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Archiv 21. April 2017

Sicherheitscheck: Die Mauer hält!

Mit dem im vergangenen Jahr durchgeführten Stauprogramm ist die Muttsee-Staumauer der Kraftwerke Linth Limmern AG auf ihre Sicherheit erfolgreich getestet worden. Die mit 1‘054 m längste und mit fast 2‘500 m höchstgelegene Staumauer Europas erfüllt die an sie gestellten Stabilitätsanforderungen.

Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten ist wieder eine neue Staumauer in der Schweiz erstellt worden. Damit wird das Speichervolumen des Muttsees verdreifacht.
Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten ist wieder eine neue Staumauer in der Schweiz erstellt worden. Damit wird das Speichervolumen des Muttsees verdreifacht.

Nachdem die beiden ersten Maschinengruppen des Pumpspeicher-Kraftwerks der Linth Limmern AG (PSW) Ende 2015/2016 mit dem Netz synchronisiert werden konnten, werden im Laufe dieses Jahres die Maschinengruppen 3 und 4 ans Netz gehen und zusammen 1‘000 MW Strom ans Netz liefern.

Anlässlich der Einweihung der neuen Staumauer im Hochgebirge auf der Muttenalp zeigte sich Andrew Walo, CEO des Bauherrn Axpo, stolz über die termin- und budgetgerechte Realisierung des Projekts. Er erinnerte daran, dass der Baubeschluss für das PSW Linth-Limmern in einer Zeit gefallen war, als der Strompreis hoch und die Ertragsaussichten für solche Kraftwerke mit Spitzenenergie gut waren. Versorgungssicherheit war ein wichtiges Motiv, als der Verwaltungsrat der Axpo im Jahr 2009 den Bau bewilligte.

Bauwerk der Superlative

Einziges sichtbares Element des weitgehend unterirdisch in Kavernen und Stollen angelegten PSW Limmern wird die neue Staumauer Muttsee bleiben. Das Volumen des gestauten Speichersees erreicht maximal 23 Mio. m³ Wasser. Für diese Schwergewichtskonstruktion und die Einlaufbauwerke sind rund 250‘000 m³ Beton verbaut worden. Während der rund zehnjährigen Planungsphase und der mit dem Spatenstich 2009 beginnenden Bauzeit waren insgesamt über 3‘000 Baufachleute von zahlreichen Ingenieur-, Bau-, Zuliefer- und Spezialfirmen im Hochgebirge, im Untertagbau oder im Talbereich in Tierfehd beschäftigt. Rund 6‘000 verschiedene Pläne wurden für die Maschinen- und Transformatorenkavernen gezeichnet, und allein die Qualitätssicherungs-Protokolle für den Stahlwasserbau füllen 870 Bundesordner, heisst es von der Projektleitung.

Die hier im Sptherbst 2014 vor der Vollendung stehende Staumauer des Muttsees prgt mit ihrem charakteristischen Knick die Gebirgslandschaft und ist mit 1?054 m die lngste Europas.Foto: Flugfoto: CM
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Der Sicherheitsnachweis ist erfüllt

Die Schwergewichtsstaumauer des neuen PSW Limmern wurde im vergangenen Sommer während 60 Tagen erstmals auf die maximale Stauhöhe von 2‘474 m. ü.M. mit Wasser gefüllt und von den zuständigen Stellen auf ihr Verhalten hin geprüft. Die erreichten Messergebnisse entsprechen in allen Punkten den Anforderungen: Die Mauer hält, was sie verspricht. Das mehrstufige Einstauprogramm erfolgte unter enger Begleitung des Bundesamtes für Energie (BFE), das die Sicherheit der Anlage in der Folge bestätigte. Gemäss Angaben von Axpo wurde von Juli bis Ende August der Muttsee zum ersten Mal stufenweise mit Wasser gefüllt, zweimal bis zur maximalen Stauhöhe und danach wieder teilweise abgesenkt. Das Wasser wurde aus dem 630 m tiefer gelegenen Limmernsee hochgepumpt. Während des ganzen Stauprogramms wurde bei der Staumauer anhand diverser Messungen und Kontrollen laufend geprüft, wie sich die Betonkonstruktion unter der Last des Wassers verhält.

In den drei Hauptbauperioden der Sommerhalbjahre 2012 bis 2014 ist fr die Staumauer und die Einlaufbauwerke ein gesamtes Betonvolumen von 250?000 m eingebracht worden. Dafr sind rund 512?500 t Betonkies aus aufbereitetem Ausbruchmaterial aus den Stollen und Kavernen verbaut worden.Foto: Foto: CM

Präzisionsarbeit in Einklang mit der Natur

Für die Sicherheit relevant ist, wie stark sich die Mauer bewegt. Auch eine derartig massive Betonkonstruktion kann sich unter konstanter Belastung durch Wasser, dem unterschiedlichen Füllstand, den Temperaturschwankungen und den Einwirken der Geologie minimal verformen. Die Natur musste mit der Technik in Einklang gebracht und ihr Einwirken vor Baubeginn anhand von Modellen und vorliegenden Erfahrungswerten exakt berechnet werden. Axpo liess dazu im Vorfeld die Geologie vor Ort umfassend erkunden, wofür sich nach ihren Angaben der Aufwand gelohnt hat: Die Messergebnisse während des Auf- und Abstaus entsprechen in allen Punkten den Berechnungen. Der abgedichtete Untergrund ist stabil und die Auftriebskraft auf die Mauer dank den eingebauten Drainagen sogar geringer als erwartet.

Nachbesserungen an der Mauer sind nicht notwendig, wird festgehalten. Die Bewegungen der Mauer belaufen sich bei der Mauerkrone in einer Höhe von fast 2‘500 m auf maximal 3 bis 4 mm bei voll aufgestautem See, was den üblichen Verschiebungen entspricht. Aufgrund dieser Ergebnisse bestätigte das BFE die Sicherheit der Staumauer. Ihre Stabilität hat die Staumauer auch bei dem Anfang März dieses Jahres aufgetretenen Erdbebenereignis der Stärke 4,6 unter Beweis gestellt. Obwohl das Epizentrum nicht weit vom Mauerstandort lokalisiert worden war, hat sie diese erste Belastungsprobe unbeschadet überstanden. Es wurde zwar ein lauter Knall wahrgenommen, doch waren gemäss Messungen von Axpo keine Schäden festzustellen.

Die Betonierung erfolgte Blockweise in Betonierhhen von 3 m, wobei der Beton in Schichten von 50 cm Strke und in Etappen von 6 m eingebracht worden ist.Foto: Foto: CM

Erste neue Staumauer seit 26 Jahren

Das Einstauprogramm des BFE für neu erbaute Staumauern wurde zum letzten Mal bei der Gewichtsstaumauer Panix bei Ilanz GR vor einem Jahrhundert angewendet. Damals endete das Prüfprogramm mit dem ersten Vollaufstau, mit dem der Sicherheitsnachweis grundsätzlich erbracht worden ist. Beim PSW Limmern war wegen seiner Grösse zum ersten Mal zusätzlich der gesamte Nachzyklus mit der Teilentleerung, dem erneuten Vollaufstau und der anschliessenden kompletten Entleerung des Muttsees zu dokumentieren, heisst es von Axpo. Die Ergebnisse wurden kontinuierlich analysiert und zuhanden des BFE dokumentiert. Während der ersten zwei Betriebsjahre wird die Staumauer verstärkt überwacht, danach folgen die periodischen Kontrollen gemäss den geltenden Vorschriften des Bundesamtes für Energie.

Das imposante Bauwerk passt sich vollendet in die Landschaft ein.Foto: Flugfoto: CM

Bauabwicklung mit Zeitvorsprung

Schlüsselelement des Ausbaus des Kraftwerks Linth Limmern ist die Vergrösserung des Muttsees durch die mit über 1 km längste und wohl letzte Staumauer der Alpen. Wie sich im Rückblick festhalten lässt, wurde die dafür errichtete Gewichtssperre in den Sommermonaten der drei Jahre 2012 bis 2014 erstellt. Nach guten Baufortschritten konnte das anspruchsvolle Bauwerk noch vor dem Wintereinbruch 2014 mit dem „letzten Beton" und einem Zeitvorsprung im Rohbau vollendet werden.

Diese Bauleistung an der Staumauer konnten dank Wetterglück und Grosseinsatz der Baumannschaft mit einem Zeitvorsprung abgeschlossen werden. Dies trotz der Höhenlage und der anspruchsvollen Baulogistik mit zwei Transportseilbahnen. Das stellt nach Angaben des Bauherrn Axpo eine grossartige Leistung der Arbeitsgemeinschaft Kraftwerk Linth-Limmern (Arge KLL) mit den Firmen Marti Tunnelbau AG, Marti AG Bauunternehmung Zürich, Marti Technik AG und Toneatti AG dar. Von den Eigentümern Kanton Glarus mit 15% Anteil und Axpo Power AG (mit ihrer Tochter Kraftwerke Linth Limmern AG) mit 85% sind die auf 2,1 Mrd. CHF veranschlagten Gesamtinvestitionen getätigt worden. Davon entfällt auf das Baulos der Arge KLL die Summe von 639 Mio. CHF.

Mauerbetonierung im „Pilgerschrittverfahren"

Die Mauerkonstruktion wird aus 68 Sperrenblöcken gebildet, die eine totale Betonkubatur von 225‘000 m³ mit einer Schalfläche von 70‘000 m² erforderten. Nach der Bilanz der Arge KLL erreichten die grössten Blöcke eine Höhe bis 36 m und ein Betonvolumen bis zu 12‘000 m³. Der Bauvorgang erfolgte nach einem speziellen Ablaufschema für Gewichtsstaumauern, dem sogenannten Pilgerschrittverfahren. Das Einbaumanagement für den Beton basierte auf dem Einsatz von Raupenkranen und Betonkübeln.

Der eigentliche Mauerbeton, auch als Vorsatzbeton bezeichnet, weist ein Gewicht von 2‘450 kg/m³ auf und setzt sich aus 150 kg Zement, 100 kg Flugasche, 150 l Wasser und 2‘050 kg Betonkies zusammen. Für den Einbau war jeder Block in Betonierhöhen von 3 m eingeteilt. Der Beton ist in Schichten von 50 cm Stärke und in Etappen von 6 m eingebracht worden.

Für das Verteilen des Betons und das Vibrieren, das wegen der hohen Betondichte einen grossen Kraftaufwand erforderte, wurden in der Schalung stehende Kleinbagger eingesetzt. Es sind von den Betoniermannschaften enorme Leistungen von bis zu 100 m³/h und 1‘200 m³/Tag erbracht worden.

Curt M. Mayer

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