Image
Dass sie mit ihrem Ansatz tatsächlich Beton herstellen können, ist ein grosser Erfolg für das Team (v.l.): Konstantin Fache, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Jörg Harnisch, Bachelorstudent Noel Oellerich, Mitarbeiter Ingo Fenneker und Pia Gebken, wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Foto: FH Münster/Katharina Kipp
Dass sie mit ihrem Ansatz tatsächlich Beton herstellen können, ist ein grosser Erfolg für das Team (v.l.): Konstantin Fache, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Jörg Harnisch, Bachelorstudent Noel Oellerich, Mitarbeiter Ingo Fenneker und Pia Gebken, wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Beton

Forschung: Klimafreundlicher Beton

Immer mehr Bauwerke aus Beton sind in die Jahre gekommen und werden abgebrochen – übrig bleibt jede Menge Schutt.

Dieser besteht aus verschiedenen Korngrössen, von sehr klein bis ganz grob. Alles, was im mittleren bis groben Segment liegt, lässt sich in der Baubranche derzeit gut weiterverarbeiten. Mit dem feinen Pulver im Betonrecyclat, das von der Konsistenz her an Mehl erinnert, gelingt das jedoch nicht ohne Weiteres. Darüber hinaus gibt es eine weitere Herausforderung beim Einsatz von Beton als Massenbaustoff: Zement. Dieser wird neben der Gesteinskörnung, Wasser sowie Zusatzmitteln und -stoffen benötigt, um Beton herzustellen. Er verursacht dabei aber fünf bis acht Prozent der CO2-Emissionen weltweit.

Zement ersetzen – als Forschungsansatz

Bauingenieure der FH Münster hatten deshalb die Idee, einen völlig neuen Beton zu entwickeln, der klimafreundlich und idealerweise CO2-neutral ist – und unter anderem aus den Feinanteilen des Betonrecyclats besteht. Denn damit stellte das Team ein CO2-optimiertes Bindemittel her. „Das Bindemittel klebt die Gesteinskörner im Beton zusammen. Normalerweise geschieht das mit Hilfe des Zementleims“, erklärt Prof. Dr. Jörg Harnisch. Zement besteht aus Kalk und Ton. In der Herstellung wird er bei bis zu 1450 Grad gebrannt. Dabei stammt ein grosser Teil der Energie nach wie vor aus fossilen Energieträgern – und das sorgt für einen erheblichen CO2-Ausstoss. Aber nicht nur hier entsteht CO2. Wird Kalkstein bei 1450 Grad Celsius gebrannt, wandelt dieser sich unter Abgabe von erheblichen CO2-Mengen zu Brandkalk um. Dieser Vorgang wird „entsäuern“ genannt, und der Anteil am Gesamtausstoss von CO2 beträgt rund 60 Prozent. Diese Menge wird also Brennstoffunabhängig bei den derzeit eingesetzten Rohstoffen immer erzeugt.

„Unser Ansatz ist es daher, Zement zu ersetzen. Wir verwenden Metakaolin, ein thermisch speziell aufbereiteter Ton, und das feine Pulver aus dem Betonrezcylat. Letzteres haben wir vom Betonwerk Rekers bekommen, dessen Betonrecylat aus der Produktion gut mit dem Recyclat von der Baustelle vergleichbar ist. Wir danken an dieser Stelle herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit im Projekt.“ Metakaolin verbrauche in der Herstellung zwar immer noch Energie, allerdings deutlich weniger als beim Zement. Zudem „entsäuert“ Ton nicht wie Kalkstein, sodass der CO2-Ausstoss von dieser Seite auf ein Minimum gesenkt werden kann, so der Wissenschaftler. Statt Wasser arbeitet das Team mit einer hoch alkalischen Aktivatorlösung – das dickflüssige Natrium-Wasserglas. „Dieser Prozess ist sehr komplex“, sagt Pia Gebken. „In dem Pulver gibt es amorphe Alumosilikate, die eine grosse chemische Reaktionsfreude besitzen. Wir lösen diese mit dem Wasserglas zunächst an. In einem zweiten Schritt verbinden sich die angelösten Elemente zu neuen, festen Strukturen. Dieser Vorgang wird auch als Polymerisation bezeichnet und ist vor allem in Zusammenhang mit Kunststoffen bekannt. Dadurch entsteht das neue Bindemittel, mit dem wir die Gesteinskörner zusammenkleben“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Verhältnis von Metakaolin und Rezyklat als die Herausforderung

Drei Jahre lang haben die Bauingenieur*innen daran geforscht. Dabei entpuppte sich vor allem das richtige Verhältnis von Metakaolin und Rezyklat als grose Herausforderung: ein zu hoher Anteil von Rezyklat führt dazu, dass die Fertigkeit nicht besonders hoch ist. Aber auch die Zusammensetzung der Aktivatorlösung spielt eine grosse Rolle und wurde in ausgiebigen Testreihen beleuchtet. Die Prüfungen an Festmörtel und -beton hat Ingo Fenneker durchgeführt und begleitet: Er führte im Bautechnischen Zentrallabor der Hochschule Belastungstests in dreistelliger Anzahl durch. „Letztendlich ist es uns gelungen, funktionierende Betone zu entwickeln, die unter Baustellenbedingungen hergestellt werden können und eine technisch nutzbare Festigkeit aufweisen – Vorsicht ist aber bei dem Einsatz der alkalischen Lösung angesagt“, so Harnisch. Besonders gut funktioniert Beton, der zu 75 Prozent aus Metakaolin und 25 Prozent aus Rezyklat besteht. „Dieser ist mit 30 Newton pro Quadratmillimeter belastbar, was einem normalen Beton im heutigen Hausbau entspricht“, sagt Fenneker. Die Fertigkeit sinkt leicht, wenn der Beton zu 50 Prozent aus Metakaolin und zu 50 Prozent aus Rezyklat besteht – ist aber immer noch sehr gut nutzbar. Und die Folgen für die Umwelt sind deutlich: Normaler Beton erzeugt ein CO2-Äquivalent von über 200 Kilogramm pro Kubikmeter. Beton mit viel Metakaolin und weniger Rezyklat reduziert das um 42 Prozent, Beton mit mehr Rezyklat um 50 Prozent. Noch ein Vorteil: Die verbleibende Energie ist vornehmlich Prozessenergie, die in der Zukunft idealerweise aus regenerativen Quellen stammt. Dann wäre der neue Beton klimaneutral. Fertig ist das Team damit aber noch nicht: Im nächsten Schritt will es untersuchen, wie dauerhaft der neue Beton ist – wie gut er also gegen Frost, Temperatur- und Feuchtebeanspruchung gewappnet ist. Und es gilt herausfinden, wie lange der Beton den darin verbauten Bewehrungsstahl sicher vor Korrosion schützt. „Ausserdem wollen wir einen Beton mit noch höherer Festigkeit entwickeln. Was wir jetzt schon erreicht haben, ist für uns ein großer Erfolg. Da steckt aber noch viel Potenzial drin, das wir ausschöpfen wollen. Irgendwann komplett klimaneutralen Beton zu produzieren, wäre grossartig, denn ohne Beton bauen wird es auch in Zukunft nicht geben“, so Harnisch.

Wir haben noch mehr für Sie!

Aktuelle Entwicklungen in der Branche, neue Maschinen und Anlagen, Tipps zur Betriebsführung und Erfahrungsberichte gibt es alle 14 Tage aus unseren Fachredaktionen direkt ins Postfach: nützlich, übersichtlich und auf den Punkt.
Melden Sie sich jetzt für unsere Newsletter an - schnell und kostenlos!
Asphalt & Bitumen Newsletter
 
Straßen- und Tiefbau Newsletter
 
Steinbruch und Sandgrube Newsletter
 
DSB – Die Schweizer Baustoffindustrie Newsletter
 
Wir geben Ihre Daten nicht an Dritte weiter. Die Übermittlung erfolgt verschlüsselt. Zu statistischen Zwecken führen wir ein anonymisiertes Link-Tracking durch.
Image
Prof. Konrad Mollenhauer und Baustoffprüfer Thomas Thielemann freuen sich über das neue Lumos II FTIR-Mikroskop

Forschung

Straßenbaulabor der Uni Kassel mit verbesserter Ausstattung

Mit 1 Mio. Euro erweitert die Universität Kassel ihre Forschungsausstattung auf dem Gebiet „Nachhaltige Infrastrukturen“.

    • Asphalt, Bitumen, Prüftechnik
Image
Von Implenia geführte ARGE erhält den Zuschlag für Los 2 «Tunnel Ligerz» im Rahmen des Doppelspurausbaus Ligerz-Twann

Tunnel

Komplexes Bahninfrastrukturprojekt in der Schweiz

Die ARGE IBD, bestehend aus den Partnern Implenia (Federführung), Bernasconi und De Luca, erhielt von der SBB den Zuschlag für Los 2 «Tunnel Ligerz».

    • Tunnel
Image
FSKB-Präsident Lionel Lathion (l.) und Direktor Martin Weder (Mitte) verabschieden anlässlich der Mitgliederversammlung in Bern den langjährigen Vizepräsidenten Ulrich Widmer.

Interview

Kiesnotstand in der Schweiz?

An der Mitgliedersammlung vom 23. Juni 2023 in Bern wurde FSKB Vizepräsident Ulrich Widmer aus seinem Amt verabschiedet.

    • Verbände
Image
In Aachen wird Wärme aus einer Straße gewonnen

Straßenbau

Mit Asphaltstraßen Wärme ernten

An der RWTH Aachen wird mit einem Demonstrator untersucht, wie die Wärmeenergie einer Straße genutzt werden kann.

    • Asphalt, Brücken, Straßenerhaltung, Straßenplanung