung Einzug. Das „L“ steht schlicht für „Lader“, die folgende Ziffer gibt die ungefähre Kipplast in zehntel Tonnen an – beim L160 folglich 16 t. Noch im gleichen Jahr ließ Volvo die Modelle L120, L90, L70 und L50 vom Stapel. 1987 kam der kleine L30 hinzu, der bis 1995 in Produktion blieb. Die neue Generation war abermals durch zahlreiche Innovationen gekennzeichnet. So verfügten ab 1988 alle Volvo-Radlader optional über die Komfort-Lenk- und Fahrschaltung CDC, die dem Fahrer die Bedienung aller Lenk- und Fahrfunktionen mit nur einem Hebel in der Armlehne ermöglichte. 1990 folgte das BSS-System zur Hubgerüstdämpfung, wodurch sich Transportfahrten noch schneller und komfortabler gestalteten.

Erster Großlader mit über 50 t

Der 1991 vorgestellte L150 war eine wahrhaft revolutionäre Maschine, die bereits viele Merkmale heutiger Volvo-Radlader vereinte. Dazu gehören unter anderem das TP-Hubgerüst, das die Vorteile von Z- und Parallelkinematik kombiniert, und die Komfortkabine Care-Cab. Durch das elektronische Überwachungssystem Contronic hatte der Fahrer Kraftstoffverbrauch, Füllstände, Temperaturen und weitere Betriebsdaten übersichtlich im Blick. Mit dem L330C folgte 1995 der erste Großlader mit Einsatzgewichten zwischen 46,9 und 51,4 t. Im gleichen Jahr hatte Volvo die Anteile von Clark in der VME-Gruppe erworben und firmierte fortan unter Volvo Construction Equipment: Volvo CE war geboren. Ebenfalls auf 1995 datiert die Schaltautomatik APS der zweiten Generation. Der Fahrer konnte nun mit vier verschiedenen Schaltprogrammen eine einsatzgerechte Abstimmung vornehmen und somit den Kraftstoffverbrauch minimieren. Schonende und ruckfreie Schaltvorgänge ermöglichte das von Volvo entwickelte Vorgelegegetriebe obendrein.

Im weiteren Verlauf der 1990er und „Nuller“-Jahre wurden Care-Cab, die Komfortkabine und Contronic verfeinert, das Fahrerumfeld weiter optimiert und die Motoren an die jeweiligen Abgasnormen angepasst – ablesbar an den Namenszusätzen C (1995), D (1998), E (2001) und F (2007). Mit der F-Serie des Jahres 2007 hielt das neue HTE-Getriebe Einzug, das vollautomatisches Schalten zwischen den Gängen eins und vier erlaubt. Die Flaggschiffe L350F und sein heutiger Nachfolger L350H sind zudem die größten jemals von Volvo gebauten Radlader, unter anderem mit stärkerer Hydraulik, verbessertem Hubgerüst und neuen Hochleistungsachsen.

Gryphin: Erste Studie mit elektrischem Antrieb

2007 war auch „bauma-Jahr“, und Volvo CE hatte in München seine wegweisende Radlader-Studie „Gryphin“ im Gepäck. Mit zahlreichen Innovationen, darunter eine rundumverglasten High-Tech-Kabine und ein Hybridantrieb mit elektrischen Radnabenmotoren und Dieselaggregat oder Brennstoffzelle, nahm die spektakuläre Konzeptstudie einige Zukunftsthemen vorweg – als Stichwort sei hier nur die „elektrifizierte Baustelle“ genannt.

Über die G-Serie des Jahres 2011, verbunden mit deutlichen Steigerungen bei Hub- und Ausbrechkraft, führte der Weg zur 2014 vorgestellten Generation H. Zu den aktuellen Kennzeichen der seither stetig weiterentwickelten H-Serie zählen Motoren nach den aktuellen Abgasnormen Tier 4 final/Stufe V und die neueste Generation der Opti-Shift-Getriebe. Die verbesserte Opti-Shift-Technologie kombiniert die patentierte RBB-Funktion (Reverse By Braking: automatische Betätigung der Betriebsbremse bei Fahrtrichtungswechsel) mit einem neuen Drehmomentwandler mit Wandlerüberbrückung, was eine direkte Kraftübertragung zwischen Motor und Getriebe herstellt. Leistungsverluste im Wandler werden so vermieden und der Kraftstoffverbrauch in der Folge um bis zu 18% reduziert.

Assistenzsysteme für mehr Effizient

„Wie bei den Getrieben schreitet die Entwicklung heute in vielen weiteren Details und Baugruppen voran, sei es bei den Kabinen oder der Hydraulik“, ergänzt Kribs. „Digitalisierung, proaktive Wartung, autonomes Fahren und elektrisch angetriebene Maschinen sind weitere Themenfelder, die wir zunehmend mit Leben füllen. Mit unserem Kunden Skanska z.B. haben wir im Projekt ‚Electric Site‘ der vollelektrifizierte Steinbruch schon in großen Teilen realisiert, und der batterieelektrische Radlader L25Electric ist seit Ende 2020 als reguläres Serienmodell auf dem Markt.“

Kontinuierlich baut Volvo CE zudem den Funktionsumfang des Telematiksystems Care-Track und des Volvo Co-Piloten weiter aus. Der Co-Pilot lässt sich als universelles Assistenzsystem für den Einsatz in verschiedenen Baumaschinen anpassen, unter anderem an Bagger und Radlader. Neben einer Vielzahl an Maschinen- und Betriebsdaten liefert der integrierte Load-Assist beispielsweise in Echtzeit genaue Informationen zum Ladevorgang, übersichtlich aufbereitet auf dem Co-Pilot-Touchscreen in der Kabine. Mit Care-Track lässt sich optional aus der Ferne auf das System zugreifen. Und sind Radlader und Lkw erst einmal miteinander vernetzt, weiß auch direkt der Kipperfahrer, wieviel Tonnen er mit dem letzten Schaufelhub geladen hat. 

Am schwedischen Produktionsstandort in Eskilstuna realisiert Volvo CE derzeit eine Innovationsarena zur Vorführung von elektrischen und autonomen Maschinen. Als Partner ist unter anderem das Telekommunikationsunternehmen Ericsson mit an Bord, maßgeblich in Form eines eigens installierten 5G-Sendemasts. Denn, auch das ist klar: Das eigene Know-how rund um Digitalisierung, Konnektivität und Automatisierung ist für Volvo CE (und alle anderen Hersteller) nur die halbe Miete. Für den zuverlässigen Austausch von Echtzeitdaten wäre in näherer Zukunft ein flächendeckendes 5G-Netz eine wesentliche Voraussetzung. An dieser Stelle ist dann aber auch die Politik gefordert, insbesondere in Deutschland.

Der LM 218 von 1959 war der erste „echte“ Radlader des Herstellers.
Der LM 218 von 1959 war der erste „echte“ Radlader des Herstellers.
Der LM 845 wurde 1970 vorgestellt. Er war der erste knickgelenkte Volvo-Radlader.
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Der L150 kam 1991 auf den Markt und hatte u.a. ein TP-Hubgerüst, das die Vorteile von Z- und Parallelkinematik kombiniert.
Der L150 kam 1991 auf den Markt und hatte u.a. ein TP-Hubgerüst, das die Vorteile von Z- und Parallelkinematik kombiniert.
Die Studie Gryphin wurde auf der bauma 2007 gezeigt. Sie war für einen Hybridantrieb mit elektrischen Radnabenmotoren und Dieselaggregat oder Brennstoffzelle vorgesehen.
Die Studie Gryphin wurde auf der bauma 2007 gezeigt. Sie war für einen Hybridantrieb mit elektrischen Radnabenmotoren und Dieselaggregat oder Brennstoffzelle vorgesehen.
Die Autorin: Sandra Jansen, Marketing & Communications Manager Volvo Construction Equipment.
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