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Archiv 1. Juni 2017

John Deere kauft Wirtgen Group

Das ist ein Paukenschlag, der bei allen Beteiligten viele Emotionen freisetzt: Die Wirtgen-Brüder verkaufen ihre Unternehmens-Gruppe an Deere & Company, besser bekannt als John Deere. Vorbehaltlich der Zustimmung verschiedener Landes-Kartellbehörden, wird der Deal voraussichtlich Ende 2017 abgeschlossen sein. Zum Verkaufspreis wurden auf Nachfrage keine Angaben gemacht. Unterschiedliche Quellen sprechen von rund 4,5 Mrd. Euro.

Stefan (l.) und Jrgen Wirtgen auf ihrem Stand auf der Bauma 2016.
Stefan (l.) und Jrgen Wirtgen auf ihrem Stand auf der Bauma 2016.

Die Wirtgen-Gruppe setzt sich zusammen aus den traditionsreichen Marken Wirtgen, Vögele, Hamm, Kleemann und Benninghoven. Als Grund für den Verkauf nennen die Inhaber, die Brüder Stefan und Jürgen Wirtgen, die Zukunftssicherung der Gruppe sowie den langfristigen Schutz der Arbeitsplätze der rund 8.000 Mitarbeiter. Zwanzig Jahre haben die Beiden nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters das Unternehmen geführt und werden den Übergang noch voraussichtlich bis zum Jahresende begleiten. Dann wollen sie die Verantwortung in die Hände des aktuellen „Management-Teams, bestehend aus Rainer Otto, Dr. Günter Hähn und Frank Betzelt, übergeben. Unter der Leitung von Domenic Ruccolo von John Deere werden sie die Wirtgen Group weiterführen“, so das Statement von Martin Heitz, Leiter Marketing der Gruppe, auf Nachfrage. Weiter betont Heitz, dass „die bestehenden Marken, das Management, die Produktionsstandorte, die Mitarbeiter sowie das Vertriebs- und Servicenetzt der Wirtgen Group erhalten bleiben.“

In einem Interview der Sonderausgabe der hauseigenen Kunden- und Mitarbeiterzeitung „Forum“ erläutern die geschäftsführenden Gesellschafter Stefan und Jürgen Wirtgen, was sie bewogen hat, an John Deere zu verkaufen: „Als Inhaber eines Unternehmens muss man sich irgendwann der Frage stellen, wie es nach der eigenen aktiven Zeit weitergeht. Immerhin stehen wir in der Verantwortung unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber. Unsere Kinder sind einfach noch zu jung. Bis einer der beiden alt genug ist, um verantwortungsvoll die Geschäftsführung zu übernehmen, sind wir beide mindestens 75. Da muss man einfach erkennen, dass das unrealistisch ist.“

Auch die Entscheidung für John Deere ist nicht zufällig. Bereits seit einem Jahr reifte die Entscheidung für den Forst-, Land- und Baumaschinenhersteller. „Letztendlich sind wir aber zu dem Schluss gekommen, dass es für die Wirtgen Group am besten ist, wenn es einen stabilen Gesellschafter gibt, der aus dem Geschäft kommt, die Mitarbeiter- und Kundenbedürfnisse versteht und zu 100% am langfristigen Erfolg des Unternehmens interessiert ist“, heißt es im Interview. Zudem hat der neue Eigentümer eine mehrjährige Arbeitsplatzgarantie für alle Beschäftigten der Gruppe fest zugesichert und teilt nach Einschätzung der Wirtgen-Brüder die kulturellen Werte von Wirtgen und hat eine „ähnliche Unternehmensphilosophie“.

Die Wirtgen Group deckt mit ihren fünf Premiummarken den gesamten Prozesskreislauf im Straßenbau ab – Aufbereiten, Mischen, Einbauen, Verdichten und wieder Sanieren. Weltweit vertreibt die Wirtgen Group ihre Produkte in mehr als 100 Ländern. Die Gruppe ist bärenstark aufgestellt. „Die Werke unserer fünf Produktmarken laufen auf Hochtouren, die Auftragsbestände liegen 58% über dem Vorjahresniveau. Nach dem Rekordjahr 2016, in dem wir 2,59 Mrd. Euro erwirtschaftet haben, bewegen wir uns jetzt zielstrebig auf die Umsatz-Marke von 3 Mrd. Euro zu“, so Jürgen und Stefan Wirtgen im Editorial von „Forum“.

„Die einzigartige Marktposition, die langjährigen Kundenbeziehungen sowie die hohe Wertschöpfung machen die Wirtgen Group für John Deere besonders interessant. Gerade vor der strategischen Zielsetzung, dass Deere seine Position im Geschäftsbereich Construction amp; Forestry ausbaut. Denn durch die Akquisition der Wirtgen Group erreichen wir mehr Kunden, Märkte und Regionen“, so Samuel R. Allen, Chairman und CEO von Deere amp; Company.

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Max Guinn, President des Geschäftsbereichs Construction amp; Forestry bei John Deere, erläutert: „Die Wirtgen Group stärkt unsere Position in der Baumaschinenbranche, steigert unsere Fähigkeit, Kunden auf der ganzen Welt zu betreuen und verbessert unsere Wettbewerbsposition durch die Ergänzung unseres Angebotes um marktführende Produkte.“

Laut Guinn sind die Ausgaben für Projekte in den Bereichen Straßenbau und Verkehr schneller gewachsen als die Baubranche insgesamt und tendenziell weniger zyklisch. Ergänzend fügt er hinzu, dass sich weltweit ein Bewusstsein dafür entwickelt hat, dass den Verbesserungen in die Infrastruktur Priorität eingeräumt werden muss und in diesem Zusammenhang vor allem der Neubau sowie die Instandsetzung von Straßen und Autobahnen entscheidend sind.

Volker Müller

Ergänzung am 3. Juni von Maike Sutor-Fiedler

Wie sich das Baumaschinenportfolio der beiden Unternehmen ergnztFoto: Abbildung: John Deere

Das Produktportfolio von Wirtgen erweitert das bestehende Baumaschinenprogramm von Deere und ermöglicht dem Unternehmen nach eigenen Angaben Branchenführer bei Straßenbaumaschinen weltweit zu werden.

Bisher ist der Weltmarktführer bei Landtechnik im Baubereich nur mit Maschinen für die Erdbewegung vertreten: mit Dozern, Gradern, Radladern und Baggern. Zur Marke Deere gehört auch die Motorenproduktion. Der Anteil des Baumaschinengeschäftes an der Gesamtproduktion soll mit der Akquisition von Wirtgen von derzeit 21 auf 30 % steigen.

In der Liste der größten Unternehmen in den Vereinigten Staaten rangiert John Deere auf Platz 71, direkt hinter McDonalds und Google.

Der Kaufpreis für das Eigenkapital beträgt laut offizieller Meldung von John Deere 4,357 Mrd. Euro im All-Cash-Geschäft. Der gesamte Transaktionswert beläuft sich auf rund 4,6 Mrd. Euro (5,2 Mrd. USD auf Basis der aktuellen Wechselkurse), einschließlich der Annahme von Nettoverschuldung und sonstiger Gegenleistung.

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