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Archiv 2. Juli 2017

Routine kann tödliche Folgen haben

Das Thema Arbeitsschutz und -sicherheit stellt nach wie vor eine ganz große Herausforderung dar - vor allem im Bereich der industriellen Rohstoffe. Trotz vieler Sicherheitsmaßnahmen der Arbeitgeber sowie der Berufsgenossenschaften gilt es, die Arbeitnehmer stets aufs Neue mitzunehmen.

Seit 14 Jahren Partner in Sachen Arbeitsschutz und -sicherheit: Ulrich Kretschmer von der BG-RCI und Unternehmensinhaber Michael Schicker (r.).
Seit 14 Jahren Partner in Sachen Arbeitsschutz und -sicherheit: Ulrich Kretschmer von der BG-RCI und Unternehmensinhaber Michael Schicker (r.).

Auf dem Natursteintag 2017 des Bayerischen Industrieverbands Baustoffe, Steine und Erden (BIV) wies Ulrich Kretschmer von der Berufsgenossenschaft (BG) Rohstoffe und chemische Industrie (RCI) darauf hin, dass 90 % aller Arbeitsunfälle auf (organisatorische) Verhaltensfehler begründet sind und nur 10 % auf Maschinendefekten beruhen. Die meisten Unfälle werden also nach wie vor durch menschliches Fehlverhalten verursacht. In seinem Vortrag über Arbeitsschutz und -sicherheit mit dem Titel: „Ausgewählte Präventionsaktionen der BG-RCI“ ging Kretschmer zunächst näher auf Statistiken ein. So musste die BG-RCI im Zeitraum von 2004 bis 2015 leider 303 getötete Versicherte registrieren. Davon entfielen 124 auf den Industriezweig Chemie und immerhin 121 auf die Branche Baustoffe, Steine und Erden. In der Chemieindustrie gibt es über 1,1 Mio. Beschäftigte, in der Rohstoffbranche sind lediglich rund 130.000 Mitarbeiter tätig. Somit sind die zigtausend Beschäftigten in Kies- und Sandgruben sowie in Steinbrüchen sehr stark gefährdet, einen Arbeitsunfall mit tödlichem Ausgang zu erleiden. Bei den restlichen Branchen der RCI führt der Bergbau mit 33 tödlichen Unfällen weit vor der Papierindustrie (18), der Leder- (6) sowie der Zuckerindustrie (1).

Tödliche Routine

Besonders kritisch ist der Alterszeitraum 45 bis 49 Jahre. In diesem Alter fühlen sich viele Beschäftigte als sehr erfahren und arbeiten oft unter dem Motto: „Mir kann – ob meiner umfassenden Erfahrung - schon nichts mehr passieren“. Dies gilt vor allem im Umgang mit Fahrzeugen und Produktionsmaschinen. Erst an dritter sowie an vierter Stelle sind Abstürze sowie fallende, umkippende oder herumfliegende Gegenstände als besonders kritisch zu bezeichnen. Kretschmer wies in diesem Zusammenhang auf typische Unfälle hin. So befuhr ein Mitarbeiter mit seinem Skw regelmäßig eine Vorratshalde in einer Höhe von rund 8 m. Beim Rückwärtsfahren bis zum aufgeschütteten Wall, der gut 5 m vor der Haldenkante lag, stürzte der Skw ab und begrub den Fahrer unter sich. Bei der Unfallanalyse ergab sich, dass zu viel Material am Haldenfuß entnommen wurde, so dass die Böschung nachgab.

Ein schwerer Unfall ereignete sich beim Wechsel einer Baggerschaufel. Obwohl das Schnellwechselsystem über eine optische und akustische Anzeige verfügte, wurde das mangelhafte Einrasten der beiden hydraulisch betätigten Verschlussbolzen wohl nicht registriert, so dass die 700 kg schwere Baggerschaufel einen Mitarbeiter am Kopf traf und er trotz Notarzteinsatz noch an der Unfallstelle verstarb. Dass selbst anscheinend banale Tätigkeiten tödlich enden können, verdeutlicht der Unfall eines Auszubildenden. Er sollte die diversen Schmierstellen eines Baggers mit einer Handfettpresse abschmieren. Plötzlich ergoss sich ein Fettschwall auf das Gesicht des jungen Mitarbeiters und er erstickte daran. Unfallursache war ein verstopfter Schmiernippel aufgrund einer falsch herum eingebauten Wellendichtring.

38 % aller Unfälle entstehen durch sicherheitswidriges Verhalten trotz ausreichender betrieblicher Vorgaben, immerhin 18 % aufgrund von nicht eingesetzten / nicht getragenen persönlichen Schutzausrüstungen (PSA), sogar 15 % durch bewusste Umgehung von Sicherheitseinrichtungen sowie 14 % durch nicht bestimmungsgemäße Verwendung von Betriebsmitteln.

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Vision „Zero“

Die Vision „Zero“, also keinerlei Arbeitsunfälle, streben die BG-RCI und ihre Mitglieder an. Bis 2024 will man die Quote der meldepflichtigen Arbeitsunfälle um 30 % senken, die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitsrenten um 50 % reduzieren und die Anzahl der tödlichen Arbeitsunfälle halbieren. Das Gütesiegel „Sicher mit System“ soll die Unternehmen der Rohstoffbranche helfen, sehr viel sicherer zu arbeiten. In Zusammenarbeit mit Experten der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie wird für jedes einzelne Unternehmen ein individuelles Konzept für mehr Sicherheit im Betrieb erarbeitet. Dreh- und Angelpunkt ist der Unternehmer selbst, denn wenn er nicht will, funktioniert mehr Sicherheit nicht. Als ein sehr wichtiges Glied gilt auch der Sicherheitsbeauftragte des Unternehmens, denn er kennt die kritischen Stellen im Unternehmen meist am besten und steht in der Regel seinen Arbeitskollegen mit Rat und Tat zur Seite.

Auf dem Natursteintag lobte Ulrich Kretschmer ausdrücklich die Unternehmensgruppe Hartsteinwerke Schicker, Bad Berneck, für ihren vorbildlichen Einsatz in Bezug auf Arbeitsschutz und -sicherheit. Das Unternehmen kann seit 14 Jahren das Gütesiegel „Sicher mit System“ vorweisen. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn nur rund 15 % aller rohstoffgewinnenden und -verarbeitenden Unternehmen in Bayern können sich mit dem Gütesiegel schmücken.

Damit dies künftig mehr werden, wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Zusammenarbeit mit der BG-RCI die sehr gut aufbereitete und leicht verständliche Broschüre „DGUV Regel 113-601 – Branche Gewinnung und Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen“ neu geschaffen. Sie liegt bei allen BG und den Unfallversicherungen bereit. Unfälle zu minimieren stellt auch eine Kostenreduzierung dar und die Mitarbeiter werden es letztlich zu schätzen wissen, wenn man sie aufs Neue zu mehr Arbeitsschutz und -sicherheit mitnimmt.

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