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Archiv 13. Mai 2013

Siebanalyse im Sekundentakt

Die Kornverteilung des Fördergutes in Steine-Erden-Betrieben ist in der Regel
eine große Unbekannte, der man nur durch Stichproben im Labor ein vages Gesicht geben kann. Abhilfe schafft der von der TU Clausthal entwickelte „Online Grain Size Analyzer“ (akustischer Korngrößenanalysator).

Der von der TU Clausthal entwickelte ?Analyzer? funktioniert nicht nur auf Frderbndern sondern auch in hydraulischen oder pneumatischen Frderleitungen.
Der von der TU Clausthal entwickelte ?Analyzer? funktioniert nicht nur auf Frderbndern sondern auch in hydraulischen oder pneumatischen Frderleitungen.
Der akustische Korngrenanalysator bestimmt die Sieblinie des Frdergutes im Sekundentakt. Mit den Daten knnen Aufbereitungsprozesse gesteuert und berwacht werden.Foto: Foto: TU Clausthal

Wer die Zusammensetzung seines Fördergutes kennt, ist klar im Vorteil: Liefere ich dem Kunden wirklich das Material, das er bestellt hat? Und umgekehrt: Ist der gelieferte Rohstoff für meine Zwecke geeignet? Aufschluss darüber gibt die Sieblinie, doch deren Ermittlung ist nach bisherigen Methoden zeit- und kostenintensiv. Proben müssen gezogen werden, was oft bei laufendem Band geschieht – auch wenn´s wegen der Verletzungsgefahr verboten ist. Die Analyse im Labor erfolgt in der Regel über Siebmaschinen, wobei feuchtes Material vorher getrocknet werden muss. Bis das Ergebnis vorliegt, ist der Rohstoff längst im Mischer oder auf der Baustelle. Auch optische Verfahren stoßen in der Steine- und Erden-Industrie schnell an ihre Grenzen, da die Messinstrumente sehr empfindlich sind. Ohne Umwege, im Sekundentakt und dazu völlig gefahrlos lässt sich die Sieblinie mit dem „Online Grain Size Analyzer“ ermitteln – zu deutsch: akustischer Korngrößenanalysator. Entwickelt hat ihn eine Forschergruppe an der TU Clausthal um Prof. Dr. Hossein Tudeshki. Die Entwicklung ist für den Innovationspreis der diesjährigen bauma nominiert.

Fördergüter haben eine alltägliche Gemeinsamkeit: sie bewegen sich. Diese Tatsache kombiniert mit einer Portion Physik erklärt das Funktionsprinzip des Gerätes. „Wenn bewegte Masse auf einen Gegenstand trifft, entstehen Impulse, die den Gegenstand in Schwingungen versetzen“, erklärt Prof. Tudeshki. Die Impulsstärke steht in direktem Zusammenhang zur Größe dieser Masse. „Das ist wie im Sport. Ein Torwart kann einen Fußball leichter halten, als einen Basketball, der mit der gleichen Geschwindigkeit auf ihn zufliegt.“ Ähnlich funktioniert der Sensor, der das Herzstück des Analyzers bildet: Er registriert durch Berührung unterschiedlich großer Teilchen verschiedene Signalstärken (großes Teilchen = großer Impuls, kleine Teilchen = kleiner Impuls), die über eine Software in Signalklassen eingeteilt werden. Diese spiegeln die Verteilung des Kornspektrums wider. Der Sensor braucht nur eine Sekunde, um die Größe von 100 000 Einzelkörnern zu erfassen, so wird die Siebanalyse im Sekundentakt Realität. „Der Sensor muss vor Inbetriebnahme einmalig kalibriert werden, um die Impulsstärken den jeweiligen Kornklassen zuordnen zu können“, erläutert der Bergbau-Institutsleiter der TU Clausthal. Der Analyzer funktioniert überall dort, wo sich Granulat bewegt, unabhängig davon, ob der Transport auf einem Band oder in einer Leitung, ob pneumatisch oder hydraulisch erfolgt.

Hersteller des Gerätes ist die Schweizer Firma Geoprofile, die auch eine deutsche Niederlassung führt. Die Konstruktion ist einfach und robust und die Installation über dem Förderband mit zwei Schrauben erledigt. Das Gerät wird an einem Stahlträger aufgehängt, sodass der Sensor in das Fördermedium eintauchen kann. Ein Kabel führt zur Datenverarbeitung, wo die Signale ausgewertet und online übertragen werden können. Die Spitze mit dem Sensor ist aus einem besonders verschleißfesten Stahl gefertigt. „Nach sechs Monaten Probebetrieb in einem Kieswerk haben wir keinerlei Verschleißspuren festgestellt“, berichtet Tudeshki. Zudem lässt sich der sensorschützende Pin leicht austauschen, der für einen Cent-Betrag zu haben ist. Die Bedienung des Analyzers ist denkbar einfach, dafür sei noch nicht einmal eine Schulung notwendig. Hinsichtlich der Korngrößen sind dem System kaum Grenzen gesetzt, es misst auch im Feinstkornbereich kleiner 50 µ. Im Gegensatz zu optischen Verfahren liefert das Gerät in trüben Medien und staubiger Umgebung genaue Werte. Die Investitionskosten, die bei rund 50.000 Euro einschließlich Installation und Datenverarbeitung liegen, sind deutlich niedriger als bei optischen Verfahren, die zudem empfindlicher und verschleißanfälliger sind.

Wissen, was raus und rein geht: Mit dem Analyzer wird die Qualitt des Rohstoffes zu jeder Zeit dokumentiert.Foto: Foto: TU Clausthal
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Das Wissen um die Kornverteilung von Fördergut ist äußerst wertvoll. Mit dem Analyzer lassen sich sämtliche Aufbereitungsprozesse überwachen und energieoptimiert steuern. Eine defekte Masche im Sieb ist schnell identifiziert, da Fehlkörnungen sichtbar werden. Auf Wunsch lässt sich ein Alarmsystem integrieren. So werden auch Reklamationen vermieden, da die genaue Zusammensetzung dessen, was den Betrieb verlässt, zu jeder Sekunde dokumentiert ist – und das ohne aufwändige Laboranalysen. Diese Punkte haben bereits einige Rohstoff produzierende Betriebe überzeugt: Ein deutsches Quarzwerk hat den Analyzer in einem hydraulischen Rohrleitungssystem installiert und steuert damit die weiteren Aufbereitungsprozesse. Aus gleichem Grund nutzt ein Kies- und Sandbetrieb ein förderbandinstalliertes Gerät. Auch umgekehrt leistet der Analyzer gute Dienste: Ein Gipsplattenproduzent hat drei Geräte bestellt, die er in einem pneumatischen System verwenden wird, um die Qualität der eingehenden Rohstoffe zu überprüfen. „Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielschichtig“, betont Tudeshki und nennt einige Beispiele: „Bauunternehmen könnten die Sieblinie von gepumpten Beton bestimmen, um die Eignung des Baustoffes nachzuweisen. “ Auch Gießereien, die auf eine bestimmte Zusammensetzung ihrer Formsande angewiesen sind, können von dem neuen Analysegerät profitieren. „Nicht zu verachten ist der Aspekt der Arbeitssicherheit“, betont Tudeshki. Gesundheitsgefahren werden vermieden, da die manuelle Probenahme mit der kontinuierlichen Messung am Band entfällt, genauso wie die manuelle Siebung, bei der zwangsläufig Staub frei wird.

Eine weitere Anwendungsidee fällt Tudeshki beim Stichwort bauma ein. Zur Erinnerung: Die Aschewolke zur letzten bauma ließ viele Besucher an Flughäfen stranden, so mancher Stand blieb verwaist. Ein mit Analyzer ausgerüstetes, ferngesteuertes Flugzeug hätte über die Messung der Feinstaubanteile Klarheit über die Gefahren für den Flugverkehr bringen können. Vielleicht wäre so manches Flugzeug dann doch noch gestartet. (Ute Möhle)

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