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Verschleißschutz

Schmierstoffadditive – die unbekannten Leistungsträger

Schmieröle sind nicht Öle allein, sie sind eine Mischung eines Grundöles mit diversen Schmierölverbesserern, den Additiven. Art und Menge der Additive bestimmen die Schmierstoffeigenschaften.

Unter gleichen Bedingungen getestet und dennoch ein gewaltiger Unterschied.

Konstrukteure und Instandhalter machen sich über die Leistungsträger eines Schmieröles keine Gedanken. Das „Warum und Wieviel“ wird bei der Produktauswahl in aller Regel nicht abgeklärt. Es ist aber per se nicht so, dass Schmierstoffadditive nur positiv wirken, sie können an einer Reibstelle durchaus mehr Schaden als Nutzen sein? Es stellt sich also die Frage: „Was müssen Konstrukteure und Instandhalter über Schmierstoffadditive wissen um die richten Entscheidungen treffen zu können?

Zuerst das Grundsätzliche

Alle heute auf dem Markt angebotene Schmierstoffe beinhalten Aditive. Erst durch die Zusätze werden die Produkte industrietauglich. Schmierstoffhersteller sind bezüglich Schmierstoffadditive nicht besonders auskunftsfreudig. In den meisten Schmierstoffunterlagen findet man nur lapidare Informationen wie zum Beispiel mit Verschleißschutz- oder Korrosionsschutzadditive oder ähnliche Umschreibungen. Schmierstoffentscheider und -anwender sollten sich immer nachfolgende Grundsätzlichkeiten bewusst sein: Mineralölbasierte Grundöle brauchen für eine gute Leistungsperformance oft einen hohen Additivanteil. Mit Schmierstoffadditven können unerwünschte Grundöl-Eigenschaften abgemindert oder eliminiert, aber auch schon vorhandene positive Grundöl- Eigenschaften noch weiter verstärkt werden. Schmierstoffe mit synthetischen Grundölen kommen wegen ihrer guten natürlichen Leistungsfähigkeit mit weniger Schmierstoffadditiven aus. Schmierstoffadditive werden zeit- und belastungsabhängig verbraucht. Mit zunehmender Einsatzdauer lässt also die Additivschutzfunktion nach, die ursprüngliche Grundöleigenschaft wird also mehr und mehr wieder dominierend. Jeder Schmierstoffhersteller hat seine eigene Additivphilosophie, eine Standardisierung gibt es nicht. Auch in den Schmierstoffnormen wird die Additivfrage nur ganz pauschal, angegeben.

Zeitabhängiger Ölwechsel ist zwar einfach aber kein geeigneter Baustein der für die Predictive Maintenance.

Wie Additive wirken

Mit den Additiven können unterschiedliche Schmierstoff- beziehungsweise Reibstellenoptimierungen vorgenommen werden. So können die physikalischen Eigenschaften des Schmierstoffes, wie zum Beispiel die Viskosität, gezielt optimiert werden. Additive können auch zum Reibpartnerschutz, also zur Verhinderung von abrasivem Verschleiß, Mikroverschweißen oder Korrosion eingesetzt werden. Und eine dritte Möglichkeit ist der Selbstschutz des Schmierstoffes, zum Beispiel die Verlangsamung der Schmierstoffalterung durch Oxidationsinhibitoren.

Der Anteil der Öladditive kann bei wenigen ppm‘s bis hin zu 20% liegen. Öladditive wirken auch nicht immer über den gesamten Eisatztemperaturbereich gleich gut. So stellte ein Wälzlagerhersteller in Laborversuchen fest, dass ein bestimmtes Verschleißschutzadditiv bei 50 °C eine bedingte, bei 80 °C eine schlechte und bei 120 °C eine gute Wirkung zeigte. Ein Aspekt, der auch bei der Produktauswahl mit zu berücksichtigen ist. Vollständigkeitshalber muss auch darauf hingewiesen werden, dass von Additiven auch eine bestimmte Gefahr ausgehen kann. So können bei Metallen unliebsame Reaktionen auftreten, bei Kunststoffen besteht das Risiko, dass die Schmierstoffadditive diese erweichen oder verspröden. Um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben ,ist also ein Werkstoffabgleich im Schmierstoffbereich zwingend notwendig.

Welche Additive für welche Reibstellenanforderung

Wie schon erwähnt, mineralölbasierte Schmierflüssigkeiten können ohne Additive als Maschinenschmierstoff nicht eingesetzt werden. Erst durch die Zugabe von Additiven wird ein brauchbarer Schmierstoff daraus. Wenn dem so ist, dann ist es mehr als nur logisch, dass bei der Schmierstoffauswahl die Additivart und auch die Additivmenge einen hohen Stellenwert haben muss. Nichts Näheres über die Leistungsträger eines Schmierstoffes zu wissen, ist leichtfertig. Und auch Hinweise in den Verkaufsunterlagen der Schmierstoffhersteller führen nicht weiter. Was sagt denn schon eine Angabe wie „Ausgezeichnete Rost-, Korrosions-, Antischaum- und Oxidationsschutzeigenschaft“ wenn hierzu nicht Ross und Reiter bekannt sind. Dem anderen die Schuld zu geben ist wohl leicht, es bringt der Sache aber nichts. Konstrukteure und Instandhalter müssen da schon selbst aktiv werden. Der Einstieg für die Additivauswahl und Mengenfestlegung einer Reibstelle, hat sich im Wesentlichen sich an der jeweiligen Reibstellenanforderung (dem Tribosystem) zu orientieren.

Wenn die Alterungsadditive verbraucht sind, ist die Ölkohle nicht weit.

Ein solcher Einstieg in eine Schmierstoffentscheidung bringt schnell Licht ins Dunkle. Ohne Zweifel der Zusatzaufwand wird durch weniger Ärger, Frust und Kosten entlohnen. Auch der Schmierstoffhersteller tut sich mit einer derartigen Reibstellenaufbereitung leichter die richtige Empfehlung zu geben. Für wichtige Anwendungen sollte auch die Additivmenge bekannt sein. Wenn der Schmierstofflieferant die Information nicht geben kann, können spezielle Prüflabore weiterhelfen. Die Additivmenge sollte wenigstens für hochbelastete Anwendungsfälle, auch als Qualitätskriterium, festgelegt sein.

Additivabbau als Ölwechselkriterium

Wann muss nun gewechselt werden? Diese Frage stellen sich Instandhalter Tag für Tag. In der in der Maschinedokumentation ist hierzu wenig neues zu erfahren. Zeitangaben für den Schmierstoffwechsel ist die Methode des vergangenen Jahrhunderts. Auch unter dem Gesichtspunkt „Umwelt“ ist es sträflich den Schmierstoff zu früh oder zu spät auszutauschen. Zu früh ist eine Vergeudung von Ressourcen plus Kosten und bei zu spät sind es hohe Stillstands- und Reparaturkosten plus Vergeudung von Ressourcen.

In der Literatur kann man Orientierungspunkte für Grenzwerte bezüglich Ölwechsel finden. So wird bei der Ölviskosität von 15-20% zulässiger Veränderung gesprochen und bei den Additiven, dass ein Restmengenwert von 70% nicht unterschritten werden soll. Richtwertwerte können nicht auf einen x-beliebig Anwendungsfall übertragen werden. Viel zu groß sind die Konstruktionsunterschiede und die betriebsbedingten Belastungen, auch für fast baugleicher Ausführung. Der Maschinenhersteller ist da in der Pflicht. Vilfredo Pareto hat schon vor 100 Jahren herausgefunden, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse erfordern mit 80 % des Gesamtaufwandes, die quantitativ meiste Arbeit. Es muss nicht für jede Reibstelle einer Maschine die „Additvfestlegung“ getroffen werden. Aber für die 20 % der wichtigen oder auch anfälligen Reibstellen einer Konstruktion kann dieses Instrument ein wirklicher Innovationsschub sein.

Schadensanalysen zeigen ganz deutlich, dass etwa 20% der tribologisch beanspruchten Reibstellen einer Maschine 80% der Ausfall- und Reparaturkosten verursachen. Für wichtige Bauteile ist also eine Schmierstoff-Additivfestlegung nicht nur zwingend notwendig, sie ist auch ein hochinteressanter Ansatz die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Erfolgskontrolle

Reibung und Verschleiß sind zwei wichtige Kennzahlen für die Richtigkeit einer Additivfestlegung. Verschleißbedingte Frühausfälle können ein Signal dafür sein, dass die Additive schneller als geplant abgebaut wurden. Bei Dichtungsverhärtungen oder -erweichungen stellt sich die Frage der Wechselwirkungen. Wenn die Reibung ansteigt können die Friction Modifier oder auch die Viskositätsindex-Verbesserer verbraucht sein. Der Additvabbau geht nicht schlagartig, also von jetzt auf gleich. Der Prozess ist schleichend und erst dann, wenn das zulässige Additivpolster verbraucht ist, treten die Schäden auf. Bei einem Schaden könnte durch eine Gebrauchtschmierstoff- Analyse der Wert des relevanten Additivanteils ermittelt werden und Basis für einen schadensfreieren Maschinenlauf werden. Zusammengefasst lässt sich sagen: „Nur wer die Art und Menge der im Schmierstoff eingesetzten Additive kennt, kann ungeplante Maschinenausfälle verhindern, beziehungsweise im Schadensfall eine bessere Schmierstofflösung finden“.

Ausblick

Mit Ressourcen sparsam umzugehen und die Atmosphäre nicht durch unser Handeln weiter aufzuheizen, sind zwei wichtige Stellschrauben in Punkto Umweltschutz. Der Handel mit CO2 Zertifikaten kann vielleicht das Gewissen beruhigen. Und ob die werblich, gut verkaufbare Klimaneutralität der Umwelt wirklich hilft, steht auch in den Sternen. Für ein nachhaltiges Handeln braucht es keine Nebentürchen, man müsste nur das Wissen in Tribologie und Schmierungstechnik konsequent umsetzen. Diesbezüglich ist aber vieles noch im Argen. So zum Beispiel, der immer noch allgegenwärtige zeitabhängige Schmierstoffwechsel durch die Instandhaltung. Und viele Konstrukteure glauben auch 2022 noch daran, dass alle Schmierstoffe, wenn sie die gleiche Normbezeichnung tragen, die gleiche Leistung haben. Ein kapitaler Denkfehler natürlich. Mit Greenwashing wird die Welt nicht besser, sich mit Tribologie und Schmierungstechnik intensiver zu beschäftigen ist dagegen ein erfolgreicher Zukunftsweg.

Grafik 1: Mit Pareto sich auf das wesentliche konzentrieren.

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