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Liebherr

Sparsame und leistungsstarke Motoren

Dass selbst ein Baumaschinenhersteller mit den großen Motorenzulieferern Schritt halten kann, hat unser Autor bei einem Besuch des Liebherr-Motorenwerks im schweizerischen Bulle erfahren.

Inhaltsverzeichnis

Robert Ruthenberg

1978, nach der Werksgründung in Bulle, im Schweizer Kanton Freiburg, startete der Baumaschinenhersteller mit der Dieselmotorenentwicklung. Ein 6-Zylinder-Motor vom Typ D906 stellte ab 1984 die Grundlage für die Serienfertigung der ersten selbstentwickelten Dieselmotoren dar. Dass dabei von Beginn an hohe Qualität produziert wurde, belegt die Tatsache, dass diese Motoren bei vielen Kunden noch immer im Einsatz sind. Heute arbeiten am Standort Bulle rund 1.200 Mitarbeiter, die 2016 einen Umsatz von 306 Mio. Schweizer Franken (262 Mio. Euro) generiert haben. Die bebaute Fläche des Werkes beträgt rund 88.000 m².

Gemäß der Unternehmens-Philosophie zeichnet sich auch der Motorenbau durch eine sehr hohe Fertigungstiefe aus. So handelt es sich bei den Einspritzsystemen vom Typ Common-Rail (CRS), bei den Einspritzdüsen, den Controllern und Reglern, den Motorsteuerungen, der Abgasnachbehandlung und vielem anderen mehr um Eigenentwicklungen. Das CRS läuft aktuell mit bis zu 2.500 bar Raildruck und soll so für eine optimale Verbrennung sorgen. Die Produktpalette reicht von 4-Zylinder-Reihenmotoren bis hin zu den ganz großen 20-Zylinder-V-Motoren. Bis zu einem Hubraum von 2,25 Liter pro Zylinder werden die Motoren in Bulle gefertigt, darüber hinaus läuft die Produktion im neuen Motorenwerk in Colmar, Frankreich. Die Dieselmotoren decken aktuell einen Leistungsbereich von 130 bis 4.500 kW ab. Die kleineren Motoren mit Leistungen von weniger als 130 kW werden hauptsächlich von Deutz respektive von Fiat-Powertrain (FPT) zugeliefert.

Strategische Partnerschaften

Pro Jahr werden etwa 6.000 Reihenmotoren sowie bis zu 2.000 V-Motoren in der Schweiz produziert. Der überwiegende Teil geht an die verschiedenen Liebherr-Werke, darüber hinaus werden allerdings auch Kunden im Bereich Landwirtschaft, Forsttechnik sowie Lokomotivbau mit Dieselmotoren beliefert. Nicht zuletzt im Bereich der Stromerzeugung gibt es eine strategische Partnerschaft mit dem weltgrößten Hersteller von Notstromgeneratoren / Gensets, der US-Firma Kohler/SDMO.

Eine weitere strategische Partnerschaft wurde kürzlich mit dem Kölner Dieselmotorenbauer Deutz neu belebt. Ab 2019 liefert Liebherr vier Motorenmodelle mit Leistungen von 200 bis 620 kW an die Kölner, die diese weltweit unter ihrem Namen vertreiben dürfen inklusive aller Wartungs- und Servicerechte. Ziel beider Unternehmen ist, die vier neuen 6-Zylinder Dieselmotorenmodelle der EU-Abgasstufe V mit 9, 12, 13,5 und 18 Liter Hubraum in neue Marktsegmente zu bringen.

Beim Werksrundgang stachen zwei Details hervor: Die Sauberkeit sowie die große Anzahl der Prüfstände. Dass Sauberkeit eine Grundvoraussetzung für den Bau qualitativ hochwertiger Motoren darstellt, muss nicht extra betont werden. Umso mehr beeindruckt die Anzahl der Motorenprüfstände. Allein 22 sind dem Entwicklungsbereich vorbehalten, während sechs bis acht weitere - je nach Anforderung - dem Serienbau zur Verfügung stehen. Bei der Entwicklung und der Serienkontrolle wird dort alles geprüft, was im Motorenbau ansteht: Einsatz bei sehr hohen (bis + 50° C) und sehr niedrigen Temperaturen (bis - 40° C), Schwingungen (Hot-Shake-Tests), Einfluss von Motorneigungen bis zu einem Winkel von 45°, Abgasverhalten, Dauerlauf und vieles andere mehr. Interessant ist zudem, dass die Bremsenergien sowie die Abwärme bei den Tests in und auf den Motorenprüfständen nicht einfach in die Umwelt verblasen, sondern in das Fernheizungsnetz der Stadt Bulle eingespeist werden. So werden pro Jahr bis zu 3 GW an Energie und Wärme weiter verwendet - ein sehr gutes Beispiel für das exzellente Umweltverhalten eines Unternehmens.

Gas- und Dieselmotoren

Die Dieselmotoren sind grundsätzlich als Einzel-Zylinderausführungen ausgelegt. Dies stellt einen großen Vorteil bei Wartungsarbeiten dar und erleichtert eine Serienproduktion dank vieler Gleichteile in modularer Bauweise. Im Zeitraum 2014 bis 2020 wurden und werden insgesamt 160 Mio. Schweizer Franken in das Werk investiert. Wesentliche Investments stellen das neue Logistikzentrum, eine neue Lackieranlage sowie die Optimierung der Fertigung (nach dem Kanban-Prinzip) dar. Neben Dieselmotoren werden in Bulle noch Axialkolben-Hydraulikeinheiten (Motoren und Pumpen) mit Volumina von 25 bis 500 cm³ gefertigt. Erwähnenswert ist auch, dass Gasmotoren - auch für Biogas - mit Leistungen von 160 kW bis 1 MW ebenfalls in der Schweiz produziert werden. Diese dienen überwiegend der stationären Energieerzeugung.

Die aktuellen Gas- und vor allem die modernen Dieselmotoren werden von vielen Kunden auch außerhalb des Liebherr-Einsatzbereiches stark nachgefragt. So werden Robel Bahnbaumaschinen für Gleisarbeiten mit 12-Zylinder Dieselmotoren vom Typ 54.20 aus Bulle bestückt. Sie erfüllen selbstverständlich die gesetzlichen Abgasgrenzwerte. Das Unternehmen Krone wiederum setzt die schweizerischen Dieselmotoren in seinen selbstfahrenden Feldhäckslern vom Typ Big X700, Big X770 bis hin zum Big X860 ein. Hierbei handelt es sich jeweils um V8-Motoren mit rund 16 Liter Hubraum und einer Leistung von 528 kW (718 PS) respektive 561 kW (738 PS) für den größeren Feldhäcksler. Die Motoren weisen ein hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen auf und sind mit den schweizerischen Produktinnovationen „PowerSplit“ sowie „ConstantPower“ ausgestattet. Mittels „PowerSplit“ wird die Motordauerleistung automatisch an die jeweiligen Einsatzbedingungen angepasst. Die lastabhängige Geschwindigkeitsregelung „ConstantPower“ hält den Motor konstant im optimalen Drehmoment-/Leistungsbereich. Die Geschwindigkeit wird dabei so variiert, dass der Motor immer mit der vorgewählten Drehzahl arbeitet. Mit Hilfe der Funktionen „EcoPower“ sowie „Xpower“ wird die Maschinenleistung einer geringeren beziehungsweise einer Höchstbeanspruchung automatisch angepasst.

Die neuen Radlader des Unternehmens Claas wurden der Öffentlichkeit erstmals im Herbst 2017 vorgestellt und sind nun lieferbar. Die beiden großen Modelle Torion 1812 sowie 1914 sind nun ebenfalls mit Liebherr-Dieselmotoren bestückt. Es handelt sich um die Größenklassen mit 18,7 sowie 19,5 t Einsatzgewicht und Kipplasten bis 12,8 respektive bis 14,4 t. Die Reihen-4-Zylindermotoren mit rund 7 Liter Hubraum leisten 143 kW (195 PS) beim kleineren und 168 kW (228 PS) beim größeren Radlader. Die Maximalleistung steht bereits bei einer Drehzahl von nur 1.150 U/min zur Verfügung. Derzeit erfüllen sie die Abgasnorm EU-Stufe IV / US-Tier 4 final, sind allerdings mit Partikelfilter auch für die ab 2019 kommende, strengere Abgasnorm EU-Stufe V bereits heute ausgelegt.

Neue Radlader, bestens angetrieben

Das Niedrigdrehzahlkonzept bei diesen beiden Torion-Modellen garantiert eine höhere Leistung trotz geringerem Dieselkraftstoffverbrauch im Vergleich zu bisherigen Ausführungen. Motor, Arbeitshydraulik und der leistungsverzweigte Fahrantrieb sind elektronisch so aufeinander abgestimmt, dass im Ladebetrieb immer mit der optimalen Motordrehzahl gearbeitet wird. Die Endgeschwindigkeit von 40 km/h wird bei rund 1.750 U/min erreicht und sorgt zusammen mit der Absenkung der Drehzahl im Leerlauf für eine zusätzliche Einsparung beim Kraftstoff. Ob die Claas-Radlader wegen all ihrer Vorzüge zukünftig auch in Steinbrüchen, Sand- und Kiesgruben eingesetzt werden, wie es bereits heute bei den Claas-Traktoren der Fall ist, sei mal dahingestellt.

Wie der Besuch des Liebherr-Werkes in Bulle aufgezeigt hat, erfüllen die Dieselmotoren aus der Schweiz nicht nur die höchsten Anforderungen aus der Baubranche sowie der rohstofffördernden sowie -verarbeitenden Industrie, sie sind auch im Landmaschinenbau sowie zukünftig in der Forsttechnik verstärkt anzutreffen.

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