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Schluss mit der Unterfinanzierung der Infrastruktur

Sind mineralische Rohstoffe aufgrund des Wettbewerbsdrucks in der Zementbranche zum Ramschartikel geworden? Diese Frage wurde auf der Winterarbeitstagung des Industrieverbandes Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) und des Bayerischen Industrieverbandes Steine und Erden e. V. (BIV) erörtert. Im Fokus der Veranstaltung stand außerdem der Dauerbrenner Verkehrspolitik.

Christian Knell, Sprecher der Geschftsleitung Deutschland der HeidelbergCement AG, riet der Rohstoffbranche zu selbstbewusstem Auftreten. ISTE-Vizeprsident Peter Rhm, Thomas Heumann (Vorstandsvorsitzender Gala-Bau), Steffen Bilger (MdB-CDU), Nicole Razav

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger betonte bei der Podiumsdiskussion, dass eine intakte Infrastruktur nachhaltig zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg beiträgt. Seine Parteikollegin, die baden-württembergische Landtagsabgeordnete Nicole Razavi, berichtete, dass der Südwesten als einziges Bundesland nicht von den Verkehrsprojekten der deutschen Einheit profitiert hat. Dementsprechend groß sei der Investitionsstau im Land. Laut Bilger gibt es aber Anlass zur Hoffnung, denn im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart, in der aktuellen  Legislaturperiode 5 Mrd. Euro in den Verkehrsbereich zu investieren. Diese Mittel sollen unter anderem durch die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen erwirtschaftet werden und ohne Abzug der Verkehrsinfrastruktur zufließen.

Razavi kritisierte, dass der frühere baden-württembergische Generalverkehrsplan, der mehr als 700 Neubaumaßnahmen enthielt, von der Landesregierung auf 123 Maßnahmen reduziert wurde. „Dieses Vorgehen begründete die grün-rote Landesregierung damit, dass nur noch das in Planungen Eingang findet, was tatsächlich auch finanziert ist“, so Razavi. „Das hört sich zunächst gut an, aber Fakt ist, dass durch diese Gangart kein Maßnahmen-, sondern ein Finanzierungsplan aufgestellt wird, der weder an Inflations- noch Teuerungsraten ausgerichtet ist und auch nicht den Bedarf des Landes beim Neu- und Ausbau von Straßen definiert.“

Im Bereich der kommunalen Infrastrukturmaßnahmen kritisierte sie, dass die Landesregierung das Fördervolumen von etwa 75 auf 50 % abgesenkt hat. Damit bestehe die berechtigte Sorge, dass finanzschwächere Kommunen die erforderliche Gegenfinanzierung nicht stemmen können und gegenüber finanzkräftigeren Kommunen ins Hintertreffen geraten. Wolfgang Pflaumer, Sprecher der Aktion Pro Mobil, machte unmissverständlich klar, dass die Pkw-Maut verbindlich für alle eingeführt werden müsse, auch wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt dagegen aussprach. ISTE-Vizepräsident Peter Röhm, betonte, dass die Steine- und Erdenbranche auf einen Aus- und Neubau von Straßen angewiesen ist. Andernfalls stehe eine dezentrale und verbrauchsnahe Versorgung der Baustellen im Land mit mineralischen Rohstoffen auf dem Spiel.

Bodenschätze oder Ramschartikel?

In keinem anderen Land ist der Wettbewerbsdruck in der Zementbranche so hoch wie in  Deutschland. Das hat Auswirkungen auf die Kosten-und Preispolitik. Christian Knell, Sprecher der Geschäftsleitung Deutschland der HeidelbergCement AG, berichtete, dass „ein Sack Zement zwischenzeitlich dem Preis von einer halben Schachtel Zigaretten entspreche“. Diesem Trend muss laut ISTE-Hauptgeschäftsführer Heinz Sprenger dringend Einhalt geboten werden. „Die Branche muss zu einer höheren Wertschätzung ihrer Produkte kommen“, betonte der Jurist energisch. „Schließlich handelt die Steine- und Erden-Industrie mit Bodenschätzen und nicht mit Ramschartikeln.“

Knell führte aus, sind die Branchenvertreter zunehmend gezwungen seien, mit sich verschärfenden Rahmenbedingungen - Preis, Umwelt, Auflagen - klarzukommen. Er erklärte, dass beispielsweise die Befreiung von der EEG-Umlage keinen Wettbewerbsvorteil darstelle. Mit ihr würden lediglich die Mehrkosten der Energiewende reduziert. Selbst mit der Befreiung würden die Energiekosten jene in anderen, auch europäischen Ländern noch immer übersteigen. Er wies auch darauf hin, dass die Bauwirtschaft 10 % des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. „Damit trägt unsere Branche einen nicht unerheblichen Teil zur Gesamtwertschöpfung bei“, so Knell. „Wir haben also einen durchaus hohen Stellenwert.“ Dieser könne durch den nach den Koalitionsverhandlungen wahrscheinlichen Ausbau der Infrastruktur noch wachsen.

Demgegenüber stehen ihm zufolge unter anderem steigende Preise bei Löhnen, Kraftstoffen und Energie. Doch so schlecht, wie viele meinen, sei die Lage beileibe nicht. Die Frage wäre vielmehr, wie die Branche damit umgehe. Sie verkaufe nicht einfach nur einen Haufen Sand oder Kies, sondern eine umfassende Dienstleistung, die eine Wertschätzung erfahren muss. „Wir müssen uns fragen, was wir alles für unsere Produkte tun, wir müssen uns selbst und unsere Produkte wertschätzen und so selbstbewusst in den Markt gehen“, so Knell. „Schließlich setzen wir uns für Nachhaltigkeit ein, setzen Rekultivierungsmaßnahmen um, investieren in den Immissionsschutz, beschäftigen qualifizierte Mitarbeiter oder schaffen Innovationen, die auch dem Kunden einen Mehrwert bieten.“ Deshalb müssten sich die Branchenvertreter fragen, ob all diese Dinge tatsächlich in den Preisen enthalten sind, mit denen mineralische Roh- und Baustoffe auf dem Markt angeboten werden.

Knell betonte, dass weder der Markt, noch der Wettbewerb schuld daran ist, wie die Preispolitik innerhalb eines Unternehmens gestaltet wird. Er stellte fest, dass zahlreiche Firmen den Fehler begehen, sich an den Mitbewerbern zu orientieren. Stattdessen sollten Alleinstellungsmerkmale entwickelt werden, mit denen sich die Unternehmen von Mitbewerbern abgrenzen.

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