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Veranstaltung

Pflasterwissen auf den Punkt gebracht

Netzwerken, Wissen aufnehmen, neue Systemlösungen kennenlernen – auch die 8. Deutschen Pflastertage, die am 29. und 30. März 2022 im Hotel Esperanto in Fulda stattfanden, haben dem Ruf des Fachkongresses als ein Leitevent der Pflasterbranche wieder alle Ehre gemacht.

Die 8. Deutschen Pflastertage waren auch in diesem Jahr wieder der bundesweite Treffpunkt für all diejenigen, die die Pflasterbauweise insbesondere im kommunalen Straßenbau beherrschen und anwenden.

Mit einer erfreulichen Nachricht für die Branche begrüßte Dipl.-Ing. Sebastian Geruschka, Geschäftsführer des Straßen- und Tiefbaugewerbes im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), die anwesenden rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Nach etwas über zwei Jahren Wartezeit hat die Kulturministerkonferenz am 9. März in Lübeck beschlossen, das Pflasterer- und Steinsetzerhandwerk als Beispiel guter Praxis in die Liste Immaterielles Kulturerbe in Deutschland der UNESCO aufzunehmen“, so Geruschka in seiner Anmoderation. Mit diesem Schritt erfahre das Bauwesen und im Speziellen der Straßenbau und die Pflasterbauweise eine Wertschätzung jenseits der üblichen technischen und funktionalen Betrachtungsweise, so Geruschka.

Die Pflastertage sind der bundesweite Treffpunkt für all diejenigen, die die Pflasterbauweise insbesondere auch im kommunalen Straßenbau beherrschen und anwenden. Der bewährten Tradition des Veranstaltungskonzepts folgend, war auch die achte Auflage der zweitägigen Kongressveranstaltung auf eine praxisnahe Darstellung von Fachthemen und auf das dazugehörige Regelwerk rund um den Pflasterstraßenbau ausgelegt. Zehn auf aktuelle Aspekte der Bauweise abgestimmte Themen bildeten den inhaltlichen Rahmen der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung. Erstmalig wurden die Fachreferate in diesem Jahr durch fünf kurze Industrievorträge ergänzt, bei denen nutzwertige Produkt- und Systemlösungen im Zentrum der inhaltlichen Ausführungen standen. Und last but not least komplettierten die begleitende Fachausstellung und die Wanderausstellung "Pflasterhandwerk - Zunft mit Zukunft" das hohe Informationsniveau der vom ZDB organisierten und durchgeführten Veranstaltung.

Ein Blick auf das aktuelle Regelwerk

„Gibt es Neues von den ZTV und TL Pflaster?“ so der Titel des Vortrags von Prof. Dr.-Ing. Holger Lorenzl, Technische Hochschule Lübeck. „Auf Verkehrsflächen sind bekanntlich die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien zur Herstellung von Verkehrsflächen mit Pflasterdecken, Plattenbelägen sowie von Einfassungen in Verbindung mit den TL Pflaster-StB anzuwenden“, so Prof. Lorenzl. Während in der aktuellen Version der ZTV Pflaster in erster Linie kleinere redaktionelle Änderungen unter anderem in Bezug auf Begriffsbestimmungen, Pflasterdicken, die Dicke von Bettungen oder Fugenbreiten umgesetzt worden seien, stünden nun für eine Bearbeitung der TL Pflaster grundlegende Modifikationen auf der Agenda. „Hier wird es nicht nur um neue Prüfverfahren gehen, sondern auch um neue Lieferkörnungen, das Material für standfeste Bankette, taktile Elemente sowie um andere Anforderungen an Gesteine als solche, die bislang in der TL Gestein beschrieben wurden und vieles mehr“, erläuterte Lorenzl. „An dieser Stelle tut sich einiges, wir dürfen gespannt sein“, so sein Ausblick.

Eine Frage der Qualität

„Natursteinpflaster gehören zu den wertvollsten Straßenbelägen überhaupt“, darauf wies Dipl.-Ing. Rüdiger Singbeil in seinem Vortrag „Die Qualität im Natursteinpflaster-Gewerk – von der Planung bis zur Abnahme“ hin. Die Langlebigkeit, Funktionalität und das optische Erscheinungsbild einer Pflasterfläche hängen aber sehr wesentlich von einer nachhaltigen Qualitätsorientierung in Planung und Bauausführung sowie von der Qualifikation des eingesetzten Personals ab, so Singbeil. „Moderne Bauweisen, etwa im Zuge der Herstellung oder Wiederherstellung von Oberflächen nach dem Einzug von Glasfasernetzen, können zu massiven Schadensbildern führen.“ Nur gut geschultes Fachpersonal, das auf der Basis qualitätsorientierter Rahmenlehrpläne ausgebildet werde, könne dazu beitragen, dass technische und wirtschaftliche Schäden vermieden würden.

Neufassung des Merkblattes M BEP

Die „Neufassung des Merkblatts M BEP zur Baulichen Erhaltung von Pflasterdecken, Platten und Großformatbelägen sowie Einfassungen“ war Gegenstand des Fachvortrags von Prof. Dr.-Ing. Martin Köhler, Technische Hochschule Ostwestfalen Lippe. „Im Rahmen einer Überarbeitung wurde das im Jahr 2016 erschienene Merkblatt für die Bauliche Erhaltung von Verkehrsflächen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen (M BEP) aktuell um Pflasterdecken und Plattenbeläge in gebundener Ausführung sowie Großformatbeläge erweitert“, erläuterte Professor Köhler in seinem Fachvortrag. Die gebundene Ausführung sei im Jahr 2019 in die Neufassung der ATV DIN 18318 integriert worden. Zudem sei hierfür das Merkblatt für Flächenbefestigungen mit Pflasterdecken und Plattenbelägen in gebundener Ausführung (M FPgeb) erarbeitet worden. „Die in Kürze erscheinende Ausgabe 2022 des M BEP beinhaltet nun einerseits Hinweise zur Durchführung der Zustandserfassung auf Fahrbahnen und Nebenflächen sowie andererseits Empfehlungen zur Auswahl und Durchführung geeigneter Erhaltungsmaßnahmen im Rahmen der Erhaltungsplanung“, so Köhler. Zudem werde an Hand vieler Beispiele die Art und Ursachen von Schäden und technischen Mängeln dargestellt und die zu ergreifenden Maßnahmen daraus abgeleitet.

Schwachstellen eliminieren

LTR – das steht für lärmreduziert, tausalzbeständig und rutschoptimiert. „Raumplaner berichten oft von negativen Erfahrungen im Pflasterbau“, so der Ausgangspunkt von Dipl.-Ing (FH) Bernd Burgetsmeier in seinem Fachvortrag zur LTR-Verlegung. Hier ginge es bei der der negativen Wahrnehmung um hohe Abrollgeräusche, eine starke Abwitterung durch Salzeinfluss, eine fehlende Rutschfestigkeit sowie um Schmutzempfindlichkeit und einen erhöhten Reinigungsaufwand. Für alle Spiegelstriche dieser Vorbehalte böte eine LTR-Verlegung ein hohes Lösungspotenzial. „Die LTR-Verlegung erfolgt zunächst wie eine klassische gebundene Pflasterbauweise, jedoch mit glatten, gesägten oder ungestrahlten Steinen. Danach werden die Fugen klassisch eingeschlämmt, aber nicht abgewaschen“, so Burgetsmeier. Eine Fugenvertiefung entfalle somit komplett und die Frost-/Tausalzbeständigkeit des Fugenmörtels werde drastisch erhöht. „Die LTR-Verlegung entspricht allen gängigen Regelwerken, es handelt sich somit nicht um eine Sonderbauweise, aber sie beseitigt wesentliche Schwachstellen und übertrifft dadurch eine Vielzahl normativer Vorgaben“, lautet das Fazit des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Straßenbau, Fachbereich Pflasterbau.

Mit Blick auf das Große

Einen detaillierten Blick auf das „Merkblatt für Flächenbefestigungen mit Großformaten, Ausgabe 2022“ warf Dipl.-Ing. Dietmar Ulonska, Betonverband Straße, Landschaft, Garten e. V. In seinem Referat konzentrierte sich Ulonska im Wesentlichen auf alle hier aufgeführten Angaben und Modifikationen in Hinblick auf den Geltungsbereich des M FG, auf Oberbauvarianten, den Untergrund sowie auf die Dimensionierung von Tragschichten, Bettung, Fugen, die Verdichtung sowie auf alle anderen im Zusammenhang mit der Verwendung von Großformaten relevanten Details. Entscheidend aber sei es, betonte Ulonska, den Blick immer auf den Gesamtkontext aller Regelwerke zu richten, da diese sich an entscheidender Stellen ergänzen.

In Bewegung bleiben?

Bei dem mit Spannung erwarteten Vortrag von Jörn Dahnke, Gesellschaft für technische Kunststoffe, ging es um das Thema „Bewegungsfugen – kann oder muss?“ „Das gesamte Thema Bewegungsfugen muss im Gesamtkontext von Bauphysik, Regelwerk, Baustellenpraxis und Kundenerwartungen betrachtet werden“, erläuterte Dahnke. Rissbildung sei ein Thema, das nicht zuletzt auch infolge des Klimawandels hierzulande an Häufigkeit zunähme. Auch vor diesem Hintergrund werde die Notwendigkeit und das Leistungspotenzial von Bewegungsfugen fortwährend intensiv diskutiert. Aber nicht nur die Einbautemperatur müsse in der Bauausführung berücksichtigt werden, sondern gleichermaßen Formatgrößen und Verlegemuster. „Die Dimensionierung der Bewegungsfuge ist eine planerische Leistung“, so Dahnke. „Bestandteile einer sorgfältigen Planung sind sowohl die Formatgrößen, die Art des Belagmaterials, Einbautemperatur und Verlegemuster als auch die Exposition der Belagsfläche sowie die Art der Bauweise, des Fugenmaterials und die Anzahl und Breite der Fugen innerhalb der Belagsfläche“, so Dahnke.

Prüfungen in der gebundenen Bauweise

Die aktuellen Änderungen der Prüfungen von Baustoffen in der gebundenen Bauweise in der neuen TP Pflaster waren Gegenstand des Vortrags von Dr. Karl-Uwe Voß, MPVA Materialprüfungs- und Versuchsanstalt, Neuwied. „Mit Blick auf den Bettungsmörtel basiert das bisherige Regelwerk auf Prüfverfahren, die nicht für haufwerksporige Mörtel vorgesehen sind“, benannte Voß einen zentralen Grund für die Überarbeitung des Regelwerks an dieser Stelle. Da bislang weder die Herstellung der Probekörper, noch die Mörtelverdichtung genau im Regelwerk beschrieben seien und einige Prüfverfahren wesentliche Besonderheiten der Baustoffe nicht in ausreichendem Maße berücksichtigten, kämen unterschiedliche Prüfinstitute zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Auch beim Fugenmörtel sei bislang die Vorgehensweise bei der Probekörperherstellung nicht genau beschrieben. Weitere Details zu Modifikationen bei der Herstellung und Lagerung von Bettungs- und Fugenmörtel, zur Untersuchung der Druck- und Biegezugfestigkeit beider Baustoffe sowie zur Haftzugfestigkeit und zum Frost-Tausalz-Widerstand waren Gegenstand der Ausführungen von Voß. Über die Kenntnis der Prüfbedingungen hinaus sei es für die Bauausführung aber grundsätzlich entscheidend – so der Baustoffexperte –, dass das Gesamtsystem aufeinander abgestimmt sei und dass die Stein- und Mörtelkombination zueinander passe.

Dies war auch ein wesentliches Fazit von Alexander Eichler, Lithonplus GmbH & Co. KG. Ein Kerngedanke seines Vortrags „Fugen- und Bettungsmaterialien – Eine Betrachtung des Unscheinbaren“ zielte gleichermaßen darauf ab, dass Fugen-, Bettungsmaterialien und Pflaster im Gesamtkontext zu betrachten seien. „Wir müssen systemisch denken“, so Eichlers Aufforderung. Mit Blick auf konkrete Projekte skizzierte der Baustoffexperte unter anderem eine falsche Auswahl von Materialien und eine daraus folgende mangelnde Filterstabilität mit abnehmender Wasserdurchlässigkeit als Ursachen von Schäden an Pflasterflächen.

Sein Handwerk verstehen

„Die fehlende Kenntnis der heutigen Fachwelt hat dazu geführt, dass das Wissen um die ursprüngliche Versetz-Technik von Natursteinpflaster sukzessive verlorengeht“, so ein massiver Kritikpunkt von Robert Sikorski, Steinkunst-Sikorski & Partner, in seinem Vortrag „Fachlich korrektes Versetzen von spaltrauem und gebrauchtem (historischem?) Natursteinpflaster“. Deshalb käme es immer häufiger zu baulichen Problemen bei der Ausführung von Naturpflasterarbeiten (Spaltpflaster) im öffentlichen Raum. In seinen beherzten Ausführungen beschrieb der Pflasterprofi wesentliche Grundsätze des Handwerks und wies mit Nachdruck darauf hin, dass technisches Wissen und Erfahrung sowie ein Höchstmaß an Genauigkeit basale Bausteine für die Herstellung langlebiger, ästhetisch anspruchsvoller und ökologisch nachhaltiger Flächenbefestigungen seien.

Gibt es fiktive Mängelbeseitigungskosten?

Eine interessante juristische und technische Fragestellung bildete den Schlusspunkt des zweiten Veranstaltungstages. Seinen Vortrag „Minderwertberechnung und Minderungberechnung – Aufgaben des Sachverständigen und des Gerichts“ widmete Prof. Dr. Gerd Motzke, Richter a.D. der Ausdifferenzierung der Termini „Minderung“ und „Minderwert“ und der in diesem Zusammenhang relevanten Fragestellung nach der Existenz von fiktiven Mangelbeseitigungskosten. Während die Ermittlung eines mangelbedingten Minderwerts eine von einem Sachverständigen durchzuführende technische Aufgabe sei, sei die Festlegung einer tatsächlichen Minderung – bezogen auf den Preis – die Aufgabe eines Gerichts. Doch gibt es fiktive Mängelbeseitigungskosten oder müsse derjenige, der mit einem Mangel lebe, akzeptieren, dass er solche fiktiven Kosten nicht als Ausgleich erwarten könne, so die Fragestellung, die auch im Plenum intensiv diskutiert wurde. „Beim Minderwert und bei der Minderung ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen“, so das Abschussstatement des Juristen mit Blick auf viele für individuelle Bausituationen relevante Details.

Aus der Praxis

Auch die Premiere der fünf kurzen Industrievorträge brachte interessante Erkenntnisse zu Aspekten eines nachhaltigen Regenwassermanagements, zum qualitätsorientierten Pflasterrütteln, zur effizienten Verfüllung von Pflasterfugen sowie zur teilgebundenen Verlegung und zum fachgerechten Anschluss von Pflasterdecken an Entwässerungsrinnen. „Die vielen positiven Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben uns sehr deutlich gezeigt, dass es uns mit der achten Auflage unserer Veranstaltung wieder, vielleicht sogar noch besser gelungen ist, das Informationsbedürfnis der hier anwesenden Fachleute, Vertreter der öffentlichen Hand und aus den Ingenieurbüros optimal zu bedienen“, so Geruschkas zufriedenes Fazit nach der Veranstaltung. „Gerade auch die Ergänzung unserer bewährten Programmgeometrie um kurze Einspieler innovativer und markterprobter Systemlösungen ist im Plenum sehr gut angekommen.“ Und neben den vielfältigen Möglichkeiten der Kommunikation mit dem Fachpublikum in den dafür vorgesehenen Pausen, war auch der traditionelle Netzwerkabend wieder eine Punktlandung für die Weitergabe von detailliertem Fachwissen und zum fachlichen Dialog der Pflasterprofis in lockerer Atmosphäre. All dies schürt schon die Vorfreude auf die 9. Deutschen Pflastertage, die am 21. Und 22.Februar 2024 natürlich wieder in Fulda stattfinden.

Die begleitende Fachausstellung – ein wesentlicher Informations- und Kommunikationsbaustein der Veranstaltung.

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