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Archiv 13. Oktober 2014

„Mehr junge Leute, bitte!“

Ausbildung: Dass in Steinbruch, Kieswerk und Sandgrube Auszubildende Mangelware sind, darüber herrscht allgemeiner Konsens. Bei der Lösung des Problems aber weiß niemand Rat. Wir fragten vier angehende Aufbereitungsmechaniker vom TÜV NORD College (Berufsschule in Moers) und ihren Klassenlehrer Ralf Vogels, wie sie die Sache angehen würden.

Wie lassen sich junge Menschen fr eine Ausbildung in der Steine- und Erdenindustrie motivieren? SUSA-Chefredakteurin Ute Schroeter im Gesprch mit Auszubildenden, die die Berufsschule in Moers besuchen.
Wie lassen sich junge Menschen fr eine Ausbildung in der Steine- und Erdenindustrie motivieren? SUSA-Chefredakteurin Ute Schroeter im Gesprch mit Auszubildenden, die die Berufsschule in Moers besuchen.

Viele Menschen glauben, die Arbeit in einem Steinbruch oder Kieswerk sei langweilig, staubig und trocken. Können Sie das bestätigen?

Dominik Asubonteng: Nein, überhaupt nicht. Die Leute haben leider oft noch dieses alte Bild im Kopf, dass man im Steinbruch mit Hacke und Schippe arbeiten würde. Das ist natürlich völliger Quatsch. Ich mache meine Ausbildung in einem Steinbruch, da ist alles hochtechnisiert.

Felix Rautenberg: Wenn ich sage, ich lerne in einem Kieswerk, fragen mich manche, ob ich den ganzen Tag Steine zähle.

Eric Zaum: Aufbereitungsmechaniker ist überhaupt kein eintöniger Beruf. Jede Woche kommt irgendwas anderes, mal ist man mit dem Radlader unterwegs, dann steht die Anlage still und muss repariert werden. Jeden Tag kommen neue Herausforderungen.

Maximillian Markus Wittek: Unser Job bezieht sich ja nicht auf den Rohstoff allein, wir sind hauptsächlich für die Maschinen zuständig, die den Rohstoff fördern und aufbereiten.

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Wie sind Sie denn darauf gekommen, Aufbereitungsmechaniker zu werden?

Maximillian Markus Wittek, Ausbildung bei Cemex Deutschland AGFoto: Foto: Ute Schroeter

Maximillian Markus Wittek:  Ich wollte auf jeden Fall irgendetwas Technisches machen und habe im Internet nach freien Stellen in meiner Nähe gesucht. Mechatroniker, Informatiker ist halt so das Übliche. Irgendwann fand ich dann eine Beschreibung vom Aufbereitungsmechaniker, das kannte ich nicht und fand´s irgendwie spannend. So bin ich dann bei Cemex gelandet.

Felix Rautenberg: Ich wollte einen Beruf, bei dem ich mich dreckig machen kann (alle lachen). Ja, so wie früher im Sandkasten. Koch hätte ich mir auch vorstellen können, aber da fällt das mit dem Dreck ja aus. Nach einem Jahr Berufsfachschule fand ich in der Zeitung eine Anzeige, dass bei Firma Cemex ein Ausbildungsplatz zum Aufbereitungsmechaniker frei ist. Zuerst hab ich dort noch mein schulisches Pflichtpraktikum gemacht, dann ging alles ganz schnell. Kurz nach dem Vorstellungsgespräch hieß es dann: Herzlich Willkommen.

Eric Zaum: Ich wollte was machen, was nicht alle machen und hab gezielt nach nicht so bekannten Berufen geschaut. Nach einem zweiwöchigen Praktikum bei den Rheinischen Baustoffwerken wurde ich direkt genommen.

Dominik Asubonteng: Ich bin durch einen alten Schulkameraden, der dieselbe Ausbildung gemacht hat, auf den Beruf aufmerksam geworden. Er hat mich gefragt, ob das nicht was für mich wäre und mir dann gleich ein Praktikum im Betrieb vermittelt. Ich habe eine Woche vor Ausbildungsbeginn schon angefangen, bei Basaltnickel zu arbeiten.

Was gefällt Ihnen an der Ausbildung besonders gut?

Eric Zaum, Ausbildung bei Rheinische Baustoffwerke GmbHFoto: Foto: Ute Schroeter

Eric Zaum: Ich finde es sehr spannend, zu beobachten, dass aus einem Rohstoff mehrere Produkte entstehen. Die Produkte müssen so hochwertig sein, dass sie sich gut verkaufen lassen.

Maximillian Markus Wittek: Mir war immer schon klar, dass ich keinen Bürojob machen will. Im Kieswerk ist man viel draußen, das finde ich gut. Bei Eis und Schnee oder extremer Hitze kann das natürlich auch ein Nachteil sein, denn wir müssen immer Schutzkleidung tragen, da schwitzt man dann auch mal. Ansonsten mag ich das eigenständige Arbeiten schon vom ersten Tag der Ausbildung an. Natürlich werden wir angeleitet, aber da schaut einem nicht dauernd einer auf die Finger. Bei uns heißt es immer: Hauptsache es funktioniert und es bricht sich keiner den Hals.

Felix Rautenberg: Natürlich müssen wir als Azubi auch Saubermachen oder Schippen, man lernt aber auch viele spannende Sachen, wie man ein Lager einbaut zum Beispiel.
Irgendwann kann man´s das dann alleine.

Dominik Asubonteng: Mir gefällt, dass man nicht nur einen einzigen Beruf lernt, sondern Einblicke in viele verschiedene Berufsfelder bekommt. Bei uns arbeiten Elektriker, Schlosser, Industriemechaniker, die ich alle wochenweise begleite und von denen ich mir viel abschauen kann.

Und was finden Sie nicht so gut?

Dominik Asubonteng: Ich finde es sehr traurig, dass nur noch alte Leute in diesem Berufszweig arbeiten. Wir brauchen dringend mehr Junge in den Steinbrüchen. Diese Alte-Hasen-Generation hat oft kein Verständnis für Änderungsvorschläge, da heißt es dann immer nur: „Haben wir doch immer so gemacht.“ Ich hatte wirklich Probleme im ersten Lehrjahr mit einigen Mitarbeitern, die einen nach einem Fehlversuch gleich angeschrien haben wie verrückt. Als Azubi muss man auch Fehler machen dürfen, sonst lernt man ja nichts. Manche können aber nicht normal mit einem reden, das stört mich schon.

Maximillian Markus Wittek: Bei uns im Werk gibt es einen einzigen Aufbereitungsmechaniker, alle anderen sind angelernte Schlosser, Konstruktionsmechaniker oder Elektriker und die nehmen die Jüngeren oft nicht ernst. Da kann man dann sagen was man will, und nur hoffen, dass die bald in Rente gehen.

Den oft zitierten rauen Ton scheint es in der Branche also doch noch zu geben …

Felix Rautenberg: Ja, ab und an kommt der noch durch, wobei man ja von den Älteren auch viel lernen kann. Wir Azubis möchten aber in einem vernünftigen und normalen Ton angesprochen werden.

Maximillian Markus Wittek: Das Problem ist auch die Routine. Diejenigen, die seit 35 Jahren dabei sind, meinen, sie müssten manche Dinge nicht erklären, weil sie sie für völlig selbstverständlich halten. Und die wundern sich dann, wenn wir nur Bahnhof verstehen, weil wir gewisse Zwischenschritte noch nicht kennen.

Sie haben ja leider nur sehr wenige Mitstreiter. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Felix Rautenberg, Ausbildung bei Cemex Deutschland AGFoto: Foto: Ute Schroeter

Felix Rautenberg: Das Problem ist einfach, dass der Beruf zu wenig bekannt ist. "Aufbereitungsmechaniker, was ist denn das?" Diese Frage höre ich oft. Auch bei den Arbeitsämtern weiß man viel zu wenig darüber.

Dominik Asubonteng: Ich war mal zu einer Untersuchung beim Arzt, der wollte mich einem Beruf zuordnen, konnte ihn aber im Computer nicht finden.

Felix Rautenberg: Das ging mir auch so, als ich mal einen Arbeitsunfall hatte.

Haben Sie Ideen, wie man den Beruf bekannter machen kann?

Eric Zaum: Es gibt ja die Berufsorientierungstage vom Arbeitsamt, da müsste man den Beruf vorstellen.

Ralf Vogels: Im MIRO-Arbeitssauschuss zum Thema Ausbildung haben wir diese Frage auch diskutiert. Unter Aufbereitungsmechaniker kann sich kaum jemand etwas vorstellen, deshalb sollte man überlegen, ob man die Ausbildung umbenennt, zum Beispiel in Rohstoffmechaniker.

Eric Zaum: Nicht schlecht. Klingt irgendwie höherwertig.

Glauben Sie, dass Frauen in diesem Beruf gut aufgehoben sind?

Eric Zaum: Bei uns im Betrieb arbeitet eine Frau, die macht alle Arbeiten mit, nur die ganz schweren nehmen wir ihr ab und sie macht stattdessen die leichteren Sachen.

Ärgern Sie sich darüber?

Eric Zaum: Nein, gar nicht. Die Kollegin hat was drauf und sitzt ja nicht tatenlos in der Ecke und lässt uns schuften. Es gibt so viel Arbeit im Kieswerk, die ja auch gemacht werden muss, die aber körperlich nicht ganz so anstrengend ist, wie Schweißen zum Beispiel.

Ralf Vogels: Ich finde es auch sehr schade, dass so wenige Frauen diesen Job ergreifen wollen. Es gibt einige wenige, die diesen Beruf erlernt und später auch studiert haben und heute in Führungspositionen arbeiten. Nach meinen Erfahrungen sind Frauen sehr viel zielgerichteter, die wissen im Prinzip schon vor der Ausbildung, was sie anschließend machen wollen.

 Könnte man mit mehr Geld junge Leute in Steinbruch und Kieswerk locken?

Dominik Asubonteng, Ausbildung bei Johannes Nickel GmbH u. Co. KGFoto: Foto: Ute Schroeter

Dominik Asubonteng: Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde. Im Verhältnis zu anderen Berufen verdienen wir ja schon recht gut. Wer das nur wegen des Geldes macht und kein echtes Interesse hat, der wird nicht lange in dieser Branche arbeiten.

Eric Zaum: Der recht gute Verdienst später ist schon ein Anreiz, die Ausbildung fertig zu kriegen. Und die Betriebe haben ja auch genug Ausgaben mit uns. Schule, Verpflegung, Kurse, Fahrkosten, das alles muss bezahlt werden.

Sind Sie denn mit Ihrer Ausbildung insgesamt zufrieden, bekommen Sie Rückendeckung, wenn es Probleme gibt?

Maximillian Markus Wittek: Das kommt auf den Ausbildungsbetrieb an. Unsere Firma ist groß, die kümmert sich weitgehend um alles. Wir haben sogar eine Ausbildungskoordination, da kann man anrufen, wenn es Probleme mit Kollegen oder Vorgesetzten oder in der Schule gibt. Wir haben auch keine Kosten. Für Unterkunft, Verpflegung ist gesorgt, auch Fahrkosten bekommen wir erstattet.

Ralfs Vogels: So vorbildlich läuft es leider nicht in allen Betrieben. Cemex ist da sicherlich Vorreiter, andere halten sich in puncto Kosten gerne auch mal bedeckt.

Dominik Asubonteng: Ich wurde anfangs in ein Doppelzimmer mit einer fremden Person gesteckt, die ich gar nicht kannte, neben der sollte ich dann im Ehebett schlafen. Da habe ich mir auf eigene Faust eine Unterkunft gesucht, das hat der Betrieb akzeptiert. Auch als ich die Schule wechseln musste, hat man mich unterstützt.

Warum mussten Sie die Schule wechseln?

Dominik Asubonteng: Ich ging zuerst in die Berufsschule in Erfurt. Dort hat es mir eigentlich sehr gut gefallen, das Gelände, die Unterkunft, alles top renoviert, auch die Schule war sehr kompetent. Das Problem war die Umgebung, ich wurde von Rassisten bedroht und traute mich abends ab 7 Uhr nicht mehr aus dem Haus. Ich hätte nie gedacht, dass es in diesem Ausmaß passiert, aber es war schlimm, wie im Film. Der Betrieb hat die Sache sehr ernst genommen und sofort reagiert, ich konnte auch gleich heimreisen. Ich wäre ehrlich gesagt ziemlich verzweifelt, wenn mein Betriebsleiter gesagt hätte: „Nein, du musst jetzt da bleiben.“ Jetzt bin ich seit einem Jahr in Moers und es läuft gut.

Ralf Vogels, TV NORD College GmbHFoto: Foto: Ute Schroeter

Ralfs Vogels: Zum Glück ist das ein extremer Fall und bisher der einzige, der uns zu Ohren gekommen ist. Generell aber wird in dieser Branche niemand im Stich gelassen. Heimweh spielt eine große Rolle, da stellen wir Berufsschulen uns drauf ein. Wir bekommen Schüler aus dem ganzen Bundesgebiet, ein junger Mann kam von der polnischen Grenze. Kurz vor Weihnachten hatte seine Freundin mit ihm Schluss gemacht, den haben wir dann nach Rücksprache mit dem Betrieb auch nach Hause geschickt.

Vielen Dank für das Gespräch. Fällt Ihnen noch ein Schluss-Appell ein?

 Dominik Asubonteng: Mehr junge Leute, bitte!

(Interview: Ute Schroeter)

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