Direkt zum Inhalt

Schlechte Straßen – gut gebaut

Gibt es Menschen, die schlechte Straßen bauen möchten? Ja, und es sind gar nicht so wenige. Man findet sie bei Pkw- und Lkw-Herstellern, aber auch dort, wo Reifen, Fahrwerkskomponenten oder Fahrzeugsteuerungen entwickelt werden. Dazu benötigt man u.a. möglichst realitätsnahe Kopien bestehender Straßen als Teststrecken inklusive spezieller schlechter Abschnitte, die im Testbetrieb abseits öffentlicher Straßen reproduzierbare Ergebnisse liefern.

Die Referenten (v.l.n.r.): Prof. Dr. J. Stefan Bald, Dr. Volker Grtzmacher, Dr. Stefan Bhm, Dr. Gerhard Faust, Dipl.-Ing. Hans-Joachim Pillich, Dr. Rainer Hart, Dipl.-Ing. Marc Schmits-Lapainer, Dipl.-Ing. Johannes Hogrebe, Dipl.-Ing. Joachim Schorr und

Um Lösungen und Möglichkeiten für den Bau und Betrieb solcher Strecken aufzuzeigen, hatte das Fachgebiet Straßenwesen an der Technischen Universität (TU) Darmstadt einen zweitägigen Workshop mit hochkarätigen Referenten und spannenden Themen organisiert. Die Leitung dieses Seminars, übrigens das dritte zu diesem Thema, lag in den Händen der Branchenkenner Dr. Rainer Hart und Dr. Gerhard Faust.

So vielfältig wie die Anforderungen beim Bau von Teststrecken waren auch die Themen des Workshops an der TU Darmstadt im Februar 2015. Im Praxisteil am ersten Tag besuchten die Teilnehmer die Versuchsstrecke des Lkw-Werks von Mercedes-Benz in Wörth am Rhein. Dort erläuterte Dr. Manfred Rohr die Einrichtung, die neben klassischen Test- und Handlingstracks auch über Schlechtwetterstrecken sowie Fahrbahnen mit unterschiedlichen Profilen und Neigungen verfügt.

Am zweiten Tag wurde ein interessanter Mix an Themen rund den Bau von Teststrecken präsentiert. Derartige Tracks sind keine gewöhnlichen Straßen, sondern Prüfeinrichtungen, die über einen möglichst langen Zeitraum konstante Eigenschaften beibehalten sollen. Darum sind Sonderkonstruktionen gefragt, die hinsichtlich der Baustoffe und der Präzision weit über die Anforderungen des Straßenbaus hinausgehen. Prof. J. Stefan Bald, Leiter des Fachgebiets Straßenwesen an der TU Darmstadt, begrüßte die knapp 100 Teilnehmer aus sechs Ländern und 39 verschiedenen Firmen bzw. Institutionen. Nach einer Einleitung übergab er das Wort an die Moderatoren Dr. Rainer Hart und Dr. Gerhard Faust, die das Seminar leiteten.

Zunächst berichtete Dipl.-Ing. Hans-Joachim Pillich, Geschäftsführer Baumanagement Pillich, über die Risiken und das rechtliche Umfeld beim Bau der Test- und Präsentationsstrecke Bilster Berg. Im zweiten Vortrag zeigte Dipl.-Ing. Johannes Hogrebe, Prokurist der Aachener Tilke GmbH amp; Co. KG, Möglichkeiten zur Planung und zum Bau geeigneter Schutzeinrichtungen für Teststrecken, die sich für jeden Streckenabschnitt maßschneidern lassen.

Dr. Stefan Böhm, Leiter der Gruppe „Versuche und Analyse“ am Fachgebiet Straßenwesen der TU Darmstadt, gab anschließend einen Überblick über Möglichkeiten, die Oberflächeneigenschaften von Asphalt, d.h. Farbe, Geräuschemissionen und Griffigkeit gezielt zu beeinflussen. Die Vorgehensweise beim perfekten Nachbau einer Kopfsteinpflaster-Strecke inklusive der exakten Höhenlage und Neigung jedes einzelnen Steins zeigte Dipl.-Ing. Marc Schmits-Lapainer von der Ingenaix GmbH sehr eindrucksvoll.
Der Akustiker Dr. Volker Grützmacher befasst sich bei der Adam Opel AG mit der Reduzierung der Geräuschemissionen künftiger Fahrzeuge. Er zeigte, wie eine Teststrecke mit definierter Textur und Griffigkeit entstand, um den Schalldruckpegel bei Vorbeifahrt unter konstanten Randbedingungen messen zu können. Anschließend beschrieb Dipl.-Ing. Joachim Schorr, Robert Bosch GmbH, wie die Oberfläche einer Teststrecke die Entwicklung moderner Fahrdynamiksysteme beeinflusst und wie wichtig die Definition der Reibbeiwerte ist.

Über die Anforderungen an neue Teststrecken sprach Ph. D. Iswandaru Widyatmoko vom Ingenieurbüro AECOM. Seine Kernbotschaft: „Ergründen Sie genau, welche Ziele mit der Strecke erreicht werden sollen. Es ist alles möglich, aber Sie müssen wissen, was Sie wollen!“ Im letzten Vortrag des Tages gewährte Dr. Rainer Hart, Hart Consult International GmbH, ungewöhnliche Blicke in den Baustoff Asphalt. Er hatte bei Untersuchungen auf dem neuen Forschungsgebiet der Asphaltpetrologie Proben analysiert und präsentierte den gemeinhin als schwarz oder grau bekannten Baustoff als durchaus farbenfroh.

In der Abschlussdiskussion sprach sich die große Mehrheit der Teilnehmer dafür aus, die Workshop-Reihe fortzusetzen. Die Themenvorschläge aus dem Auditorium lassen ein interessantes Programm erwarten. Als Termin wurde der 19. Februar 2016 festgelegt.

Passend zu diesem Artikel

Europas größter Straßenfertiger

Beim sechsstreifigen Ausbau der A1 zwischen Münster-Hiltrup und Ascheberg wird dank Europas größtem Straßenfertiger der Asphalt in einem Durchgang auf der kompletten Bandbreite der Fahrbahn inklusive Standstreifen aufgebracht.