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Archiv 10. Oktober 2016

Worauf sich die Rohstoffindustrie einstellen muss

Mitte Juli ist das neue Landeswassergesetz NRW in Kraft getreten. Der rot-grüne Gesetzgeber verfolgt damit unter anderem das Ziel, die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen wie Kies, Ton, Quarz und Sand sowie von Festgestein wie Kalk in Wasserschutzgebieten zu verbieten.

Seit dem 16. Juli 2016 gilt das neue Landeswassergesetz in Nordrhein-Westfalen [1]. Das Verbot zur Gewinnung von Rohstoffen in Wasserschutzgebieten soll dem Schutz des Wasserhaushalts und der Qualität des Rohwassers dienen. Dies stellt eine Verschärfung gegenüber den bundesrechtlichen Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes und dem bisherigen Landeswassergesetz NRW dar.

Individuelle Ge- und Verbote

Ein Wasserschutzgebiet kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen durch eine Verordnung der örtlich zuständigen Behörde ausgewiesen werden. Der Verordnungsgeber kann dabei bestimmte Ge- und Verbote individuell festlegen, soweit der Schutzzweck es erfordert. Dies war auch nach bisheriger Rechtslage schon möglich. Neu ist nur, dass die Wasserschutzgebietsverordnung jetzt grundsätzlich unbefristet ergeht. Damit wird verhindert, dass die Unterschutzstellung durch Zeitablauf ausläuft. Dies soll der Entlastung der Behörden dienen, die sich aktuell mit einer Vielzahl von auslaufenden Verordnungen konfrontiert sehen. Erstmals vorgesehen ist die sog. Landesverordnung. Das für Umwelt zuständige Ministerium ist ausdrücklich ermächtigt, im Einvernehmen mit den für Wirtschaft, Inneres, Bauen und Verkehr zuständigen Ministerien sowie der Landesplanungsbehörde durch Rechtsverordnung auch Schutzbestimmungen für alle oder mehrere Wasserschutzgebiete zu treffen. Die Landesverordnung soll der landesweiten Vereinheitlichung des materiellen Schutzstandards dienen. Mit ihrem Erlass gelten die Vorgaben der Landesverordnung unmittelbar und treten an Stelle der anhand der Einzelfallumstände und örtlichen Gegebenheiten von der zuständigen Behörde individuell festgesetzten Ge- und Verbote. Der Gesetzgeber hat daher Übergangsregelungen in der Verordnung angeraten, welche die Wirkung der Verbote aus der Landesverordnung gegebenenfalls abmildern könnten. Diese bleiben abzuwarten, wie im Übrigen auch der Erlass der Landesverordnung selbst. Bis zu ihrem Inkrafttreten bleibt es bei der bisher geltenden Rechtlage, wonach in Wasserschutzgebieten Ver- und Gebote individuell festgelegt werden müssen. Von der Landesverordnung kann die behördliche Verordnung außerdem Abweichungen formulieren, die den örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen. Die Reichweite eines Wasserschutzgebiets wird also zukünftig sowohl anhand der Landesverordnung, als auch anhand der behördlichen Verordnung zu bestimmen sein, sofern für das konkrete Gebiet beide erlassen wurden.

An dem Verfahren zur Festsetzung der Wasserschutzgebiete ändert sich nichts. Weiterhin vorgesehen ist die Öffentlichkeitsbeteiligung, die mit einer Präklusionsregelung einhergeht. Das bedeutet, dass Einwendungen gegen das Wasserschutzgebiet, die nicht rechtzeitig innerhalb der Beteiligungsfrist vorgebracht wurden, von einer späteren Geltendmachung ausgeschlossen sind. Dies bedeutet für die Rohstoffwirtschaft, dass von den Beteiligungsmöglichkeiten bei der etwaigen Neuausweisung von Wasserschutzgebieten in der Regel Gebrauch gemacht werden sollte.

Novum: Verbot der Bodenschatzgewinnung

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Die aus Sicht der Rohstoffwirtschaft sicher wichtigste Neuerung ist das generelle Gewinnungsverbot in ausgewiesenen Wasserschutzgebieten (§ 35 Abs. 2 Satz 1 LWG n.F.). Wie sich aus dem gegenüber der ursprünglichen Entwurfsfassung geänderten Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung [2] ergibt, umfasst das Verbot sämtliche Arten von Bodenschätzen. Diese Regelung ist insgesamt auch bundesweit ein Novum. Denn bisher galt immer, dass Verbote oder Einschränkungen zum Schutz des Grundwassers eine Ausnahme darstellen, von der die Behörde nur Gebrauch machen konnte, wenn dies im Rahmen des erforderlichen Schutzes unbedingt nötig war und im Übrigen auch die vom Verbot Betroffenen nicht übermäßig belastete.

Dr. Christian Zeissler, Fachanwalt fr Verwaltungsrecht bei Rechtsanwlte Redeker Sellner DahsFoto: Foto: privat

Jetzt ist das Verbot nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Aber auch hier gilt, keine Regel ohne Ausnahme. Das Gesetz räumt den Behörden die Möglichkeit ein, in einer örtlichen Wasserschutzgebietsverordnung Abweichungen vom gesetzlichen Verbot der oberirdischen Bodenschatzgewinnung zu treffen, wenn und soweit der Schutzzweck das Verbot für einen Teil des Wasserschutzgebiets nicht erfordert. Die Gesetzbegründung präzisiert diese Bedingung für die Abweichung folgendermaßen: Es muss nachgewiesen sein, dass die allgemeinen für das Verbot sprechenden Gründe im Einzelfall nicht vorliegen und es gerechtfertigt ist, von dem Verbot abzuweichen, weil die Gefahr einer nachteiligen Veränderung des Wasserhaushalts und der Wasserbeschaffenheit auf der gesamten Fläche ausgeschlossen werden kann [3]. Laut der Begründung sollen die Abweichungen daher lediglich in der Wasserschutzzone III C, für Trockenabgrabungen in der Wasserschutzzone III B sowie in einer ungeteilten Zone III in Betracht kommen. Letztlich bleibt es aber der wasserschutzfachlichen Beurteilung überlassen, das Vorliegen der Abweichungsvoraussetzung zu prüfen. Zwar stellt die Fassung des in Kraft getretenen LWG gegenüber der ursprünglichen Entwurfsfassung des Gesetzes vom 23. Juni.2015, wonach eine Befreiung nur bei Wasserschutzzonen III C in Betracht kommen sollte, eine deutliche Auflockerung dar.

Dennoch ist das neue LWG aus Sicht der Rohstoffindustrie eine erhebliche Verschärfung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Weiterhin möglich bleiben auch Befreiungen nach dem LWG n.F., das hierzu auf die bisher geltenden Vorschriften des WHG verweist [4]. Danach kann die Behörde eine Befreiung erteilen, wenn der Schutzzweck nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern. „Kann“ bedeutet in diesem Zusammenhang einen gewissen Entscheidungsspielraum der Behörde. Dagegen muss die Behörde nach dem WHG eine Befreiung erteilen, soweit dies zur Vermeidung unzumutbarer Beschränkungen des Eigentums erforderlich ist und hierdurch der Schutzzweck nicht gefährdet wird. Ein Entscheidungsspielraum steht ihr in diesem Fall nicht zu. Angesichts der Verschärfung des Verbots der Bodenschatzgewinnung ist zu erwarten, dass die Befreiungen in der Praxis künftig eine größere Rolle spielen werden.

Übergang und Bestandsschutz

Die gesetzliche Neukonzeption wirft die Frage auf, welche Auswirkungen sich auf bestehende Wasserschutzgebiete und bestehende Rohstoffgewinnungstätigkeiten ergeben. Die bisher festgesetzten Wasserschutzgebiete gelten grundsätzlich fort. Allerdings geht das neu eingeführte allgemeine Gewinnungsverbot weniger weitreichenden Verboten alter Wasserschutzgebietsverordnungen vor. Die Behörde kann jedoch auch bei bestehenden Wasserschutzgebietsverordnungen Abweichungen zulassen.

Keine Geltung entfaltet das Verbot, Bodenschätze abzubauen, in Bereichen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in der Regionalplanung als sogenannte BASB-Bereiche ausgewiesen worden sind (§ 125 Abs. 6 Satz 1 LWG n.F.). Das sind Bereiche, die für die Sicherung und den oberirdischen Abbau von oberflächennahen Bodenschätzen vorgesehen sind, wobei dem Bodenschatzabbau gegenüber anderen möglichen Nutzungen an dieser Stelle Vorrang eingeräumt wird, während er an anderer Stelle außerhalb dieses Bereichs ausgeschlossen wird (sogenannte Vorranggebiete mit Wirkung von Eignungsgebieten nach dem Raumordnungsrecht). Für die künftige Regionalplanung bedeutet das Bodenschatzgewinnungsverbot allerdings, dass in ausgewiesenen Wasserschutzgebieten eine Tabuzone für den Plangeber entsteht, die für die Bodenschatzgewinnung grundsätzlich nicht zur Verfügung steht. Eine Ausnahme könnte bei der Planung nur dann gemacht werden, wenn sich absehen lässt, dass in einem bestimmten Bereich von vornherein eine Abweichungs- oder Befreiungsmöglichkeit nach dem LWG bzw. dem WHG in Betracht kommt.

Für die Praxis enorm wichtig ist auch, dass bereits vor Inkrafttreten des neuen LWG erteilte Genehmigungen für den oberirdischen Abbau von Bodenschätzen dem neuen Abbauverbot nicht unterfallen (§ 125 Abs. 6 Satz 2 LWG). Sie genießen Bestandsschutz und gelten zunächst einmal uneingeschränkt weiter.

Fazit

Insgesamt begegnet das neue Landeswassergesetz im Hinblick auf die Erforderlichkeit eines weitgehenden Abbauverbots erheblichen Bedenken, zumal es auch auf der Grundlage des bisherigen Rechts gelungen ist, dem Schutz der Wasserqualität Rechnung zu tragen. Das neue LWG bringt für die Rohstoffindustrie neue rechtliche Hürden, die sich in Zukunft nur durch die Ausnutzung der engen Ausnahmemöglichkeiten werden überwinden lassen. Insgesamt werden die Spielräume innerhalb von Wasserschutzgebieten weiter eingeengt. (Dr. Christian Zeissler)

[4] § 35 Abs. 2 Satz 3 LWG n.F. i. V. m. § 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 WHG.

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