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Bitumen

Welche Auswirkungen der Ukrainekrieg auf die Versorgung mit Bitumen hat

Recherchen von „Asphalt & Bitumen“ haben ergeben, dass die Versorgungssicherheit mit Bitumen in Deutschland durch den Krieg in der Ukraine derzeit wenig beeinträchtigt ist. Langfristig wird sich das stark ändern.

Das russische Öl- und Gasunternehmen Rosneft liefert aus 3 Raffinerien in Deutschland Bitumen 
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Die Preise für das Bindemittel Bitumen, ein Bestandteil bestimmte Erdölsorten, steigen seit geraumer Zeit an. Im Januar betrug der Unterschied zum Vorjahresmonat +36 %. In der derzeitigen Situation ist es illusorisch davon auszugehen, dass es keine weiteren Preissteigerungen geben wird.

Die derzeitigen Auswirkungen

Der Preis für Erdöl erreichte in der ersten Märzwoche den höchsten Stand seit Juli 2014. Zum Höhenflug trägt bei, dass immer mehr Ölimporteure wegen des Krieges kein russisches Öl mehr kaufen. Auch akzeptieren mehrere Reedereien keine Transportaufträge mehr von und nach Russland. Faktisch hat sich dadurch das weltweit verfügbare Ölangebot deutlich verknappt. Bauverbände fordern deshalb wieder verstärkt nach Preisgleitklauseln, werden doch die Verträge insbesondere im Straßenbau weit vor der Bauausführung unterschrieben.

Bitumen aus russischem Erdöl wird europaweit durch die Lieferungen des Staatskonzerns Rosneft realisiert. Die Abhängigkeit zentraler deutscher Raffinerien von Lieferungen aus Russland wird auf ein Drittel der hiesigen Bitumenversorgung beziffert. Fällt dieser Bezug weg, was noch nicht der Fall ist, müssen andere Versorgungskanäle gesucht werden. Für die Energiekonzerne, die Bitumen anbieten und das dazu notwendige Rohöl aus Russland beziehen, bedeutet die jetzige Abkehr von Russland den Ausstieg aus jahrzehntelangen lukrativen Investitionen. Sie haben seit den 1990er Jahren viel Geld in das Land gesteckt.

Ein Überblick, wer russische Erdölquellen verliert

Als einer der ersten erklärte der britische Energiekonzern BP, sich aus Russland zurückziehen zu wollen. Nach 30 Jahren Engagement wird es 19,75 % seiner Anteile am russischen Ölkonzern Rosneft veräußern oder abschreiben. Dieser Schritt wird mit als größte Zäsur in der Geschichte des britischen Unternehmens nach der Explosion auf der Ölplattform Deepwater Horizont gesehen. Noch im vergangenen Jahr spülte Rosneft 2,4 Mrd. Dollar Gewinn und 640 Mio. Dollar an Dividenden in die BP-Kasse. Zudem wird damit die weltweite Öl- und Gasproduktion von BP um ein Drittel verringert.

Auch der Verwaltungsrat von Shell hat sich positioniert und wird seinen 27,5-%-Anteil an dem Öl- und Gasprojekt Sachalin-2 im Fernen Osten Russlands abstoßen. Zudem werde es seine 50%ige Beteiligung an dem Ölfeld Salim in Westsibirien und an dem Gydan-Erkundungsprojekt auf der gleichnamigen Halbinsel im Nordwesten Sibiriens beenden.

Shell kaufte 4. März 2022 russisches Rohöl zu einem rekordgünstigen Preis und kündigte an, Gewinne im Zusammenhang mit Käufen von russischem Öl in einen humanitären Fonds für die Ukraine einzuzahlen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fragte Shell auf Twitter dazu, ob „russisches Öl für Sie nicht (nach) ukrainischem Blut riecht". Der niederländisch-britische Konzern erklärte, zwar werde man wo immer möglich nach Alternativen zu russischem Öl suchen. Dies werde angesichts der Bedeutung des Landes für den Weltmarkt jedoch nicht sofort geschehen können. „Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht und wir verstehen die starken Gefühle, die damit verbunden sind", heißt es weiter.

(Nachtrag vom 8. März: Shell gab am heutigen Tag bekannt, mit sofortiger Wirkung aufzuhören, russisches Erdöl auf dem Spotmarkt, also kurzfristig, zu kaufen und bestehende Verträge nicht zu erneuern. Außerdem will das Unternehmen „so schnell wie möglich" russisches Erdöl aus den eigenen Lieferketten entfernen, allerdings wird dies mehrere Wochen dauern und zu Engpässen in einigen Raffinerien führen. Der Shell-Chef Ben van Beurden entschuldigte sich auch dafür, noch in der vergangenen Woche eine Fracht Erdöl aus Russland gekauft zu haben.)

Nynas beschloss, den Kauf von Rohstoffen russischen Ursprungs einzustellen. Das betrifft auch Rohstoffe von westlichen nichtrussischen Lieferanten. Auch der Verkauf an Kunden in Russland und Weißrussland wurde vergangene Woche bis auf weiteres eingestellt. „Die Entscheidung wurde getroffen, obwohl der Export von Rohöl und Gas aus Russland derzeit keinen Sanktionen unterliegt. Wir von Nynas hoffen wie alle anderen auf ein dringendes Ende der russischen Invasion in der Ukraine, um die anhaltende humanitäre Katastrophe zu stoppen.“, sagt Bo Askvik, Präsident und CEO von Nynas. Nynas verfügt über alternative Bezugsmöglichkeiten und wird diesen Teil der Rohstoffversorgung erhöhen. Gleichzeitig werden neue Lieferanten evaluiert.

Weitere westliche Ölkonzerne fahren wegen des Ukrainekriegs ihre Geschäftsbeziehungen mit Russland herunter. Der US-Ölkonzern ExxonMobil kündigte an, dass er sich schrittweise aus dem Betrieb eines großen Ölfelds in Russland zurückziehen will. ExxonMobil betreibt im Namen eines Konsortiums, dem der russische Ölkonzern Rosneft, ein indisches sowie ein japanisches Unternehmen angehören, seit 1995 das Sachalin-1-Ölfeld, das ganz im Osten des Landes liegt. Der US-Konzern besitzt 30 % der Anteile an dem Projekt.

Für die OMV galt Russland bis vor kurzem noch als Kernregion, was die Förderung von Öl und insbesondere Gas betrifft. Der Konzern, bei dem der Staat Österreich 30 % der Anteile hält, beteiligte sich seit 2017 anteilig an Gasfeldern. Der Vorstand beschloss nun, Verhandlungen über weitere Beteiligungen nicht fortzusetzen.

Der französische Energieriese TotalEnergies hatte unterdessen erklärt, er werde nicht mehr in neue Projekte in Russland investieren. Die Franzosen erklärten jedoch gleichzeitig, dass sie nicht vorhaben, sich aus laufenden Projekten zurückziehen.

Unterdessen hatte der italienische Ölkonzern Eni erklärt, dass er sich aus der Blue-Stream-Gaspipeline zwischen Russland und der Türkei zurückziehen und seine Anteile verkaufen wird. Eni hält 50 % der Anteile, die andere Hälfte gehört dem russischen Gaskonzern Gazprom. Darüber hinaus besitze Eni kaum Geschäftsbeziehungen zu Russland. Gemeinschaftsunternehmen mit Rosneft, die mit Explorationslizenzen in der Arktis verbunden sind, sind aufgrund der seit 2014 gegen Russland verhängten Sanktionen im Zuge der Besetzung der Krim bereits seit Jahren eingefroren.

Weil sich immer mehr westliche Firmen wegen der Sanktionen aus Russland zurückziehen, bereitet der Kreml einen Präsidialerlass vor, der die Kapitalflucht verhindern soll.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, meiden US-Ölhändler auch ohne Sanktionen russisches Öl, asiatische Unternehmen reagieren abwartend.

Bitumen von Rosneft in Deutschland

Rosneft galt vor dem Ukrainekrieg, gemessen an Reserven und Produktion, zum derzeit größten börsennotierten Öl- und Gasunternehmen der Welt. An dem russischen Ölriesen hält der Kreml 50 % plus eine Aktie.

Seit 2018 vertreibt die Rosneft Deutschland GmbH direkt Straßenbaubitumen und polymermodifiziertem Bitumen – unter dem Markennamen Alfabit – aus den 3 Raffineriestandorten PCK Schwedt, Bayernoil (Vohburg/Neustadt) und Miro Karlsruhe. Zuvor wurde bereits viele Liter Rosneft-Bitumen in deutschen Straßen verbaut, das über das Ruhr Oel Joint Ventures über die BP vertrieben wurde. Schon damals war Rosneft also an Raffinerien in Deutschland beteiligt.

Laut Aussagen eines Sprechers von Rosneft Deutschland gegenüber „Asphalt & Bitumen“ ist die Versorgung mit Bitumen derzeit nicht beeinträchtigt. Liefervereinbarungen mit den Kunden werden eingehalten. Auch weil der Export von Gas und Erdöl derzeit von den Sanktionen nicht betroffen sind und die Raffinerien weiter laufen. Einzige Änderung seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine: Sämtliche Kontaktdaten zu Ansprechpartner sind auf der Webseite von Rosneft Deutschland verschwunden.

Versorgung mit Bitumen in der Zukunft

Welche Auswirkungen die Abkopplung russischer Banken vom Finanzmarkt auf russische Unternehmen, die sich wie Rosneft, am Kapitalmarkt finanzieren, bleibt abzuwarten. Der Handel mit den Aktien wurde von den bedeutenden Börsen weltweit ausgesetzt. Sollten die Lieferungen von Erdöl aus Russland stocken oder gar ganz ausbleiben, droht ein Ausfall von bis zu einem Drittel der hiesigen Bitumenversorgung, mit entsprechenden Auswirkungen auf den deutschen Straßenbau.

Langfristig gesehen ist unklar, wie sich die Beteiligung von Rosneft an Raffinerien in Deutschland gestalten wird. Der russische Energiekonzern hatte im vergangenen Jahr einen Großteil der Erdölraffinerie PCK in Schwedt übernommen und auch das Vorkaufsrecht auf den Erwerb von 37,5 % der Anteile des Mineralöl-Konzerns Shell ausgeübt. Damit würde Rosneft seinen Anteil an PCK von 54,17 auf 91,67 % erhöhen. Das Kartellamt hatte 2 Tage vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine diese Übernahme erlaubt, da dem Kauf keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken entgegengestanden hätten. Die kartellrechtliche Zusage wird derzeit vom Bundeswirtschaftsministerium überprüft. Bei den sogenannten Investitionsprüfungen durch das Bundeswirtschaftsministerium geht es um die Frage, ob durch die ausländische Investition eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für die Bundesrepublik zu erwarten ist. Neben Shell (37,5) hält Eni 8,3 % Anteile an PCK Schwedt.

Rosneft hatte vor, seinen Anteil an der Raffinerie PCK-Schwedt von 54,17 auf 91,67 % zu erhöhen

Während in Schwedt 11,6 Mio. t Rohöl im Jahr verarbeitet werden, sind es bei Miro in Karlsruhe 14,9 Mio. t. Hier hält Rosneft 24 % der Anteile. Größter Anteilseigner ist Shell (32,25 %), gefolgt von ExxonMobil (25 %). Die verbleibenden Anteile (18,75 %) hält Phillips 66. Am Standort Bayernoil, wo 10,8 Mio. t im Jahr verarbeitet werden, ist die Varo Energy mit 51,43 % Haupteigner. Rosneft ist mit 28,57 % beteiligt, Eni mit 20 %.

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