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Archiv 1. Dezember 2015

Interview: Dr. Leemann über Betonkrebs

Dr. Andreas Leeman kennt den Auslöser der Betonkrankheit. Gemeinsam mit einer Forschergruppe aus der der Schweiz ist es ihm gelungen, die Ursache der weltweit auftretenden Schäden an Betonbauwerken genauer zu identifizieren. Wir haben ihn zu seiner Entdeckung befragt.

Dr. Andreas Leemann, Geologe und Forscher an der Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology (Empa)
Dr. Andreas Leemann, Geologe und Forscher an der Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology (Empa)
So sieht der beltter aus: Das Bild zeigt deutlich die lagige Struktur des Kristalls in einem AKR-geschdigten Beton.Foto: Foto: Dr. Andreas Leeman/Empa

In der Zusammenarbeit mit Forschenden des Paul Scherrer Instituts (PSI) war der Geologe Dr. Andreas Leemann von der Empa (Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology ) maßgeblich an den Forschungsarbeiten zur Aufklärung der Ursache des Betonkrebses beteiligt.

Herr Dr. Leemann, was ist das Neue an Ihren Erkenntnissen zur AKR gegenüber den bisherigen Forschungsergebnissen?

Dr. Andreas Leemann: Wir haben uns gefragt, was das genau für ein Produkt ist, das aufgrund der Alkali-Kieselsäure-Reaktion entsteht und zu Schäden im Beton führt. In der Literatur ist bisher meistens nur von einem Gel, also einer amorphen Substanz, die Rede. Nach unseren Beobachtungen ist das Gel jedoch nur am Rand der Gesteinskörnung anzutreffen. Dort aber, wo der Druck generiert wird, der schlussendlich zu den Rissen im Beton führt, nämlich im der Gesteinskorn, fanden wir ein anderes Produkt. Unser Ziel war es, diese Substanz zu charakterisieren, was uns durch die mehrtägige Analyse des Materials mit einem Synchrotron (Ring-Teilchen-Beschleuniger/Anm. der Red.) gelungen ist. Die Proben-Präparation war sehr schwierig, ich habe Wochen gebraucht, um solch kleine Mengen aus den winzigen Rissen zu extrahieren.

Sie fanden also etwas anderes als ein Gel...

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Dr. Andreas Leemann: Richtig. Es handelt sich in Wirklichkeit um eine kristalline Substanz, die eine Schichtstruktur hat, die durch Feuchtigkeitsschwankungen ihr Volumen vergrößern kann. Sie ist aufgrund ihres schichtigen Aufbaus den Tonmineralien sehr ähnlich.

Ist anhand dieser Erkenntnis ein möglicher "Impfstoff" gegen Betonkrebs denkbar?

Dr. Andreas Leemann: Wegen der Ähnlichkeit zu den Tonmineralien, die ja extrem stark quellen können, wäre die Entwicklung eine Zusatzmittels denkbar, das bei der Betonherstellung zu dosiert werden könnte, um das Quellen der kristallinen Substanz zu unterdrücken. Das Mittel könnte man sich bei der Erdölexploration abschauen, wo den Bohrschlämmen ja auch gewisse Salze oder Organika zu gegeben werden, die das Quellen von durchbohrten Tonschichten verhindern. Organika hätten meines Erachtens das Potential, auf gleiche Weise im Beton zu wirken. Dabei sind jedoch noch viele Fragen offen, beispielsweise ob ein solches Mittel die Hydratation des Zementes beeinflusst, wie es sich auf die Festigkeit auswirkt und ob es seine Wirkung über die Jahre verliert. Selbst wenn man auf all diese Frage eine positive Antwort fände, so würde es noch Jahrzehnte dauern, bis es ein solcher Stoff zur Marktreife brächte.

Das Kristall als Fllung in einem Riss in einem Gesteinskorn von AKR-geschdigtem Beton.Foto: Foto: Dr. Andreas Leemann/Empa

Zur Entschärfung von AKR wird heute der Alkaligehalt im Beton durch Zugabe von zum Beispiel Flugasche reduziert. Wo lägen die Vorteile des Zusatzmittels?

Dr. Andreas Leemann: Es ist richtig, dass Flugasche oder Hochofenschlacke zur Reduzierung des Alkaligehalts und damit auch zur Entschärfung der AKR-Problematik eingesetzt werden. Das noch zu entwickelnde, mögliche Zusatzmittel könnte unabhängig vom Zementgehalt zu dosiert werden. Auch könnten wieder reaktive Gesteine eingesetzt werden, die momentan vom Betonmarkt ausgeschlossen werden. Mit Flugasche hergestellte Betone erreichen langsamer ihre Festigkeit als konventionell hergestellte Betone. Bei eiligen Bauvorhaben hätte ein Zusatzmittel also auch gewisse Vorteile. Zudem sind Flugasche und Hochofenschlacke nicht immer und überall verfügbar, sodass man eine gewisse Unabhängigkeit von diesen Stoffen erreichen würde.

Neben zahlreichen Brücken sind bis zu 20 Prozent der Staumauern in der Schweiz aufgrund von AKR geschädigt. Hat das mit der Geologie in der Schweiz zu tun?

Dr. Andreas Leemann: Mit unseren heimischen Gesteinen haben wir Glück und Pech zugleich. Glück insofern, als dass wir keine schnellreagierenden Mineralien haben. Es dauert etwa zwei Jahrzehnte, bis sich erste Schäden am Beton zeigen. Pech haben wir vor dem Hintergrund, dass fast alle unsere Gesteine reaktiv sind, zwar langsam, aber sicher. In zwei Schweizer Staumauern mussten bereits Fugen eingesägt werden, um den durch AKR ausgelösten Druck zur reduzieren, eine kleiner Mauer wurde abgebaut. Bei vielen Brücken zeigen sich Bewehrungskorrosionen, die ebenfalls auf AKR zurückzuführen sind, da über die Risse Chloride und Feuchtigkeit eindringen. AKR ist allerdings ein weltweites Problem.

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